Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.9.10

Netzsperren vor dem EU-Parlament

Dass die Kommission in Person von Innenkommissarin Cecila Malmström – mit denselben unzureichenden Argumenten wie Ursula von der Leyen zuvor in Deutschland – die Einführungen von Access-Sperren zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet einführen möchte, ist seit einigen Monaten bekannt. Ein entsprechender Richtlinienentwurf ist bereits seit längerer Zeit online. Man muss in diesem Zusammenhang auch nochmals darauf hinweisen, dass dieser Entwurf inhaltlich deutlich weiter geht als der deutsche Entwurf und auch sog. Jugendpornografie umfassen soll. Es geht also offenbar nicht mehr nur um die Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern, sondern auch um die Durchsetzung fragwürdiger Moralvorstelungen im Bereich der Jugendsexualität.

Einen anderen Aspekt beleuchtet die „European Cybercriminals Society (ECS)“, also die Vereinigung der europäischen Cyberkriminellen (;-), in einem offenen Brief an Kommissarin Malmström. Die Satire bedankt sich im Namen der Straftäter dafür, dass damit ein Frühwarnsystem etabliert wird, das es Kriminellen frühzeitig ermöglicht, auf andere Server auszuweichen. In diesem Zusammenhang wird von der ECS dann beanstandet, dass es unfair sei, dasselbe Frühwarnsystem nicht auch denjenigen Cyberkriminellen anzubieten, die im Bereich der Verletzung des geistigen Eigentums oder des Betrugs aktiv sind. Denn damit würde eindeutig der Binnenmarkt für Kriminalität behindert.

Diese Satire lenkt die Diskussion auf den oft vernachlässigten Aspekt, dass Access-Sperren nicht geeignet sind, die Verbreitung von Kinderpornografie einzudämmen, sondern vielmehr die Gefahr beinhalten, dass deren Verbreitung eher noch gefördert wird.

Am 28. und 29. September findet im Rechtsausschuss des Europaparlaments eine Anhörung zu dem Richtlinienentwurf statt. Die geladenen Fachleute sollen allerdings weitgehend aus Sperrbefürwortern bestehen, obwohl die deutsche Diskussion eigentlich gezeigt hat, dass die Mehrheit der technischen und juristischen Experten dem Vorhaben kritisch bis ablehnend gegenüber steht. Es droht also eine tendenziöse Einflussnahme auf die Meinungsbildung der Abgeordneten durch eine selektive Auswahl von Fachleuten, die das Access-Blocking befürworten.

posted by Stadler at 09:33  

15.9.10

Depubliziert und republiziert

Der „Begriff „depublizieren“ zählt für mich zu den Anwärtern auf das Unwort des Jahres. Der sog. Drei-Stufen-Test (§ 11 f. Rundfunkstaatsvertrag) verpflichtet öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter dazu, ihre Onlineinhalte zu überprüfen und alles, was nicht den Kriterien entspricht, zu löschen. Daneben sieht die Vorschrift von § 11 d Abs. 2 RStV vor, dass die meisten Onlineinhalte nach sieben Tagen zu löschen sind. Das hat dazu geführt, dass ARD und ZDF ihre Onlinearchive leergeräumt und in großem Umfang Inhalte gelöscht haben.

Ein Vorgang, der in einer Wissensgesellschaft anchronistisch anmutet. Aus Sicht der Bürger, die diese Inhalte schließlich mit ihren Rundfunkbegühren bezahlt haben, ist das Ergebnis mehr als unbefriedigend.Denn es wird Information vernichtet, um den Interessen von privaten Rundfunkanbietern und Verlegern nachzukommen, die sich durch die gebührenfinanzierten Internetinhalte von ARD und ZDF benachteiligt sehen.

Aber, das Netz schlägt jetzt zurück. Denn auf depub.org haben einige Idealisten damit begonnen, die Onlinearchive von tagesschau.de wieder herzustellen. Man plant dies offenbar auch für weitere öffentlich-rechtliche Telemedien.

Es würde mich allerdings nicht erstaunen, wenn depub.org juristischen Ärger bekommen würde.

Update vom 16.09.10:
Der NDR hat ankekündigt mit allen juristischen Mitteln gegen depub.org vorgehen zu wollen, berichtet CARTA.

posted by Stadler at 12:42  

14.9.10

Politischer Erfolgsdruck auf das BSI

Wie die taz in ihrer heutigen Printausgabe berichtet (14.09.2010, S. 9), hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) über Jahre hinweg einen Großteil seiner Aufträge freihändig ohne Ausschreibung vergeben. Der Bundesrechnungshof hat diese Praxis jetzt offenbar gerügt und spricht laut taz sogar von „vergabefremden Erwägungen“. Das BSI rechtfertigt sich damit, dass die Leistung oft nicht so genau beschrieben werden könne, um mehrere Angebote einzuholen und zudem mit „politischem Erfolgsdruck“.

posted by Stadler at 21:13  

14.9.10

Wie bedenklich ist das SWIFT-Abkommen wirklich?

Das sog. SWIFT-Abkommen, das die EU verpflichtet, im Falle von Terrorverdacht Bankdaten von EU-Bürgern an die USA zu übermitteln, wurde bekanntlich nach anfänglichem Widerstand vom Europaparlament gebilligt
und ist seit 01.08.2010 in Kraft.

Während man in Deutschland über Belanglosigkeiten wie Google Street View heftig diskutiert, gehen die datenschutzrechtlich wirklich bedenklichen Vorgänge, wie das SWIFT-Abkommen, von einer breiten Öffentlichkeit nahezu unbemerkt über die Bühne.

Vermutlich liegt das auch daran, dass viele Bürger denken, sie wären davon eh nicht betroffen, weil sie sicherlich nie unter Terrorverdacht geraten werden. Diese Annahme wäre aber nur dann richtig, wenn mit Hilfe des Swift-Abkommens zielgenau Daten bestimmter Verdächtiger übermittelt würden. Aber gerade das ist nicht der Fall. Das Abkommen arbeitet vielmehr nach der Gießkannenmethode. Weil es SWIFT technisch nicht möglich ist, einen einzelnen Datensatz zu übermitteln, werden regelmäßig ganze Sammeldateien übersandt. Die kleinste Einheit, die Swift liefern könne, seien die Banktransferdaten für ein ganzes Land für einen bestimmten Zeitraum, heißt es bei ZEITONLINE. Das bedeutet freilich nicht weniger, als dass wegen eines in Deutschland ansässigen Terrorverdächtigen, alle deutschen Bankdaten, die SWIFT für einen bestimmten Zeitraum vorliegen, an die USA übermittelt werden. Also auch Ihre und meine.

Die EU versucht das abzumildern, indem man einen EU-Beamten – dessen Identität wiederum geheim ist – damit betraut hat, zu prüfen, welche Daten die Amerikaner tatsächlich abgreifen. Ob und wie diese Kontrolle funktioniert ist unklar. Letztlich hat sich die EU also darauf eingelassen, alle Bankdaten eines EU-Staates für einen bestimmten Tag oder einen bestimmten Zeitraum komplett an die US-Behörden zu liefern. Man fragt sich immer, ob die Mehrheit der Parlamentarier so naiv ist zu glauben, dass diese einseitige Verpflichtung wirklich (allein) der Terrorbekämpfung dient.

Wer wie die EU und ihre Mitgliedstaaten die Daten seiner Bürger in dieser Form preisgibt, kann nicht erwarten, dass man ihm ansonsten Vertrauen entgegen bringt, inbesondere nicht in datenschutzrechtlicher Hinsicht. Man fragt sich, weshalb das Datenschutzrecht überhaupt Hürden für die Datenübermittlung in Drittstaaten außerhalb der EU errichtet, wenn man andererseits bereit ist, fremden Staaten die Daten seiner Bürger auf dem Silbertablett zu präsentieren.

posted by Stadler at 17:05  

14.9.10

BGH: Ohne 19 % Mehrwertsteuer

Mit einem heute im Volltext veröffentlichten Urteil vom 31.03.2010 (Az.: I ZR 75/08) hat der BGH entschieden, dass eine Werbung mit der Aussage „Nur heute ohne 19 % Mehrwertsteuer“ auch dann nicht als unangemessene Beeinflussung des Verbauchers wettbewerbswidrig ist, wenn die Werbung erst am Tag des in Aussicht gestellten Rabatts erscheint.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist die von der Werbung ausgehende Anlockwirkung als Bestandteil des Leistungswettbewerbs hinzunehmen. Die freie Entscheidung der Verbraucher wird dadurch nach Meinung des Gerichts nicht beeinträchtigt.

posted by Stadler at 10:48  

13.9.10

DigiProtect nimmt Berufung zurück

Anfang des Jahres hatte ich über ein in den Fällen des Filesharing vielleicht wegweisendes Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main berichtet. Das Amsgericht Frankfurt hatte eine Klage der Filesharing-Massenabmahner DigiProtect, vertreten durch die Rechtsanwälte Kornmeier, auf Erstattung von Anwaltskosten abgewiesen. Bislang sprechen fast alle anderen Gerichte den Abmahnern diese Kosten zu.

DigiProtect hat erwartungsgemäß Berufung gegen dieses Urteil eingelegt, fand aber beim Landgericht Frankfurt (Az.: 2-06 S 1/10) kein Gehöhr und hat deshalb die Berufung auf Anraten der Kammer zurückgenommen. Damit ist das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt, das von Rechtsanwalt Kohut erstritten wurde, rechtskräftig.

Digiprotect und Kornmeier haben auf diese Entwicklung insoweit reagiert, als sich DigiProtect in letzter Zeit kaum mehr durch Kornmeier vertreten lässt. Demgegenüber ist Kornmeier seit einigen Monaten verstärkt für eine neue Gesellschaft namens GSDR tätig.

posted by Stadler at 11:16  

12.9.10

Wie die Meinungen auseinander gehen

Bei Heise-Online lese ich, dass der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Günter Krings, das geforderte Leistungsschutzrecht für Verlage als einen „Garant für Vielfalt und einen Motor für Innovation“ bezeichnet hat. Und an dieser Stellung muss ich wieder einmal erkennen, wie weit die Einschätzungen doch divergieren können. Ich halte dieses Leistungsschutzrecht nämlich für innovationhemmend und sehe darin geradezu einen Anschlag auf die Informationsfreiheit.

Vielleicht muss man die Aussage von Krings einfach als das sehen, was es ist, nämlich einen Kniefall vor den Lobbyisten. Und den gab es in letzter Zeit ja häufiger.

posted by Stadler at 21:28  

11.9.10

Was spricht gegen die Neufassung des JMStV?

Wer sich mit der Kritik an der Neufassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) befassen will, findet die Kritikpunkte gebündelt in der MindMap von Jürgen Ertelt. Meine zahlreichen Blogbeiträge zum Thema JMStV gibt es ebenfalls im Überblick.

posted by Stadler at 12:42  

10.9.10

Werbung mit Garantien

Auf der Herbstakademie der DSRI hat Rechtsanwalt Sascha Vander zu der Frage vorgetragen, ob bei der Werbung mit Garantien bei Fernabsatzgeschäften, die Vorschrift des § 477 BGB beachtet werden muss.

Wenn dem so wäre, würde eine Nichtbeachtung der Vorgaben des § 477 BGB nämlich dazu führen, dass die Werbung bzw. das Verkaufsangebot eine Irreführung nach § 5 UWG oder einen Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG darstellen würde.

Es gibt zu dieser Frage divergierende OLG-Rechtsprechung, weshalb hier ein ganz reelles Risiko besteht, wegen eines Wettbewerbsverstoßes abgemahnt zu werden. Insbesondere das OLG Hamm ist der Meinung, dass die Vorschrift auch in der Werbung zu beachten ist. Man sollte derzeit also entweder auf pauschale Garantiehinweise wie „24 Monate Garantie“ verzichten, oder eine an den Vorgaben von § 477 BGB orientierte Ausgestaltung wählen.

Update: Es gibt noch eine neuere Entscheidung des OLG Hamm vom 13.08.2009 (Az. I-4 U 71/09) die die besagte Rechtsprechung bestätigt (danke an MIR für den Hinweis).

posted by Stadler at 17:28  

10.9.10

BGH: Verbraucherzentrale

Der Versuch der „Verbraucherzentrale Bundesverband“ einem anderen Verband die Verwendung des Zeichens „Verbraucherverband“ zu untersagen, ist beim BGH zunächst gescheitert. Der Bundesgerichtshofs hat den Rechtsstreit zurückverwiesen. Der amtliche Leitsatz des Urteils vom 31.03.10 (Az.: I ZR 36/08) lautet:

Ein Schlechthinverbot, das sich nur gegen einen einzelnen Bestandteil eines aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzten und nur in dieser Gesamtheit im geschäftlichen Verkehr benutzten Vereinsnamens richtet, kommt nicht in Betracht, weil im Regelfall nicht ausgeschlossen werden kann, dass der angegriffene Bestandteil, wenn er mit anderen Bestandteilen kombiniert wird, keine Verwechslungsgefahr mit dem Klagezeichen begründet.

Interessant an der Entscheidung ist vor allen Dingen auch, dass der BGH die Reichweite des Antrags beanstandet hat, weil er nicht eng an der konkreten Verletzungsform orientiert war. Dem Beklagten, der als „Verbraucherzentrale für Kapitalanleger e.V.“ auftritt, kann nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht untersagt werden, das Zeichen „Verbraucherzentrale“ zu benutzen, weil der Beklagte den Begriff in dieser Form, in Alleinstellung, überhaupt nicht benutzt hat. Demzufolge wird der Kläger also beantragen müssen, die Benutzung des Zeichens „Verbraucherzentrale für Kapitalanleger“ zu untersagen.

posted by Stadler at 11:31  
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