Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.7.12

Auskunftspflicht von Bloggern?

Eine neuere Entscheidung des OLG Dresden (Beschluss vom 08.02.2012, Az.: 4 U 1850/11) die zunächst unspektakulär wirkt, wartet zum Ende hin mit der Rechtsansicht auf, dass ein Blogger verpflichtet sein kann, Auskunft über den Verfasser eines Kommentars zu erteilen.

Das OLG Dresden führt hierzu aus:

Spezialgesetzliche Drittauskunftsansprüche aus § 101 II 1 UrhG, § 140b PatG und § 19 MarkenG sind zwar ebenso wenig einschlägig, wie der Auskunftsanspruch des „sonstigen Betroffenen“ in §§ 13, 13a UKlaG. Auch auf § 810 BGB kann ein Auskunftsanspruch nicht gestützt werden, da die Herausgabe von Nutzerdaten nicht mit der Einsicht in eine Urkunde gleichgestellt werden kann.
In Betracht kommt allerdings der allgemeine bürgerlichrechtliche Auskunftsanspruch gemäß §§ 242, 259, 260 BGB, der auch auf Dritte als Nicht-Verletzer anwendbar ist (BGH GRUR 2001, 841; Hartmann, Unterlassungsansprüche im Internet, S. 146). Er besteht grundsätzlich in jedem Rechtsverhältnis, in dem der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechtes im Ungewissen und der Verpflichtete unschwer zur Auskunftserteilung in der Lage ist (so bereits BGHZ 10, 385). Unter diesen Voraussetzungen ist ein Anspruch auf Auskunftserteilung auch dann gegeben, wenn nicht der in Anspruch Genommene, sondern ein Dritter Schuldner des Hauptanspruchs ist, dessen Durchsetzung der Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung ermöglichen soll (BGH GRUR 2001, 841; GRUR 1995, 427; GRUR 1994, 635). Eine für den Anspruch erforderliche rechtliche Sonderverbindung folgt dann aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis. Stellt sich ein Kommentar in einem Blog als rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verletzten dar, unterliegt nämlich auch der Blogbetreiber ebenso wie ein Hostprovider unter bestimmten Voraussetzungen, namentlich bei Verletzung von Prüfpflichten der allgemeinen Störerhaftung (BGH, Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 93/10 – zitiert nach Pressemitteilung; NJW 2011, 753; CR 2010, 458; Senat, Hinweisbeschluss vom 7.10.2011, 4 U 919/11 n.v.). Der Auskunftsanspruch ergibt sich dann als Minus zu den ansonsten bestehenden Ansprüchen auf Unterlassung und Löschung persönlichkeitsverletzender Einträge.

Das OLG Dresden geht also davon aus, dass in den Fällen, in denen gegen den Blogger Ansprüche auf Unterlassung und Löschung bestehen, zugleich auch ein Anspruch auf Auskunft über die Person desjenigen besteht, der einen rechtsverletzenden Kommentar im Blog hinterlassen hat.

Das OLG Dresden schränkt allerdings sogleich ein, dass dieser Auskunftsanspruch nur dann besteht, wenn dem Blogger der Klarname des Kommentators auch tatsächlich bekannt ist.

Leider erörtert das OLG Dresden die Frage nicht, ob sich der Blogger gegenüber diesem Drittauskunftsanspruch auf die Vorschrift des § 10 TMG berufen kann. Jedenfalls ist es aber auch so, dass die Pflicht zur Beseitigung einer Rechtsverletzung und damit die Störerhaftung frühestens in dem Zeitpunkt einsetzen kann, in dem der Blogger Kenntnis von einem Rechtsverstoß erlangt. Der Auskunftsanspruch, den das OLG Dresden für denkbar hält, würde allerdings dazu führen, dass dieser Zeitpunkt vorverlagert wird, weil der Blogbetreiber auf Informationen zurückgreifen müsste, die er bereits zeitlich vor der Rechtsverletzung erlangt hat.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung, z.B. des OLG Frankfurt, wird entgegen der Ansicht des OLG Dresden zudem davon ausgegangen, dass die Störerhaftung kein Grundlage für Auskunftsansprüche bildet, weil sie lediglich der Abwehr von Rechtsverletzungen dient.

posted by Stadler at 17:19  

10.7.12

Wettbewerbswidrigkeit fehlerhafter AGB

Der BGH hat mit Urteil vom 31.05.2012 (Az.: I ZR 45/11) entschieden, dass jedenfalls die Vorschriften der §§ 307, 308 Nr. 1, § 309 Nr. 7a BGB, die Klauselverbote in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) regeln, zugleich sog. Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG darstellen. Das bedeutet, dass die Verwendung von AGB-Klauseln, die gegen diese Vorschriften verstoßen, zusätzlich wettbewerbswidrig sind und nach den Vorgaben des UWG abgemahnt werden können.

Vor diesem Hintergrund ist es es insbesondere dann, wenn man seine AGB ins Netz stellt, besonders wichtig, darauf zu achten, dass keine unzulässigen Klauseln verwendet werden.

Der BGH hat außerdem entschieden, dass selbst eine rechtskräftige Entscheidung über den Unterlassungsanspruch grundsätzlich keine Bindungswirkung für die Frage hat, ob die vorgerichtliche Abmahnung begründet war. Ein Streit über die Ersatttung von Abmahnkosten kann also selbst dann noch geführt werden, wenn bereits rechtskräftig über den Unterlassungsanspruch entschieden worden ist.

posted by Stadler at 10:59  

6.7.12

Verfassungsschutz und Rechtsbruch

In der aktuellen Diskussion werden – endlich so möchte man sagen – auch die Stimmen lauter, die eine grundlegende Reform der Verfasungsschutzbehörden fordern. In der Debatte wird dabei allerdings zu oft der Eindruck erweckt, Organisations- und Abstimmungsmängel würden den Kern des Problems darstellen. Zentral ist aber vielmehr der Umstand, dass die Verfasungsschutzbehörden faktisch in einem rechtsfreien Raum agieren, weil die parlamentarische Kontrolle gar nicht und die gerichtliche Kontrolle nur mangelhaft funktioniert.

Wer den Verfassungsschutz also wirklich sinnvoll reformieren will, der müsste die Reichweite der Kompetenzen auf den Prüfstand stellen und ein System einer effektiven Kontrolle schaffen. Das wäre allerdings mit dem Wesen eines Geheimdienstes schwerlich vereinbar. Hans Leyendecker schreibt in der SZ

Der Verfassungsschutz wird irgendwie bleiben (unbeliebt), und das Geheimnis, das die Vertreter dieses Gewerbes so lieben, bleibt auch. Ein vollständig transparenter Geheimdienst wäre ein Widerspruch in sich

und liefert damit eigentlich schon die Erklärung dafür, warum Inlandsgeheimdienste in einem freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat im Grunde ein Paradoxon darstellen.

Geheimdienste unterliegen keiner ausreichenden gerichtlichen und parlamentarischen Kontrolle, was die Geschichte der deutschen Verfassungsschutzbehörden überdeutlich zeigt. Das ist einerseits also gewollt und quasi systemimmanent, andererseits aber in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht zu tolerieren.

Vor diesem Hintergrund überrascht mich auch die Naivität, die die aktuelle politische und mediale Debatte prägt. Dass Inlandsgeheimdienste sich über das Recht hinwegsetzen, entspricht dem Wesen der Geheimdienste und stellt eine zwangsläufige Folge des Konzepts der Verfassungsschutzbehörden dar. Wenn wir also eine stringente rechtsstaatliche Kontrolle der Verfassungsschutzbehörden wollen, dann bedeutet dies zwangsläufig das Ende dieser Dienste in ihrer jetzigen Form. Hält man demgegenüber Inlandsgeheimdienste für erforderlich, dann muss man auch den Rechtsbruch in Kauf nehmen. Gerade das kann ein demokratischer Rechtsstaat aber an sich nicht tun. Die aktuelle Diskussion vermeidet diese zentrale Fragestellung bislang leider.

 

posted by Stadler at 23:11  

6.7.12

EuGH entscheidet über Netzsperren

Der österreichische OGH hat dem Europäischen Gerichtshof mit Beschluss vom 11.05.2012 (Az.: 4Ob6/12d) eine Reihe von interessanten Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, u.a. zur Zulässigkeit der Anordnung von Netzsperren gegen Zugangsprovider wegen Urheberrechtsverletzungen sowie die Frage, ob privilegierte Privatkopien nur dann zulässig sein können, wenn die Kopiervorlage rechtmäßig ist.

Hintergrund der Vorlage an den EuGH sind Entscheidungen österreichischer Gerichte, durch denen Access-Providern verboten wurde, ihren Kunden Zugang zur – mittlerweile ohnehin geschlossenen – Plattform kino.to zu vermitteln.

Die Vorlagefragen betreffen die Auslegung der sog. InfoSoc-Richtlinie und lauten:

1. Ist Art 8 Abs 3 RL 2001/29/EG (Info-RL) dahin auszulegen, dass eine Person, die ohne Zustimmung des Rechteinhabers Schutzgegenstände im Internet zugänglich macht (Art 3 Abs 2 Info-RL), die Dienste der Access-Provider jener Personen nutzt, die auf diese Schutzgegenstände zugreifen?

2. Wenn Frage 1 verneint wird:

Sind eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch (Art 5 Abs 2 lit b Info-RL) und eine flüchtige und begleitende Vervielfältigung (Art 5 Abs 1 Info-RL) nur dann zulässig, wenn die Vorlage der Vervielfältigung rechtmäßig vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht wurde?

3. Wenn Frage 1 oder Frage 2 bejaht wird und daher gegen den Access-Provider des Nutzers gerichtliche Anordnungen nach Art 8 Abs 3 Info-RL zu erlassen sind:

Ist es mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der danach erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten, vereinbar, einem Access-Provider ganz allgemein (also ohne Anordnung konkreter Maßnahmen) zu verbieten, seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten Website zu ermöglichen, solange dort ausschließlich oder doch weit überwiegend Inhalte ohne Zustimmung der Rechteinhaber zugänglich gemacht werden, wenn der Access-Provider Beugestrafen wegen Verletzung dieses Verbots durch den Nachweis abwenden kann, dass er ohnehin alle zumutbaren Maßnahmen gesetzt hat?

4. Wenn Frage 3 verneint wird:

Ist es mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der danach erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten, vereinbar, einem Access-Provider bestimmte Maßnahmen aufzutragen, um seinen Kunden den Zugang zu einer Website mit einem rechtswidrig zugänglich gemachten Inhalt zu erschweren, wenn diese Maßnahmen einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordern, aber auch ohne besondere technische Kenntnisse leicht umgangen werden können?

Möglicherweise wird sich der EuGH im Rahmen seiner Entscheidung auch mit dem Verhältnis von InfoSoc-Richtlinie und E-Commerce-Richtlinie auseinandersetzen, denn die E-Commerce-Richtlinie enthält speziell für Zugangsprovider weitgehende Haftungserleichterungen. Der EuGH hat hierzu bereits im letzten Jahr entschieden, dass eine richterliche Anordnung gegenüber einem Anbieter von Internetzugangsdiensten zur Einrichtung eines Systems der Filterung der von ihm durchgeleiteten elektronischen Kommunikationen, das unterschiedslos auf alle seine Kunden anwendbar ist, gegen das Unionsrecht verstößt.

Das Verfahren ist beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-314/12 anhängig.

(via e-comm)

posted by Stadler at 22:47  

5.7.12

Bundesverfassungsgericht erklärt sich selbst für verfassungsgemäß

Die Wahl und Ernennung der höchsten deutschen Richter ist seit Jahrzehnten Gegenstand eines Streits in der rechtswissenschaftlichen Literatur. Nach Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG werden die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Der unbefangene Betrachter würde daraus vermutlich ableiten, dass der gesamte Bundestag, also das Plenum, sowie der gesamte Bundesrat über die Wahl der Verfassungsrichter entscheiden muss. Denn schließlich handelt es sich bei diesem Vorgang nicht gerade um eine Nebensächlichkeit. In der Praxis entscheidet der Bundestag aber keineswegs im Plenum, sondern durch einen mit 12 Mitgliedern besetzen Wahlausschuss, der noch dazu geheim berät und abstimmt.

Eine ganze Reihe renommierter Verfassungsrechtler halten dieses Prozedere für verfassungswidrig. Interessanterweise hat auch der aktuelle Gerichtspräsident und Vorsitzende des Zweiten Senats Andreas Voßkuhle – vor seiner Berufung nach Karlsruhe – die Rechtsansicht vertreten, dass die Wahl der Verfassungsrichter durch das Plenum des Bundestags erfolgen müsse, worauf Wolfgang Janisch in einem pointierten Kommentar in der SZ vom 05.07.12 (S. 1) hinweist.

Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat jetzt – unter Vorsitz von Voßkuhle – entschieden, dass die Wahl der Verfassungsrichter durch den Wahlausschuss des Bundestages nicht zu beanstanden ist. In einem gestern veröffentlichen Beschluss vom 19.06.2012 (Az.: 2 BvC 2/10) heißt es zur Begründung:

Die Übertragung der Wahl der Bundesverfassungsrichter auf einen Wahlausschuss, dessen Mitglieder der Verschwiegenheitspflicht unterliegen (§ 6 Abs. 4 BVerfGG), findet ihre Rechtfertigung in dem erkennbaren gesetzgeberischen Ziel, das Ansehen des Gerichts und das Vertrauen in seine Unabhängigkeit zu festigen und damit seine Funktionsfähigkeit zu sichern. Die Einschätzung, dass das Bundesverfassungsgericht Funktionseinbußen erleiden könnte, wenn die Wahl seiner Mitglieder im Bundestag nicht in einer Vertraulichkeit wahrenden Weise stattfände, mag nicht in dem Sinne geboten sein, dass sie den Gesetzgeber hinderte, andere Modalitäten der Richterwahl zu bestimmen. Das vom Gesetzgeber verfolgte Anliegen ist aber von hinreichendem verfassungsrechtlichen Gewicht, um den Verzicht auf eine Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts im Plenum zugunsten eines Wahlmännergremiums, das mit Zwei-Drittel-Mehrheit entscheidet (vgl. § 6 Abs. 5 BVerfGG) und dessen Erörterungen der Vertraulichkeit unterliegen, zu legitimieren.

Oder mit anderen Worten: Für das Ansehen des Gerichts ist es von besonderer Bedeutung, wenn die Öffentlichkeit nicht erfährt, welche politische Klüngelei im Einzelfall hinter einer Richterernennung steckt. Die Aussage Bismarcks

„Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie“

ist also um die Wahl der Richter des Bundesverfassungsrichter zu ergänzen. Was die Haltung des Gerichtspräsidenten Voßkuhle angeht, wissen wir natürlich nicht, ob er von seinen Kollegen überstimmt wurde, oder ob der Verfassungsrichter schlicht eine andere Rechtsansicht hat als der Rechtswissenschaftler Voßkuhle. Hätten die Richter des Zweiten Senats entschieden, dass die Verfassungsrichter vom Plenum des Deutschen Bundestags gewählt werden müssen, dann hätten sie damit zugleich ihre eigene Ernennung als verfassungswidrig qualifiziert. Und genau aus diesem Grunde ist die Entscheidung im Ergebnis nicht überraschend.

 

posted by Stadler at 14:04  

4.7.12

ACTA ist weiterhin äußerst lebendig

Die Freude im Netz darüber, dass das Europäische Parlament heute ein für Europa eher zweitrangiges internationales Abkommen namens ACTA gestoppt hat, ist groß.

Die Entscheidung des Parlaments ist aber im Grunde nebensächlich, weil vieles was ACTA fordert in der EU längst durch die sog. Enforcement-Richtlinie (Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums) aus dem Jahre 2004 umgesetzt worden ist, gegen die sich meines Wissens seinerzeit keinerlei Widerspruch regte. Und das wissen natürlich auch die Abgeordneten des EU-Parlaments.

Die Evaluierung der Enforcement-Richtlinie ist übrigens längst im Gange und die Einbindung der Provider ist ebenfalls wieder Teil der Agenda. Hierüber hatte ich bereits vor ein paar Monaten berichtet.

Ihr könnt also die Korken in den Sektflaschen lassen.

 

posted by Stadler at 17:55  

3.7.12

Handel mit „gebrauchter Software“: Rechtsstreit bis zur Erschöpfung

Der Europäische Gerichtshof hat heute (Urteil vom 03.07.2012, Az.: C-128/11) entschieden, dass der Weiterverkauf von Software auch dann zulässig ist und nicht die Urheberrechte des Softwareherstellers verletzt, wenn man das Programm nicht auf einem Datenträger sondern unkörperlich per Download erworben hat. Lediglich eine Aufspaltung von Lizenzen ist laut EuGH nicht zulässig, eine Mehrplatzlizenz muss demnach insgesamt veräußert werden, ein teilweiser Weiterverkauf ist nicht möglich.

Der EuGH führt zur Begründung u.a. aus, dass das Herunterladen der sich auf der Internetseite des Rechtsinhabers befindenden Programmkopie auf den Server des Kunden und der Abschluss eines Lizenzvertrags über die Nutzung dieser Kopie ein untrennbares Ganzes darstellen, das in seiner Gesamtheit als Verkauf einzuordnen ist. Im Hinblick auf diesen untrennbaren Zusammenhang zwischen der Kopie auf der Internetseite des Urheberrechtsinhabers in der jeweils verbesserten und aktualisierten Version zum einen und der entsprechenden Nutzungslizenz zum anderen umfasst der Weiterverkauf der Nutzungslizenz auch den Weiterverkauf „dieser Kopie“.

Der EuGH betont zudem, dass jede andere Betrachtungsweise dem Urheberrechtsinhaber ermöglichen würde, die tatsächliche Nutzung einer gebrauchten Kopie, an der sein Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 erloschen ist, zu verhindern, indem er sich auf sein ausschließliches Vervielfältigungsrecht beruft, wodurch man dem Erschöpfungsgrundsatz seine praktische Wirksamkeit nehmen würde.

Der Entscheidung des EuGH ist ein viele Jahre dauernder Streit vorausgegangen, der zahlreiche deutsche Gerichte beschäftigt hatte, die weitgehend anders entschieden hatten als jetzt der Europäische Gerichtshof.

Besonders erwähnenswert ist der konkrete Verfahrensgang, weil er zeigt, wie gegensätzlich gerichtliche Entscheidungen sein können. Das OLG München hatte in derselben Sache mit Urteil vom 03.07.2008 (Az.: 6 U 2759/07) noch ausgeführt:

Für eine Vorlage der Sache an den EuGH bzw. für die Zulassung der Revision gibt es keine Gründe. Die Rechtslage ist klar und eindeutig und bedarf weder einer Bestätigung durch den EuGH noch durch den BGH.

Tja, so kann man sich irren, möchte man hierzu ausrufen. Der BGH hat die Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde von Used-Soft hin zugelassen und die Streitfrage an den EuGH vorgelegt. Und der ist nun – für viele sicherlich überraschend – der bisherigen Linie der deutschen Rechtsprechung entgegengetreten und hat sich dabei weniger am Wortlaut der Richtlinie sondern stärker am Sinn und Zweck des Erschöpfungsgrundsatzes orientiert.

posted by Stadler at 20:27  

3.7.12

Der Staat als Datenhändler

Der Bundestag hat letzten Freitag dem Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) zugestimmt. Das Gesetz sieht u.a. vor, dass Einwohnermeldeämter Daten auch zu Werbezwecken weitergeben dürfen, es sei denn, der Betroffene Bürger hat dem zuvor ausdrücklich widersprochen. Wenn diese Daten lediglich zur Bestätigung oder Überprüfung bereits vorhandener Daten übermittelt werden, verhindert aber selbst ein solcher Widerspruch die Datenweitergabe zu Werbezwecken nicht (§ 44 Abs. 4 MeldFortG).

Was bislang bereits in einigen Landesmeldegesetzten vorgesehen war, wird nunmehr also bundeseinheitlich zugunsten der Werbewirtschaft und zu Lasten der Bürger geregelt. Hintergrund ist der, dass das Meldewesen durch die Föderalismusreform der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes zugeschlagen wurde und der Bund von dieser Kompetenz nunmehr auch Gebrauch gemacht hat.

Die Gemeinden erheben für diese Auskünfte übrigens Gebühren und erzielen dadurch Einnahmen. Der Staat betätigt sich hier also tatsächlich als Datenhändler. Deutschland erweist sich damit einmal mehr als das Schilda des Datenschutzes.

posted by Stadler at 17:48  

3.7.12

Gesponsertes Blog

In der Wochenendausgabe der SZ vom 30.06./01.07.2012 findet man den lesenswerten Artikel „Die schmutzigen Methoden der sanften Medizin“ des Autors Jens Lubbadeh, der sich mit den angeblich unseriösen Methoden der Homöopathie-Lobby auseinandersetzt. Einer der Hauptkritikpunkte lautet, dass die großen Hersteller homöopathischer Produkte das Blog „CAM Media.Watch“ des Journalisten Claus Fritzsche mit 43.000 EUR jährlich sponsern. CAM Media.Watch ist nach eigener Darstellung ein Blog „für Journalistinnen und Journalisten, die einen Blick hinter die Kulissen der wissenschaftlichen Erforschung von Naturheilverfahren, Komplementärmedizin sowie unkonventioneller Verfahren werfen wollen“ und nach der Darstellung des SZ-Autors ein Lobbyinstrument, das dazu dient, Kritiker der Homöopathie anzschwärzen. Diese Kritik hat der Journalist Fritzsche zum Anlass genommen, eine Replik zu verfassen, die sich allerdings stark in Details verheddert.

Die zentrale Frage lautet: Darf man einem Blog den Anstrich einer neutralen Informationsquelle geben, solange in der Rubrik „Über dieses Blog“ – allerdings sehr weit unten und nur nach mehrfachem Scrollen erkennbar – auf die Finanzierung des Blogs durch Unternehmen einer bestimmten Branche hingewiesen wird?

Explizite rechtliche Regelungen für Sponsoring von Blogs und Websites existieren nicht. Die Regelungen über das Sponsoring von Rundfunksendungen können jedenfalls nicht analog herangezogen werden, nachdem der Gesetzgeber  diese Regelungen auf Telemedien nur dann anwenden will, wenn es sich um Fernsehtext (Videotext) oder fernsehähnliche Telemedien handelt.

Allerdings verpflichtet der Gesetzgeber den Betreiber journalistisch-redaktionell gestalteter Blogs dazu, die anerkannten journalistischen Grundsätzen zu beachten (§ 54 Abs. 2 RStV). Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist aber nicht ausreichend konkret, um hieran Sanktionen zu knüpfen. Gemeint sind damit wohl primär die Sorgfaltspflichten der Presse nach den Landespressegesetzen sowie ergänzend evtl. der Pressekodex, der allerdings keine Rechtsnorm darstellt und damit rechtlich nicht bindend ist.

Bleibt also letztlich nur das in § 58 ABs. 1 RStV normierte Gebot, Werbung klar zu kennzeichnen und vom übrigen Inhalt des Angebots eindeutig zu trennen. Zu diesem Trennungsgebot bei Telemedien existiert praktisch aber keine Rechtsprechung und wenn dann nur zu dem Aspekt der bezahlten Links.

Wenn eine bestimmte Branche ein Blog mit 43.000 EUR finanziert, dann werden damit natürlich handfeste wirtschaftliche Singularinteressen verfolgt. Ein solches Blog ist ein Lobbyinstrument und keine seriöse und neutrale journalistische Quelle.

In rechtlicher Hinsicht haben wir es hier andererseits aber nicht mit der klassischen Schleichwerbung zu tun, sondern mit einer Form des Lobbyismus, der sich als Journalismus tarnt. Über das rechtliche Trennungsgebot ließe sich dieses Phänomen wohl nur dann erfassen, wenn man das Blog wegen des Sponsorings insgesamt als Werbung qualifizieren würde, was man allerdings für juristisch eher gewagt halten muss.

Es liegt also eine Gesetzeslücke vor, um die sich der Gesetzgeber kümmern sollte. Die Frage nach der Zuverlässigkeit und Objektivität von Informationen im Netz wird uns künftig jedenfalls noch oft beschäftigen.

 

posted by Stadler at 12:19  

2.7.12

Werden die neuen GEMA-Tarife wirklich ein Clubsterben auslösen?

Die GEMA hat zum 01.01.2013 eine Tarifreform angekündigt, die die Betreiber von Clubs und Diskotheken auf die Barrikaden treibt. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) spricht davon, dass Clubs und Diskotheken zwischen 400 bis 600 Prozent mehr an die GEMA zahlen müssten, bei Musikkneipen sei gar mit Steigerungen von über 2.000 Prozent zu rechen.

Die GEMA wiegelt ab und behauptet, die neuen Tarifstrukturen für den Veranstaltungsbereich – der auch die Wiedergabe von Tonträgern umfasst – würden bei nahezu allen Veranstaltungen mit geringen Raumgrößen und moderaten Eintrittsentgelten zu deutlichen Vergünstigungen führen. Lediglich für größere Veranstaltungen würde die Tarifanpassung eine höhere Vergütung mit sich bringen. Die GEMA versucht dies mit einer Vergleichsübersicht von alten und neuen Tarifen zu untermauern.

Wer sich mit den Details dieser Tarifreform beschäftigt, erkennt sehr schnell, dass beide Seiten mit einer verfälschenden Darstellung arbeiten.

Die Vergleichsübersicht der GEMA ist bereits deshalb mit Vorsicht zu genießen, weil in ihr zwei zentrale Aspekte der Tarifreform überhaupt nicht abgebildet werden. Nämlich, dass bei der Bemessungsgrundlage Raumgröße eine Vielzahl von Zwischengrößen wegfallen und nur noch in Schritten von 100 qm abgestuft wird. Nicht zum Ausdruck kommt außerdem, dass bei einer Musikspieldauer von mehr als 5 Stunden am Tag ein Aufschlag von 50 % auf den Grundtarif anfällt. Würde man dies in der Übersicht entsprechend abbilden, dann sähe das Verhältnis von Verbilligung und Verteuerung anders aus.

Aber auch ohne diese beiden Aspekte zeigt bereits ein erster Blick auf die Vergleichstabelle der GEMA, dass diejenigen Wirte/Veranstalter, die keinen Eintritt verlangen, künftig fast durchwegs (deutlich) mehr an die GEMA zahlen müssen. Gleiches gilt für große Veranstaltungen sowie solche mit einem höheren Eintrittspreis. Zu einer Verbilligung oder zumindest nicht zu einer drastischen Verteuerung wird es bei den Betreibern von kleineren bis mittleren Musiklokalen kommen, sofern sie einen moderaten Eintritt von bis zu 5 EUR verlangen.

Stark negativ betroffen sind aber eintrittsfreie kleinere Musikkneipen bzw. generell Lokale, in denen im Hintergrund Musik läuft. Der DEHOGA hat hierzu ein – rechnerisch korrektes – Beispiel (Beispiel 5) gebildet, das zwar auch nur einen Einzelfall erfasst, der allerdings das für kleine Musikkneipen entstehende Problem gut verdeutlicht. Wenn ein Lokal mit einer Raumgröße von 130 qm von 20 Uhr bis 1:30 Uhr Musik aus der Konserve spielt, musste der Wirt bislang EUR 48,15 am Tag an die GEMA zahlen. Künftig würden es EUR 108,28 sein. Wenn man berücksichtigt, dass viele kleinen Lokale ohnehin um das Überleben kämpfen, dann entspricht eine Zusatzbelastung von EUR 60,- am Tag in vielen Fällen ungefähr dem Betrag, von dem der Wirt lebt.

Veranstaltungen mit höheren Eintrittspreisen – im deutlich zweistelligen Bereich – werden in der Tat mit einigen hundert Prozent Mehrkosten rechnen dürfen. Das betrifft beispielsweise Silvester- oder Faschingsbälle. Vermutlich werden die Veranstalter mit einer Senkung der Eintrittspreise und einer Erhöhung der Getränkepreise reagieren, weil sich dadurch wiederum die GEMA-Gebühren reduzieren ließen. Auch bei Clubs und Diskotheken mit bislang höheren Eintrittsentgelten dürfte eine Reduzierung des Eintrittspreises auf einen Betrag von 3 EUR – bei gleichzeitiger Erhöhung der Verzehrpreise – die beste Möglichkeit darstellen, GEMA-Gebühren zu sparen.

Auch wenn die Befürchtungen zum Teil übertrieben erscheinen und der DEHOGA mit Prozentsätzen um sich wirft, die vielfach nicht realistisch sind, deutet das Tarifkonzept der GEMA klar darauf hin, dass eine Erzielung höherer Einnahmen beabsichtigt ist. Die Aussage der GEMA ist also nur dann richtig, wenn man sie richtig liest. Die Tarifreform wird nämlich keineswegs bei nahezu allen Veranstaltungen zu Vergünstigungen führen, sondern eben nur bei nahezu allen Veranstaltungen mit geringer Raumgröße und gleichzeitig vorhandenem, aber moderatem Eintrittsentgelt.

Ob sich die Hoffnung der GEMA auf höhere Einnahmen erfüllen wird, hängt einerseits davon ab, ob es tatsachlich zu dem befürchteten Kneipen- und Clubsterben kommen wird und andererseits davon, inwieweit es den Wirten gelingt, diese Tarifreform durch Änderung der eigenen Preispolitik zu umgehen. Zuvor muss aber ohnehin noch die Schiedsstelle beim DPMA über die Tarifreform befinden.

posted by Stadler at 12:10  
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