Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.6.12

Leutheusser-Schnarrenberger will ACTA ohne urheberrechtlichen Teil in Kraft setzen

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will das umstrittene Handelsabkommen ACTA offenbar in einer reduzierten Form verabschieden und in Kraft setzen, wie der SPIEGEL meldet. Die Ministerin schlägt vor, den urheberrechtlichen Teil des Abkommens auszuklammern. Wie das ohne Neuverhandlung des Abkommens möglich sein soll, erschließt sich mir bislang allerdings nicht, denn die Mitgliedsstaaten können ein solches völkerrechtliches Abkommen ja grundsätzlich nur insgesamt oder gar nicht in Kraft setzen.

Abgesehen davon ist ACTA nicht nur wegen seiner urheberrechtlichen Regelungen kritikwürdig, sondern weil es einerseits – wie viele andere völkerrechtlichen Verträge auch – in einem intransparenten und demokratisch fragwürdigen Verfahren zustande gekommen ist und andererseits eine generelle Weichenstellung auf dem Gebiet des geistigen Eigentums verfestigt, die man zu recht als verfehlt kritisieren kann.

In der Vorabmeldung des SPIEGEL wird Leutheusser-Schnarrenberger außerdem mit den Worten zitiert:

„Wir wollen zum Beispiel die Möglichkeiten für Rechteinhaber erleichtern, an die Mail-Adressen von illegalen Downloadern zu kommen, um ihre Ansprüche geltend zu machen“

Und das klingt bedenklich, denn diese Aussage deutet eine nochmalige Ausweitung des urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs gegen Zugangsprovider nach § 101 UrhG an.  Oder will die Justizministerin damit gar auf ein Two- bzw. Three-Strikes-Warnmodell hinaus? Ein solches Warnhinweismodell wird im von Leutheusser-Schnarrenbergers Parteikollegen Rösler geleiteten Bundeswirtschaftsministerium schließlich bereits vorbereitet.

posted by Stadler at 14:42  

9 Comments

  1. Mail-Adressen? Woher soll irgend jemand meine EMAIL-Adresse kennen? Mein Provider kennt sie jedenfalls nicht. Wohin will der seine Strikes schicken?

    Und im selben Atemzug meint Leutheuser-Schnarrenberger, wir müssten uns vor IPv6 in Acht nehmen? Seltsames Internetverständnis und eine klare Schere im Kopf. Oder soll uns das (IPv6, Internet) nun Angst machen? Angst, weil die privacy-extension wenigstens den „Level“ von IPv4 herstellen kann, weil NAT sowieso keine Sicherheitstechnik ist und die Behörden begreifen müssen, das eine IP genau nichts sagt.

    Stimmt nicht? Es wäre wirklich schwer, den Logs von Internet-Law hier eine falsche IP für meinen Post unterzujubeln.

    IP = Benutzer? E-Mail-Adresse = Benutzer? Heuristiken a la Google und Facebook = Benutzer?
    Stimmt alles nicht.

    Schreckensszenario good by VDS? Deshalb muss die Politik Angst erzeugen?

    Ein Datenavatar ist kein Mensch. Das einzige, wovor wir uns in Acht nehmen müssen sind (leider weite) Teile der Politik und der Werbeindustrie, den sich wie Stalker verhaltenden Datensammlern.

    Aber das werden die nie begreifen.

    Comment by Joachim — 10.06, 2012 @ 16:14

  2. Siehe auch hier, Punkt 7: http://ak-zensur.de/2012/03/wunschliste.html

    Comment by Alvar Freude — 10.06, 2012 @ 16:25

  3. lobbyverseuchte politik.

    den vpn anbietern wirds freuen, wenn sie weiteren kundenzulauf haben

    Comment by Hubertus — 10.06, 2012 @ 17:17

  4. „kritikwürdig, sondern weil es einerseits – wie viele andere völkerrechtlichen Verträge auch – in einem intransparenten und demokratisch fragwürdigen Verfahren“

    Die Kompetenzverteilung bei zwischenstaatlichen Verträgen war immer die gleiche. Für das Aushandeln und den Abschluss des Vertrages ist die Regierung und nicht das Parlament zuständig. In diesem Zusammenhang von einem demokraitsch fragwürdigen Verfahren zu sprechen zeigt von wenig Sachverstand.

    Was zu kritisieren ist, ist das derartige Verträge häufig (meistens mangels Sachverstandes und Desinteresse der Parlamentarier) ohne ausreichende Aussprache vom Bundestag durchgewunken werden.

    Comment by Anonymous — 10.06, 2012 @ 17:36

  5. @1, Joachim: Mail-Adresse != eMail-Adresse, Du empörst Dich zu Unrecht, und da Dein gesamter rant auf eben diesem Falschverständnis fusst, nun ja…

    Mail-Adresse = Anschrift = snail mail, it’s that simple.

    Comment by Josh@_[°|°]_ — 11.06, 2012 @ 00:34

  6. Vor kurzem hat ein Richter beschlossen, dass eine Abmahnung als zugestellt gilt, wenn sie per E-Mail versandt worden ist. Und das selbst dann wenn sie im Spam-Filter hängen geblieben ist. Ich denke dass die Sache mit der Mail-Adresse in diese Richtung geht.

    Was die Adresse selbst angeht so ist es bei meinem Provider so, dass er bei Vertragsabschluß mir (ohne Wahlmöglichkeit) eine Adresse gegeben hat über die ich meine aktuelle Rechnung einsehen kann. Die Tatsache, dass man so eine Adresse nicht benutzt heißt nicht dass sie nicht existiert.

    Comment by Michael Schneider — 11.06, 2012 @ 08:36

  7. @Joachim

    Dir ist schon bewusst, dass IPV& die Möglichkeit bietet, jedem seine „eigene“ immer geltende IP-Adresse zuzuordnen. Gibst du dann irgendwo deine Adresse an, anderswo dein Alter, wieder woanders dein Familienstand, lassen sich die Daten einfach anhand IPV6 zusammenführen. Das jetzige Verfahren der jeweiligen Neuzuordnung bei der Einwahl dient doch nur dazu, die Anzahl der benötigten Adressen klein zu halten.

    Hat mal jemand zusammengeführt, welche Rechtsgüter m.E. für die Urheber geopfert wurden? Dazu gehören Nachweis der Täterschaft (Anschluss reicht), Beweiserhebung (irgendjemand hat irgendwoher IP-Adressen).

    Es scheint, dass „Urheber“ ein auslaufendes Modell sind. Vielleicht überlebt die Welt mit Opensource Kinderliedern, Opensource Büchern und Opensource Nachrichten besser.

    Bei Software scheint das zu funktionieren, dass es Leute gibt, die als Hobby diese entwerfen und zur Verfügung stellen.

    Comment by Christian — 11.06, 2012 @ 09:26

  8. „…das umstrittene Handelsabkommen ACTA offenbar in einer reduzierten Form verabschieden und in Kraft setzen…“

    Politik der kleinen Schritte: erst mal eine Na-ja-geht-noch-soeben-Variante durchhauen und dann still und leise solange nach-„bessern“, bis diese Version dann die Urfassung noch locker in den Schatten stellt.

    Hauptsache, die Faschisten bekommen ihre Deep Packet Inspection, damit sie auch noch das allerletzte Bit ausschnüffeln können und missliebige Stimmen direkt aussortieren können.

    Man kann nur noch mit dem Kopf schütteln, was sich die Politpest rausnimmt.

    Comment by Zongk 'Nga — 11.06, 2012 @ 09:45

  9. @5Josh@_[°|°]_
    Wenn die Postanschrift gemeint ist, dann sollte Leutheusser-Schnarrenberger das auch so sagen.
    Ich bin hier und auf SPON nicht im US-Mode. Ich zweifel Deine Aussage an. Btw. ist die Rausgabe der postalischen Adresse ein weit größerer Eingriff in die Privatspäre, als eine E-Mail Adresse, die ich sowieso nicht nutzen will oder kann.

    @7Christian
    IPv6 kann dankenswerterweise eine feste IP bedeuten. So ist das Internet gedacht. Es ist eben kein Radio! Obwohl NAT kein Sicherheitsfeature ist dürfte es trotzdem so kommen, dass jeder sich einen Teil der IP aussuchen kann. Damit ist alles wie bisher. Sicher ist damit aber niemand. Die Diskussion um IPv6 geht so am Thema vorbei. Du wirst vera****t.

    Aber: Wie kommt man nur darauf, eine IP in einem Log (den jeder fälschen kann), sei ein Beweis für irgend etwas? Dieser dumme Gedanke hindert mich daran, mein WLAN allen zur Verfügung zu stellen und einen Tor-Node zu betreiben. Aktuell gibt es jedenfalls in meinem privaten Netz ca. ein Dutzend verschiedene Nutzer.

    Der Gedanke, eine IP entspräche einem Menschen, sei irgend ein Beleg für eine Tat, der ist vollkommen absurd. Um es klar zu sagen: Die Ideen der Leutheuser-Schnarrenberger schaden Urhebern, dem Internet und den Nutzern.

    Comment by Joachim — 11.06, 2012 @ 12:12

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