Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.7.10

Das ganze Internet ist Rundfunk

Das zumindest behauptet ein ziemlich polemischer Kommentar in der FAZ von Michael Hanfeld. Der Autor, ein presigekrönter Journalist und offenbar auch Jurist, regt sich darüber auf, dass der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier Internetinhalte als Rundfunk betrachtet.

Hier hat aber offenbar nur jemand den Unterschied zwischen verfassungsrechtlichem und einfachgesetzlichem Rundfunkbegriff nicht verstanden. Es entspricht in der Tat der ganz überwiegenden Ansicht im juristischen Schrifttum, dass sich publizistisch relevante Inhalte im Netz auf die Rundfunkfreiheit des Art. 5 GG berufen können und mithin Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne darstellen. Einfachgesetzlich sind sie allerdings Telemedien und kein Rundfunk.

Nehmen wir als Beispiel dieses Blog. Es unterliegt dem Schutz der Rundfunkfreiheit, aber es handelt sich um einen Telemediendienst und nicht um Rundfunk im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags. Hieraus folgt für die Presse erst mal gar nichts, auch wenn man bei „ard.de“ daraus natürlich eine schöne Schlagzeile machen konnte.

Wenn man das nicht weiß und den Meinungsstand der juristischen Diskussion nicht kennt, sollte man als Journalist eben recherchieren. FAZ-Autor Michael Hanfeld liefert damit auch ein Lehrstück zum Thema Qualitätsjournalismus. Diese Art der „Presse“ ist nun wirklich entbehrlich.

posted by Stadler at 14:00  

21.7.10

Angela Merkel und ihre Probleme mit dem Internet

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich darüber beklagt, dass die Vielzahl der Medien ein immer schnelleres Reagieren der Politik verlangt und es immer schwieriger werde, ein Gesamtmeinungsbild zu erkennen.

Ach, was waren das noch für Zeiten, als ein Bundeskanzler fast nach Belieben die öffentliche Meinung steuern und manipulieren konnte und kein Bürger dabei störte.

Der politische Kontrollverlust den die Kanzlerin beklagt, ist ein Sieg der Meinungs- und Informationsfreiheit auch wenn ich nicht glaube, dass sie damit gleichzeitig den wahren Grund für Netzsperren offenbart hat.

posted by Stadler at 13:13  

21.7.10

Darf der Verfassungsschutz die Linkspartei beobachten?

Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt heute über die Frage, ob der Verfassungsschutz den Politiker der Linken Bodo Ramelow – der mehrere Jahre lang auch Abgeordneter des Bundestags war – beobachten darf. Ramelow hatte vor den Instanzgerichten Recht bekommen, wobei das OVG Münster seine Begründung auf den Einzelfall beschränkt hat. Ramelow hofft vor dem Bundesverwaltungsgericht auf eine generelle Aussage des Gerichts zur Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz.

Man sollte vielleicht auch ganz grundsätzlich die Frage stellen, ob dieses Land Behörden benötigt, die sich zwar Verfassungsschutz nennen, aber häufiger durch den Bruch als durch den Schutz der Verfassung auffallen. Ich stimme Oskar Lafontaine nur sehr ungern zu, aber seine These vom Verfassungsschutz als politische Geheimpolizei ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Update: Das BVerwG hat das Urteil des OVG aufgehoben und die Klage von Bodo Ramelow abgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts ist die offene Beobachtung von Ramelow dann nicht unverhältnismäßig, wenn es, was das OVG angenommen hatte, Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Partei DIE LINKE gibt. Man darf annehmen, dass Ramelow hiergegen Verfassungsbeschwerde erheben wird, was im Sinne einer endgültigen Klärung in jedem Fall wünschenswert ist. Vielleicht hat das BVerwG ja eine ganz ähnliche Überlegung angestellt. ;-)

posted by Stadler at 12:46  

20.7.10

Die Ortungsfunktion von Apple

Dass die Datenschutzbestimmungen von Apple nicht mit deutschem und europäischem Datenschutzrecht vereinbar sind, habe ich vor einigen Wochen dargelegt.

Dass aber auch die Nutzer von MacOS regelmäßig ihre Standortdaten an Apple senden, ist ein zusätzliches Gustostück.  Während sich der gesetzgeberische Aktionismus auf Google Street View konzentriert, wird Apple offenbar noch wenig behelligt. Seine eigenen Kunden unbewusst Daten übermitteln zu lassen, ist allerdings ein Vorgang, der nicht weniger kritisch ist.

posted by Stadler at 18:52  

19.7.10

Schufa verstößt gegen Bundesdatenschutzgesetz

Der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein,Thilo Weichert, wirft der Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz vor. Die Schufa hat auf Weicherts Aufforderung, ihm das Bonitäts-Scoring der Schufa detailiert zu erläutern, keine Stellungnahme abgegeben.

Hintergrund ist der, dass die neu eingeführte Vorschrift des § 28b BDSG genaue gesetzliche Anforderungen an die Zulässigkeit eines Scoring-Verfahrens stellt. Ergänzend sieht § 34 Abs. 2 BDSG vor, dass ein Betroffener – also jeder zu dem die Schufa Daten speichert – Auskunft verlangen kann über:

1. die innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Zugang des Auskunftsverlangens erhobenen oder erstmalig gespeicherten Wahrscheinlichkeitswerte,
2. die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzten Datenarten und
3. das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form.

Auch wenn die Ansicht vertreten wird, die Datenschutzbehörden hätten keinen Anspruch auf Auskunft gegen die Schufa – was schon deshalb abwegig ist, weil sie sonst ihre Aufgabe, die Einhaltung von § 28b BDSG zu überwachen nicht gewährleisten könnten – so hat zumindest der Betroffene Bürger einen Auskunftsanspruch gegenüber der Schufa.

posted by Stadler at 19:16  

19.7.10

BMJ kündigt Mediationsgesetz an

Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau, auf den der Kollege Dr. Lapp hinweist, wird das Bundesjustizministerium heute einen Referentenentwurf eines Mediationsgesetzes vorstellen, von dem man sich eine Verbesserung der „Streitkultur in Deutschland“ verspricht.

Vorgesehen ist offenbar u.a., dass bereits in der Klageschrift angegeben werden muss, ob eine Mediation durchgeführt werden soll. Dass Mediationsvereinbarungen auf Antrag der Parteien künftig für vollstreckbar erklärt werden können, ist demgegenüber keine sensationelle Neuerung. Denn im Zuge einer erfolgreichen richterliche Mediation wurde auch bislang schon regelmäßig ein Prozessvergleich abgeschlossen, der schon immer Vollstreckungstitel war.

posted by Stadler at 12:56  

18.7.10

Keine Erfolgsaussichten der Zensus-Verfassungsbeschwerde?

Kaum ist die Verfassungsbeschwerde gegen das neue Volkszählungsgesetz (ZensG) erhoben, wird auch schon in der taz und in Blogs deren mangelnde Erfolgsaussicht beklagt. Fundierte Argumente werden für diese Ansicht freilich nicht ins Feld geführt.

Wenn Christian Rath in der taz schreibt:

„Das allerdings ist ein Missverständnis. Verboten hatte das Karlsruher Gericht damals nicht den Einsatz von Ordnungsnummern innerhalb der Volkszählung, sondern die Zusammenführung der Zensusdaten und anderer bei Behörden gespeicherter Daten mittels einer Personenkennziffer.“

so unterliegt er in zweifacher Hinsicht einem Irrtum. Das BVerfG hat im Volkszählungsurteil keine Zusammenführung mittels Personenkennziffer verboten, weil das in dieser Form seinerzeit nicht entscheidungserheblich war. Das Gericht hat dennoch darauf hingewiesen, dass auch die Übernahme sämtlicher Daten aus bereits vorhandenen Dateien keine zulässige Alternative zu der vorgesehenen Totalzählung darstellt. Aus diesen Ausführungen des Gerichts ist in der datenschutzrechtlichen Literatur zum Teil sogar die Schlussfolgerung gezogen worden, dass eine registergestützte Volkszählung überhaupt nicht datenschutzkonform ausgestaltet werden kann.

Die Kritiker der Verfassungsbeschwerde könnten freilich aus einem anderen Grund Recht haben. Wir haben in den letzten 20 Jahren eine schrittweise Erosion der Grundrechte erlebt, die auch vor dem Bundesverfassungsgericht nicht Halt gemacht hat. Das Gericht hat vielmehr das Schutzniveau seiner Rechtsprechung schrittweise abgesenkt. Wenn mich jemand vor 20 Jahren gefragt hätte, ob ein Gesetz wie das ZensG vor dem BVerfG hält, hätte ich das ohne zu zögern verneint. Heute bin ich mir da allerdings nicht mehr so sicher.

Dass aus der Datenschutzszene wenig Widerspruch gegen das ZensG kam, spricht eher dafür, dass dort die Schwerpunkte falsch gesetzt und verschiedene Dinge offenbar auch nicht verstanden werden. Während man gegen Nebensächlichkeiten wie Google Street View Sturm läuft, regt sich bei tatsächlich substantiellen Gefahren für die informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen, wie sie vom ZensG ausgehen, mittlerweile kaum mehr Widerstand. Es ist deshalb umso wichtiger, dass es Bürgerrechtler gibt, die gegen die neue Volkszählung mobil machen, auch wenn manche Journalisten das nicht verstehen.

posted by Stadler at 16:07  

16.7.10

Volkszählung: Bürgerrechtler erheben Verfassungsbeschwerde

Genau ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über den registergestützten Zensus im Jahre 2011 (ZensG) und damit am letzten Tag der Jahresfrist hat der neu gegründete Arbeitskreis Zensus, der u.a. vom FoeBuD unterstützt wird für einige Musterbeschwerdeführer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Eine weitere Verfassungsbeschwerde gegen das ZensG ist bereits anhängig.

Das neue Volkszählungsgesetz hat bislang kaum öffentliche Diskussionen hervorgerufen, was schon deshalb überraschend ist, weil eine Analyse der gesetzlichen Regelung ergibt, dass es wesentlich weitreichender ausgestaltet ist, als das Gesetz aus den 80’er Jahren, das letztlich in Karlsruhe gestoppt wurde.

Das neue Gesetz ist registergestützt, weshalb die meisten Bürger nicht befragt werden und von der Volkszählung unmittelbar gar nichts bemerken. Das bedeutet aber nicht, dass es weniger grundrechtsintensiv ist.

Nach § 13 Abs. 1 ZensG wird für jede Anschrift, jedes Gebäude, jede Wohnung, jeden Haushalt und jede Person von den statistischen Ämtern des Bundes und der Länder eine Ordnungsnummer vergeben und geführt. Die Ordnungsnummern dürfen gem. § 13 Abs. 2 ZensG bei den Zusammenführungen nach § 9 ZensG verwendet werden. Zur Erstellung des sog. kombinierten Datensatzes werden Daten aus verschiedenen Registern und von verschiedenen Behörden gesammelt bzw. übermittelt und zusammengeführt (§§ 3 – 8 ZensG). Es handelt sich u.a. um Daten der Meldeämter, oberster Bundesbehörden und der Bundesagentur für Arbeit. Diese Daten werden gebündelt und (personalisierbar) unter der Ordnungsnummer bis zur Dauer von vier Jahren gespeichert.

Dieses Verfahren lässt den vielbeschworenen gläsernen Bürger entstehen. Der Bürger bemerkt weder welche personenbezogenen Daten aus unterschiedlichsten Registern und Datenbanken zusammengeführt werden, noch kann er nachvollziehen, was nach der Zusammenführung über die Ordnungsummer verknüpft zu seiner Person gespeichert ist.

Gerade die Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Registern und Dateien unter einem einheitlichen Personenkennzeichen, das jetzt Ordnungsnummer heißt, hat das BVerfG schon in seinem Volkszählungszählungsurteil nicht als milderes Mittel gegenüber einer herkömmlichen, unmittelbaren Befragung angesehen.

posted by Stadler at 13:55  

16.7.10

Filesharing: Abmahnungen durch Waldorf Rechtsanwälte

In letzter Zeit sind mir überdurchschnittlich viele Filesharing-Abmahnungen der Kanzlei Waldorf vorgelegt worden, was allerdings auch Zufall sein kann. Der Anteil an Filmen und Musik ist dabei in etwa gleich hoch. Im Filmbereich fällt vor allen Dingen Constantin Film (zuletzt z.B. Pandorum und Jenseits der Angst) durch eine rege Abmahntätigkeit auf, während sich die großen internationalen Filmrechtseinhaber nach wie vor eher zurückhalten. Auch kleinere (Qualitäts-)Produktionen wie „Der Knochenmann“ (Majestic Filmverleih) sind aktuell Gegenstand von Abmahnungen. Im Musikbereich mahnt Waldorf derzeit häufig für Sony Music ab, u.a. Werke der Künstler Alicia Keys und AC/DC.

Die Situation für die von Abmahnungen Betroffenen hat sich nach der BGH-Entscheidung keinesfalls verbessert, auch wenn es gelegentlich 80-jährige Rentner trifft, die mir glaubhaft versichern, dass sie keine AC/DC-Fans sind.

posted by Stadler at 12:27  

16.7.10

ACTA: Der Kampf um Transparenz

Vor einigen Tagen wurde eine aktuelle Textversion der ACTA-Verhandlungen geleakt. Das von der Bürgerrechtsorganisation „La Quadrature Du Net“ veröffentlichte Dokument stammt offenbar aus einer Quelle bei der EU.

Vor allen Dingen die USA wollen die ACTA-Verhandlungen weiterhin am liebsten hinter verschlossenen Türen führen und hatten offenbar gehofft, die einmalige Zustimmung zur Veröffentlichung eines Entwurfsdokuments vor einigen Monaten würde ausreichen, um die Kritiker zu beruhigen. In Europa betrachten Bürgerrechtsorganisationen das Vorhaben ACTA als globale Bedrohung der Freiheit und auch das EU-Parlament fordert mittlerweile mehr Transparenz und Öffentlichkeit. Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement will die beteiligten Staaten in jedem Fall zu einer wesentlich stärkeren Regulierung des Internets zum Schutz von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten verpflichten. Den Anknüpfungspunkt bilden, wie zumeist bei solchen Forderungen, erneut die Provider.

Der kanadische Jurist Michael Geist, der sich sehr intensiv mit dem Thema befasst, ist der Ansicht, dass derzeit ein Kampf zwischen den USA und Europa stattfindet, sowohl um mehr Transparenz als auch um inhaltliche Fragen. Geist schreibt, dass die USA ACTA auf Urheberrecht und Markenrecht begrenzen wollen, während die EU offenbar auch andere gewerbliche Schutzrechte wie Geschmacksmuster einbeziehen will.

posted by Stadler at 10:16  
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