Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.4.10

Meinungsfreiheit: Die nackte Oberbürgermeisterin

Das Oberlandesgericht Dresden hat mit Urteil vom 16.04.2010 (4 U 127/10) eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Dresden aufgehoben, durch die der Künstlerin Erika Lust verboten wurde, die Dresdener Oberbürgermeisterin auf satirische Weise nackt darzustellen. Hintergrund der Darstellung war der Streit um das Weltkulturerbe.

Das OLG Dresden führt zur Begründung u.a. aus, dass man die Nacktheit der Oberbürgermeisterin in diesem Kontext ohne weiteres als allegorische Darstellung der Unmöglichkeit oder Unfähigkeit zur Abwendung des Verlustes des Unesco-Welterbetitels verstehen kann.

Das Gericht stellt damit den Schutz der Satire im (öffenltichen) Meinungskampf  und damit die Meinungsäußerung und nicht die Kunstfreiheit in den Vordergrund. Eine erfreuliche Entscheidung.

Update: Das Bild ist im Netz schwer zu finden, aber das hier dürfte es sein.

posted by Stadler at 12:38  

16.4.10

ACTA-Entwurf soll offiziell veröffentlicht werden

Nach Monaten der Geheimniskrämerei um das umstrittene ACTA-Abkommen, wurde nun von der US-Regierung für den 21.April die offizielle Veröffentlichung eines aktuellen Entwurfstextes angekündigt. Die bisherigen Entwurfsfassungen lassen zumindest die Bestrebung erkennen, eine Regulierung des Internets zu Gunsten des Schutzes des geistigen Eigentums vorzunehmen, die deutlich über bestehende Regelungen hinausgeht.

Möglicherweise ist auch die massive Kritik von Bürgerrechtsorganisationen und die Forderung nach mehr Transparenz durch das EU-Parlament ein Grund dafür, dass man sich zu dieser Veröffentlichung entschlossen hat.

posted by Stadler at 18:47  

16.4.10

Veranstaltungshinweis: Bürgerrechte nach der digitalen Revolution

An der Universität Passau findet am 29. und 30. April 2010 ein Symposium zum Thema „Bürgerrechte nach der digitalen Revolution “ Freiheit – Sicherheit – Gleichgültigkeit?“ der Forschungsstelle ReH..Mo statt. Die Frage scheint mir zutreffend gestellt, weshalb ich auf die Antworten der Referenten und des Publikums gespannt bin. Es wird bei der Veranstaltung außerdem auch eine Twitter-Wall geben und in der von mir moderierten Podiumsdiskussion sollen Fragen via Twitter gestellt werden können.

Bei dieser Gelegenheit, möchte ich auch das ReH..Mo-Blog lobend erwähnen, das fast täglich über Neuigkeiten aus den Bereichen IT-Recht und E-Justice berichtet.

posted by Stadler at 18:08  

16.4.10

OLG Nürnberg: Haftung des Portalbetreibers für Erfahrungsberichte von Nutzern

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 13.04.2010 (3 U 2135/09) über die Frage der Haftung des Betreibers eines Verbraucherportals für kritische Äußerungen seiner Nutzer entschieden.

Eine sog.  Singlebörse hatte von dem Verbraucherportal die Unterlassung von kritischen Erfahrungsberichten über die Qualität der Dienstleistungen der Klägerin verlangt. Das Verbraucherportal ermöglicht es seinen Nutzern u.a., Waren und Dienstleistungen zu bewerten und entsprechende Erfahrungsberichte einzustellen.

Das OLG Nürnberg hat das erstinanzliche Urteil aufgehoben und die Klage des kritisierten Unternehmens insgesamt abgewiesen und hierbei eine meinungsfreundliche Haltung eingenommen.

Das Urteil des Oberlandesgericht liegt auf der Linie der neueren Rechtsprechung des BVerfG und des BGH, wonach auch Tatsachenbehauptungen den Schutz der Meinungsfreiheit genießen können, sofern sie zur Meinungsbildung beitragen, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn Äußerungen Dritter – hier die Bewertungen der Nutzer – wiedergegeben werden.

Meine eigenen Leitsätze:

Selbst öffentlich im Internet geäußerte, unrichtige Tatsachenbehauptungen über ein Unternehmen, lösen nicht stets und ohne weiteres Unterlassungsansprüche nach §§ 1004, 824, 823 BGB aus.

Eine Verletzung des „Unternehmenspersönlichkeitsrechts“ durch einzelne, negative Äußerungen eines Users, kommt nur dann in Betracht, wenn das Unternehmen dadurch in ihrem sozialen Geltungsbereich als Wirtschaftsunternehmen betroffen ist.

Zwei angeblich unrichtige Tatsachenbehauptungen im Rahmen eines längeren, aus 13 Sätzen bestehenden Textes, rechtfertigen nicht die Untersagung des gesamten Texts.

Die Aussage “ Ich habe mich auf dieser Seite nie angemeldet – Scheinbar haben die meine E-Mail-Adresse gekauft “ ist jedenfalls dann von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn das kritisierte Unternehmen durch eine Übernahme eines anderen Unternehmens in den Besitz der Nutzerdaten gekommen ist.

posted by Stadler at 15:47  

15.4.10

BGH: Wiederholungsgefahr geht nicht auf Insolvenzverwalter über

Wettbewerbswidrige Handlungen des Insolvenzschuldners begründen in der Person des Insolvenzverwalters auch dann keine Wiederholungsgefahr, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb des Schuldners fortführt. Das hat der BGH in einem heute veröffentlichten Urteil vom 18. März 2010 (Az.: I ZR 158/07). entschieden.

Die Wiederholungsgefahr ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ein tatsächlicher Umstand, der nach den Verhältnissen in der Person des in Anspruch Genommenen zu beurteilen ist und der sich nicht in der Person des Insolvenzverwalters fortsetzt.

posted by Stadler at 16:25  

15.4.10

EuGH: Im Fernabsatz sind nach einem Widerruf auch die Hinsendekosten zu erstatten

Wenn ein Verbraucher von seinem Recht Gebrauch macht, ein Fernabsatzgeschäft zu widerrufen, dann muss der betroffene Händler auch die Kosten, die er für den erstmaligen Versand der Ware aufgewendet und auf den Kunden umgelegt hat, erstatten. Wenn der Kunde also wirksam widerrufen hat, kann der Händler ihm die Kosten der Zusendung der Ware nicht (mehr) auferlegen.

Das hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom heutigen 15.04.2010 (Az.: C-511/08) entschieden. Der Tenor des EuGH lautet:

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Ware auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt.

posted by Stadler at 16:12  

15.4.10

Folien des Vortrags Web 2.0 und Social-Media-Marketing für Rechtsanwälte

Die Power-Point Folien meines gestrigen Vortrags Web 2.0 und Social-Media-Marketing für Rechtsanwälte beim Bayerischen Anwaltverband in München sind jetzt auch online abrufbar.

posted by Stadler at 07:53  

13.4.10

OLG Hamburg offenbart brillanten technischen Sachverstand

In einer neuen Entscheidung des OLG Hamburg (Beschl. v. 02.03.2010, Az.: 5 W 17/10)findet sich folgende bemerkenswerte Passage:

„Dies gilt erst recht in Fällen wie dem vorliegenden, in dem das Unternehmenskennzeichen der Antragstellerin im Quelltext sogar in die Titelangabe der entsprechenden Webseite aufgenommen wurde. Denn hierdurch wird nicht nur, wie bei den „einfachen“ Metatags, die Auffindbarkeit durch Suchmaschinen bei Eingabe des entsprechenden Suchbegriffs erhöht, sondern nach der Darlegung der Antragstellerin wird die angezeigte Seite hierdurch in der Titelleiste zusätzlich mit einem Titel versehen, der das Unternehmenskennzeichen enthält.“

Also Keywords- und Description-Tag zählen  zu den einfachen Meta-Tags, während der Title-Tag demgegenüber ein besonderer Meta-Tag ist, weil hierdurch in der Titelleiste zusätzlich ein Titel erzeugt wird? Was für eine bahnbrechende Erkenntnis.

Ich will Derartiges im Jahr 2010 eigentlich nicht mehr in einem Urteil eines Oberlandesgerichts lesen.

Die rechtliche Würdigung des OLG Hamburg ist insgesamt zumindest fragwürdig. Ob sich die Frage der Verwechslungsgefahr bei Unternehmenskennzeichen tatsächlich ohne Ausführungen zum konkreten  Inhalt der Website beantworten lässt, möchte ich bezweifeln. Nur weil ein Unternehmenskennzeichen in einem Title-Tag oder als Teil einer URL auftaucht, muss der durchschnittliche Internetnutzer nach Aufruf der Website nicht unbedingt und stets annehmen, dass diese Website von dem fraglichen Unternehmen stammt. Das wird vielmehr sehr stark von Inhalt und Gestaltung der Website abhängen. Und genau hierzu sagt das OLG nichts.

posted by Stadler at 17:37  

10.4.10

Rat der EU will Notice And Take Down Verfahren einführen

Eine neue Entwurfsempfehlung des Rates plädiert für die Einführung eines Notice And Take Down Verfahrens zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Netz, aber auch zur Bekämpfung von rassistischen und ausländerfeindlichen Inhalten und solchen mit terroristischem Hintergrund. Andererseits stellt die Empfehlung klar, dass eine Erstreckung auf sonstigen unrechtmäßigen oder unerwünschten Content nicht beabsichtigt ist. Klargestellt wird zudem, dass die Empfehlung nicht auf die Filterung oder Bloackade von Netzinhalten abzielt. Äußerst problematisch ist allerdings das Vorhaben der EU, alle Personen unter 18 Jahren als Kinder zu definieren und damit den Anwendungsbereich der Strafvorschriften auch auf sog. Jugendpornografie zu erweitern. Dieser Gleichsetzung tatsächlich nicht vergleichbarer Phänomene muss entgegen getreten werden.

Kernstück der Empfehlung ist die Einführung eines Notice And Take Down Verfahrens. (Host-)Provider sollen auf Anweisung der zuständigen (nationalen) Behörden illegalen Content entfernen oder den Zugang zu solchen Inhalten beseitigen.

Der Entwurf weist aber ausdrücklich darauf hin, dass die Verantwortlichkeitsregeln der E-Commerce-Richtlinie nicht angetastet werden und die Provider auch weiterhin nicht verpflichtet werden sollen, aktiv nach illegalen Inhalten zu forschen.

Den gegen das Vorhaben erhobenen Einwand, dass ein derartiges Verfahren fundamental gegen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung im Internet verstoßen würde, kann ich nicht ohne weiteres nachvollziehen. Eine solche Regelung bedarf einer sauberen Umsetzung in nationales Recht, in der die Befugnisse der Polizei- und Sicherheitsbehörden ausreichend konkret umrissen sind. Der Ansatz ist aber keinesfalls von Vornherein mit Grundrechten unvereinbar. Die Möglichkeit der kurzfristigen Unterbindung der Verbreitung von illegalen Inhalten durch sofort vollziehbare Verwaltungsakte – ohne vorhergehende richterliche Anordnung und Anhörung des Betroffenen – ist nicht grundsätzlich neu. In gewissem Umfang besteht auch eine tatsächliche Notwendigkeit für derartige Anordnungen. Die behördliche Maßnahme muss aber in jedem Fall einer vollständigen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegen.

Wer Löschen statt Sperren fordert, kann derartige Konzepte nicht per se ablehnen. Es kommt vielmehr auf die konkrete gesetzliche Ausgestaltung an.

posted by Stadler at 09:57  

9.4.10

eBay ist so träge wie der sowjetische Beamtenapparat

Das zumindest meint das österreichische Landesgericht St. Pölten, das eBay kürzlich zur Zahlung von Schadensersatz an einen Nutzer verurteilt hat.

Die entsprechende Passage findet sich auf S. 27 f. des lesenswerten Urteils (Az.: 4 Cg 144/08i):

“…die Erklärung der Zeugin über die angeblich komplizierte innere Kommunikation im Unternehmen der Beklagten ließ an die Trägheit sowjetischer Beamtenapparate erinnern, überzeugte aber hinsichtlich der hochtechnisierten Beklagten nicht. Sowohl das Vorbringen als auch die Aussage der Zeugin erschöpfen sich in mehr oder weniger unbestimmten Formulierungen und Floskeln.“

posted by Stadler at 10:48  
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