Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.5.10

Das Strafverfahren gegen Jörg Tauss

Gestern hat die Hauptverhandlung beim Landgericht Karlsruhe gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss begonnen.  Zahlreiche Medien berichten über das Verfahren. Tauss ist wegen des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Bilder angeklagt. Er bestreitet diese tatsächlichen Umstände nicht, sondern verteidigt sich damit, er habe als Abgeordneter, der mit den Themen Internet und Jugenschutz besonders befasst war, versucht selbst zu recherchieren, um u.a. festzustellen, ob das Internet tatsächlich ein Hauptvertriebsweg für Kinderpornografie ist oder primär andere Kanäle wie Mobilfunk benutzt werden.

Wenn man diese Einlassung als zutreffend unterstellt, dann wird sich das Gericht mit der schwierigen Rechtsfrage beschäftigen müssen, ob ein Abgeordneter des Bundestags solche Recherchen betreiben darf. Rechtsprechung existiert hierzu nicht. Meine rechtliche Einschätzung zu der Frage habe ich in einem älteren Blobeitrag unter dem Titel „Hat sich Tauss tatsächlich strafbar gemacht?“ bereits dargestellt.

posted by Stadler at 18:19  

19.5.10

Anmerkung zum Urteil des BGH zur Google-Bildersuche

Die vieldiskutierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Bildersuche von Google (Urteil vom 29. April 2010, Az.: I ZR 69/08) ist seit heute im Volltext online. Der BGH hatte entschieden, dass die Vorschaubilder (Thumbnails) bei Google die Rechte des Urhebers der Bilder bzw. der abgebildeten Werke nicht verletzen.

Den entscheidenden Leitsatz formuliert der BGH wie folgt:

Ein rechtswidriger Eingriff in urheberrechtliche Befugnisse ist nicht nur dann zu verneinen, wenn der Berechtigte rechtsgeschäftlich entweder durch Einräumung entsprechender Nutzungsrechte über sein Recht verfügt oder dem Nutzer die entsprechende Werknutzung schuldrechtlich gestattet hat. Vielmehr ist die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in ein ausschließliches Verwertungsrecht auch dann ausgeschlossen, wenn der Berechtigte in die rechtsverletzende Handlung eingewilligt hat. Eine solche Einwilligung setzt keine auf den Eintritt dieser Rechtsfolge gerichtete rechtsgeschäftliche Willenserklärung voraus.

Der BGH führt dann weiter aus, dass ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen muss. Hierbei kommt es nach Ansicht des BGH nur auf den objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers an. Damit ist es unerheblich, ob dem Berechtigten überhaupt bewusst ist, welche Nutzungshandlungen im Einzelnen mit der üblichen Bildersuche durch eine Bildersuchmaschine verbunden sind.

Der BGH geht dann noch einen Schritt weiter und erläutert, dass Google das Urheberrecht auch dann nicht verletzt, wenn die Bilder nicht mit Zustimmung des Urhebers ins Netz gelangt sind, zumindest solange Google nicht auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. Der BGH stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des EuGH zu Google-AdWords und nimmt Bezug auf Art. 14 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie.

Diese Ausführungen des BGH verdienen besondere Beachtung. Letztlich hätte der BGH sich nicht nur auf Art. 14 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie beziehen müssen, sondern auch auf die deutsche Umsetzung in § 10 TMG.

Der BGH hat den Anwendungsbereich von §§ 9 – 11 TMG allerdings bislang einschränkend dahingehend ausgelegt, dass die Vorschriften nicht für Unterlassungsansprüche gelten sollen. Davon ist in der hiesigen Entscheidung nicht mehr die Rede. Das ist bereits deshalb erstaunlich, weil Google ja auf Unterlassung verklagt worden war, es vorliegend also explizit um Unterlassungsansprüche ging. Hieraus muss dann wohl auch gefolgert werden, dass der BGH seine bisherige Rechtsprechung nicht aufrecht erhalten kann und Art. 14 der ECRL und damit auch § 10 TMG nunmehr auch auf Unterlassungsansprüche zur Anwendung bringen wird. Möglicherweise war dem Senat aber auch der Widerspruch zu seiner  Entscheidung „Internet-Versteigerung“ nicht bewusst.

posted by Stadler at 10:41  

19.5.10

Access-Blocking und die deutsche Kriminalstatistik

Die Forderung nach einer „Sperrung“ kinderpornografischer Webseiten durch Access-Provider, die in Deutschland schließlich in das Zugangserschwerungsgesetz mündete, wurde stets mit einem starken Anstieg der Kriminalitätsraten in diesem Bereich begründet. Dieser Begründungsansatz fand sogar Eingang in die Gesetzesbegründung.

Wenn man allerdings die aktuell vorgelegte polizeiliche Kriminalstatistik 2009 betrachtet, deren Aussagekraft man allerdings als äußerst beschränkt betrachten muss, dann ist zu konstatieren, dass dieses Argument ausgedient hat. Denn die Statistik weist einen Rückgang der Straftaten des Besitzes und der Verschaffung von Kinderpornografie um deutliche 43 % aus.

Man kann nur hoffen, dass die Populisten auch in Brüssel nicht die Oberhand gewinnen und sich die Erkenntnis durchsetzt, dass man Kinderpornografie auch im Internet effektiv bekämpfen kann, Zugangsblockaden insoweit aber kein geeignetes Mittel darstellen. Heute wird in Brüssel die European Digital Agenda vorgestellt. Man darf gespannt sein, ob das Access-Blocking darin auftaucht.

posted by Stadler at 09:49  

18.5.10

Anstieg der Computerkriminalität?

Bundesinnenminister de Maiziere hat heute die polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2009 vorgestellt und weist u.a. darauf hin, dass die Computerkriminalität deutlich zugenommen habe und hierbei der größte Anstieg beim Ausspähen und Abfangen von Daten zu verzeichnen gewesen sei. Das berichtet die FTD Deutschland.

Wenn der Staat neue Straftatbestände schafft, wie das beim sog. Abfangen von Daten (§ 202b StGB) geschehen ist, dann ist ein Anstieg der statistischen Kriminalitätsrate allerdings kaum zu vermeiden, denn schließlich wird ein Verhalten unter Strafe gestellt, das bislang straffrei war. Es wäre ein Gebot der Seriosität, solche Umstände auch bei der Präsentation der Statistik nicht unerwähnt zu lassen.

Die deutsche Kriminalitätsstatistik ist ohnehin ein Problemfall, der leider in der Presse als solcher nie thematisiert wird. Denn die Statistik erfasst keineswegs nur die Fälle erwiesener bzw. verurteilter Straftaten, sondern vielmehr alle polizeilichen Verdachtsfälle. Hier fließen deshalb auch „Taten“ ein, die keine sind. Selbst dann, wenn kein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird oder ein solches bereits nach kurzer Zeit wegen des Fehlens eines Tatverdachts eingestellt wird,  erscheinen diese „Taten“ in der Statistik.

Es wäre sicherlich auch möglich, aussagekräftige Kriminalitätsstatistiken zu führen. Aber gerade das ist nicht erwünscht, denn die Kriminalitätsstatistik ist seit jeher ein Instrument der Innenpolitik. Liebe Qualitätsjournalisten da draußen, wäre das nicht vielleicht mal ein Thema für eine kritische Berichterstattung?

Update: Gerade so als wollte die Süddeutsche die Richtigkeit meines Blogbeitrags bestätigen, titelt das Blatt heute immerhin auf Seite 1: „Internet-Kriminalität wächst um 18 Prozent“. Erwartungsgemäß liest man allerdings kein Wort darüber, dass durch die Umsetzung der Cybercrime-Convention eine Reihe neuer Straftatbestände im Bereich der Computerkriminalität geschaffen wurden – u.a. der genannte § 202b StGB – wodurch die Strafbarkeit in diesem Bereich erheblich ausgeweitet wurde. Und das schlägt sich nunmehr eben auch in der Statistik nieder. Auch Prof. Henning Ernst Müller spricht im Beck-Blog von einem wenig überraschenden Anstieg bei  Computerdelikten.

posted by Stadler at 22:28  

18.5.10

Einstweilige Verfügung gegen Provider wegen Pirate Bay (Update)

Die einstweilige Verfügung gegen den Provider, der für Pirate Bay das Routing erledigte, ist mittlerweile bei Telemedicus online. Gleichzeitig ist „The Pirate Bay“ nach nur einem Tag Pause wieder am Netz, vermutlich über einen ukrainischen Provider.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg wäre juristisch betrachtet  nur dann gerechtfertigt, wenn der Provider über das gewöhnliche Routing hinaus agiert hätte, wie in meinem Ausgangsbeitrag dargestellt. Damit wäre aber auch der Bereich der Störerhaftung verlassen worden.

Hierauf stellt das Landgericht Hamburg allerdings nicht ab. Der eher formalistische Einwand, der Provider könne sich auf die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG nicht berufen, weil diese für Unterlassungsansprüche nicht gelte, zeigt allenfalls, dass insoweit gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Wenn die Rechtsprechung eine Störerhaftung selbst dann bejaht, wenn gleichzeitig  für andere Ansprüche die Privilegierungstatbestände der §§ 8 – 10 TMG eingreifen, so wird dadurch der Sinn der Haftungsfreistellung in Frage gestellt.

Die tatsächliche Entwicklung zeigt aber ohnehin, dass die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg praktisch wirkungslos verpufft ist.

posted by Stadler at 14:28  

17.5.10

Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung in Kraft getreten

Aus aktuellem Anlass hier nochmals der Hinweis auf die Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InfoV) die heute in Kraft getreten ist und Dienstleistern zusätzliche Informationspflichten gegenüber ihren Kunden auferlegt.

posted by Stadler at 12:36  

17.5.10

Was ist dran am Datendebakel von Google?

Google hat während seiner Street View Fahrten auch Nutzerdaten und nicht nur Standortdaten aus offenen W-LANs gespeichert. Diese Information, die von Google selbst an die Öffentlichkeit gebracht worden ist, hat zu einer neuen Welle der Empörung über den Suchmaschinengiganten geführt.  SpiegelOnline fragt in Bild-Zeitungs-Manier: „Wie kommt Schnüffelcode in das umstrittene Street-View-Projekt?“ Es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass auch Politiker und Datenschützer wieder einmal empört sind.

Vor dem Hintergrund dieser Hysterie ist es immer hilfreich, die Einschätzung von Leuten zu bekommen, die Ahnung von den technischen Abläufen haben. Kristian Köhntopp erläutert den Vorgang in seinem Blog und gelangt zu folgender Schlussfolgerung:

„Die Software, die da zur Erfassung der WLAN-Daten geschrieben und betrieben worden ist folgt der Struktur, die die Technik und der WLAN-Standard der IEEE vorgeben. Das Vorgehen, das Google bei der Erfassung der Daten zeigt, ist logisch, vernünftig und in Deutschland illegal (§89 TKG und §202b StGB, wahrscheinlich).

Die Erklärungen, die Google für das Entstehen des Fehlers gegeben hat, sind in im Kontext der Standards und im Vergleich mit anderer Software, die ähnliches leistet, konsistent und schlüssig, der Fehler, der zu dem Problem geführt hat, ist naheliegend.“

Diese Aussage verdeutlicht zunächst, dass offenbar – und das ist gerade im Bereich des Datenschutzes nicht wirklich neu – eine gewisse Inkongruenz zwischen technischen Standards und gesetzlichen Regelungen besteht. Köhntopp macht aber auch deutlich, dass die These vom „Schnüffelcode“ nicht wirklich fundiert ist und SpiegelOnline, wie auch andere, schlicht der Versuchung einer reißerischen und verzerrten Darstellung erlegen ist.

Google könnte mit seinem Verhalten in der Tat den (objektiven) Tatbestand des § 202b StGB erfüllt haben, wenn beispielsweise vollständige E-Mails aufgezeichnet worden wären. Das dürfte angesichts dessen, was bekannt geworden ist, aber eher unwahrscheinlich sein. Datenfragmente, die quasi beiläufig gespeichert worden sind, reichen nicht aus. Ob es sich um ein Abhören i.S.v. § 89 TKG handelt, ist ebenfalls fraglich. Denn das würde voraussetzen, dass ein Dritter (Google) eine Kommunikation, die zwischen anderen Personen stattfindet, mithört. Das setzt aber wiederum eine Kenntnisnahme vom konkreten Inhalt eines Kommunikationsvorgangs voraus.

Es spricht eigentlich nicht gegen Google, dass das Unternehmen diese Datenerhebung von sich aus publik gemacht hat. Die Öffentlichkeit scheint das freilich anders zu sehen.

posted by Stadler at 11:32  

16.5.10

Einstweilige Verfügung gegen Provider wegen Pirate Bay

Verschiedene Medien haben an diesem Wochenende berichtet, dass die MPA (Motion Pictures Association) am 6. Mai beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen den Routing-Provider CB3ROB erwirkt hat. Die Verbotsverfügung untersagt dem Provider angeblich, den Pirate-Bay-Servern weiterhin einen Internetanschluss zur Verfügung zu stellen. CB3ROB hostet nach eigenen Angaben die Website von Pirate Bay nicht, sondern führt nur das Routing für deren Hauptseite durch.

Ob dieser Fall allerdings tatsächlich für eine juristische Auseinandersetzung um die Frage der Netzneutralität taugt, wie CB3ROB zu glauben scheint, ist fraglich. Der Grundsatz der Netzneutralität ist – auch wenn es so nicht formuliert worden ist – in der E-Commerce-Richtlinie und dem Telemediengesetz verankert. In § 8 TMG heißt es hierzu:

Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie

1. die Übermittlung nicht veranlasst,

2. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und

3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.

Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob diese Vorschrift auch für Unterlassungsansprüche gilt – was der BGH verneint – kann man bezweifeln, dass die gesetzlichen Anforderungen für eine Haftungsfreistellung auf die konkrete Leistung von CB3ROB zutreffen. Verändert der Provider nicht Daten und arbeitet er nicht auch gezielt mit Pirate Bay zusammen, damit die Plattform ihr rechtswidriges Konzept fortsetzen kann?

posted by Stadler at 14:32  

14.5.10

„hey“ ist nicht als Marke eintragbar

Der BGH hat mit Beschlüssen vom 14.01.2010 (Az.: I ZB 31/09 und I ZB 32/09) eine Entscheidung des Bundespatentgerichts bestätigt und die Eintragung des Zeichens „hey!“ als Wortmarke und als Wort-/Bildmarke für unterschiedliche Waren- und Dienstleistungen (u.a. Bildträger, Tonträger, Videospiele, Software, Bekleidung, Spielzeug, Erstellen von Web-Seiten, Gestaltung und Unterhalt von Web-Seiten für Dritte) abgelehnt. Begründet wurde das damit, dass der Ausdruck „hey“ als gebräuchliches Wort der Umgangssprache nie als Unterscheidungsmittel angesehen werde.

Damit bleibt dem Netz auch eine Abmahnwelle erspart.

posted by Stadler at 09:49  

14.5.10

Reaktionen aus USA auf W-LAN-Urteil des BGH

Das einflussreiche amerikanische Blog „Techdirt“ hat das hierzulande vieldiskutierte Urteil des BGH, wonach der Betreiber eines privaten W-LANs verpflichtet ist, dieses zu verschlüsseln, als „bizzarre“ bezeichnet.

Der Beitrag weist völlig zu Recht darauf hin, dass es gute Gründe dafür gibt, ein W-LAN offen zu betreiben. Wenn man die Kommentare im Blog liest, erkennt man aber, dass es auch bei den Lesern des Techdirt-Blogs vereinzelt Zustimmung zur Haltung des BGH gibt.

Heute ist von mir zu dem Thema auch ein juristischer Aufsatz – der vor der Urteilsverkündung  geschrieben wurde – erschienen: Der unfreiwillige Access-Provider – Haftung des Anschlussinhabers für Rechtsverletzungen über (offene) W-LANs, AnwZert ITR 9/2010, Anm. 3.

Update: Zu den Auswirkungen des Urteils auf Internet-Cafes haben sich die Kollegen Jens Ferner und Reto Mantz Gedanken gemacht.

posted by Stadler at 09:33  
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