Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

24.4.09

Kinderporno-Sperrgesetz nicht verfassungskonform

Telemedicus hat sich mit der Frage der Verfassungsgemäßheit des geplanten Gesetzes beschäftigt und spricht von den zahlreichen kritischen Aspekten zwei an, nämlich die Gesetzegebungskompetenz des Bundes und die Frage der Auswahl der Sperrmethode.

Sperrungsanordungen waren bislang ausschließlich in Landesgesetzen vorgesehen. Das hat seinen Grund darin, dass es sich hierbei um sog. Gefahrenabwehr handelt, die der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegt. Eine Kompetenz des Bundes dafür, den Zugriff auf kinderpornografische Inhalte zu erschweren, dürfte kaum zu konstruieren sein. Denn es geht im Schwerpunkt nicht um Strafverfolgung und auch nicht um das Recht der Wirtschaft. Telemedicus weist zutreffend darauf hin, dass hier nicht das wirtschaftliche Verhalten der Internetprovider geregelt wird, sondern nur deren Einbindung in die Gefahrenabwehr als eine Art Hilfssherriff. Der Bund kann sich daher nicht auf seine Kompetenz für das recht der Wirtschaft stützen. Das Gesetz ist aus diesem Grund bereits formell verfassungswidrig.

Telemedicus sieht es zudem kritisch, dass im Ergebnis den Providern die Auswahl der konkreten „Sperrmaßnahme“ überlasen wird, was deshalb problematisch ist, weil der Gesetzgeber die für die Grundrechtsausübung wesentlichen Fragen selbst zu entscheiden hat und nicht der Verwaltung überlassen darf. Das ist ein Ausfluss des Grundsatzes vom sog. Vorbehalt des Gesetzes. Selbst wenn man die Regelung insoweit als noch konkret genug betrachten möchte, ist der Umstand, den Providern die Entscheidung über die technische Auswahl zu überlassen, auch deshalb problematisch, weil dann wirklich alle in Betracht kommenden Sperrtechniken rechtmäßig sein müssen. Denn es ist nie auszuschließen, dass sich der einzelne Provider ansonsten gerade für diejenige Sperrtechnik entscheidet, die nicht verfassungskonform ist. Mit dieser Problematik habe ich mich bereits im Jahre 2002 in meinem Aufsatz für die MMR beschäftigt.

Ein weiteres verfassungsrechtliches Problem ergibt sich daraus, dass die Provider auf eigene Kosten quasi als Hilfssherriff des Staates agieren müssen, ohne für ihren Aufwand nach dem Gesetz entschädigt zu werden.

Kernpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung ist die Frage der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen.

Durch die Vorschrift des § 8a TMG wird in jedem Fall in den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) und der Informationsfreiheit der Bürger (Art. 5 Abs. 1 GG) eingegriffen. Die Verhältnismäßigkeit dieser Eingriffe muss bezweifelt werden.

Die Maßnahmen bewegen sich an der Grenze zur Ungeeignetheit und sind jedenfalls wenig effektiv. Gerade im Bereich der Kinderpornografie gibt es zudem andere besser geeignete Mittel der Bekämpfung, da die Kinderpornografie in fast allen zivilsierten Staaten untersagt und strafbar ist. Deshalb kann im Wege der Einschaltung der zuständigen Behörden am Standort des Servers erreicht werden, diese Inhalte tatsächlich vom Netz zu bekommen. In vielen Fällen ist es sogar ausreichend Abuse-Mails an die Provider vor Ort zu verschicken. Access-Sperren könnten somit allenfalls dann rechtmäßig sein, wenn sie sich auf Angebote aus Staaten beschränken, in denen Kinderpornografie nicht verfolgt wird. Tatsächlich ist es aber so, dass ein großer Teil der zu sperrenden Angebote, zumnindest auf den skandinavischen Sperrlisten, sogar aus den USA oder der EU stammen.

Analysen der skandinavischen Sperrlisten haben außerdem gezeigt, dass dort überwiegend Angebote gesperrt werden, die keine kinderpornografischen Inhalte enthalten. Es steht also auch hier zu befürchten, dass durch diese Maßnahme in großem Umfang legale Inhaltsangebote beeinträchtigt werden. Eine Maßnahme die wenig Erfolg verspricht aber gleichzeitig in erheblichem Umfang die Inhalte und damit Rechtspositionen anderer beeinträchtigt, ist nicht verhältnismäßig.

§ 8a TMG-E ist deshalb formell und materiell verfassungswidrig.

posted by Stadler at 11:37  

14.4.09

Wikileaks.de auf Druck des BND gesperrt?

Es klingt sehr stark nach Verschwörungstheorie, was man in der letzten Pressemitteilung von Wikileaks vom 13.04.09 zur Sperrung/Kündigung ihrern DE-Domain lesen kann. Andererseits ist immer vieles denkbar. Der Vorgang ist in jedem Fall merkwürdig.

Update: Möglicherweise geht der Verschwörungstheorie jetzt doch die Luft aus. Erstaunlich ist dann aber, dass Wikileaks so laustark getrommelt hat. Mal sehen, was da noch für Geschichten folgen.

posted by Stadler at 09:35  

12.4.09

Eine Zensur findet statt: Wikileaks.de gesperrt

Bei der Eingabe von Wikileaks.de wird man derzeit (12.04.09, 10:23) auf eine Informationsseite der DENIC umgeleitet. Diese „Sperrung“ an der DENIC unmittelbar beteiligt ist, soll angeblich wegen der Veröffentlichung der australischen Kinderporno-Sperrliste erfolgt sein, wie Heise berichtet.

DENIC oder der Provider über den die Domain registriert ist, werden sich möglicherweise die Frage nach der rechtlichen Grundlage dieser Sperraktion stellen lassen müssen.

posted by Stadler at 09:22  

26.3.09

Zeitungszeugen: Freistaat Bayern unterliegt vor LG München I

Im Streit um die Nachdrucke von NS-Zeitschriften hat der Freistaat Bayern eine Niederlage einstecken müssen. Zumindest Nachdrucke bis zum Jahre 1938 sollen zulässig sein, weil das Urheberrecht insoweit jedenfalls erloschen sei.
Quelle: tagesschau.de

posted by Stadler at 00:06  

13.3.09

Italien: Kommt die behördliche Registrierungspflicht für Blogger?

Die italienische Regierung kontrolliert gerne sämtliche Medien, Silvio Berlusconi hat damit schließlich jahrzehntelange Erfahrung.

Dass es da ein Medium gibt, in dem sich ein Haufen undisplinierter Tagträumer (vulgo: Blogger) austobt und einfach publiziert, was ihnen in den Sinn kommt, passt nicht in Berlusconis Weltbild. Medien die nicht von ihm gesteuert werden, machen den italienischen Regierungschef offenbar nervös.

Folgerichtig gibt es in Italien nun auch Bestrebungen, nicht jedem dahergelaufenen Nerd zu gestatten, ein Blog aufmachen. Vielmehr soll eine vorherige staatliche Registrierung von Bloggern stattfinden. Ist Italien das europäische China?

Einer der bekanntesten italienischen Blogger Beppe Grillo hat einen Aufruf gestaret, in dem er Kollegen bittet, eine Mail an ihn zu schicken, mit einem Foto in dem der Abesender ein Schild mit der Aufschrift „FREE BLOGGER“ hochhält.
Quelle: boingboing

posted by Stadler at 09:43  

12.3.09

Zensur: Freistaat Bayern droht gerichtliche Niederlage im Streit um "Zeitungszeugen"

Der Freistaat Bayern hat im Januar die Zeitschrift „Zeitungszeugen“, der Nachdrucke von Propaganda-Blättern aus der NS-Zeit beilagen, beschlagnahmen lassen.

Der Freistaat Bayern stützt sich hierbei auf das ihm angeblich zustehende Urheberrecht an NS-Veröffentlichungen.

Diese Einschätzung scheint die Urheberrechtskammer des Landgerichts München I nicht zu teilen, wie die Süddeutsche berichtet.

Das Gericht sieht es offenbar nicht als nachgewiesen an, dass der Freistaat Bayern die Urheberrechte überhaupt erworben hat.

Das Urteil, das am 25.03.09 verkündet werden soll, könnte wegweisend auch für die Frage weiterer Wiederveröffentlichungen von NS-Publikationen sein.

posted by Stadler at 11:06  

6.3.09

Internetzensur in Thailand

Wie die BBC berichtet, ist in Thailand die Herausgeberin einer führenden politischen Website verhaftet worden, weil sie angeblich die nationale Sicherheit gefährdet hat. Es soll um kritische Äußerungen zur thailändischen Monarchie gehen.
Quelle: BBC-News

posted by Stadler at 17:49  

29.1.09

Werbung mit Zensur

Der Freistaat Bayern hält die Bürger bekanntlich nach wie vor für unmündig und beschlagnahmt gerade die Zeitschrift „Zeitungszeugen“ wegen einer Wiederveröffentlichung des beigelegten NS-Propagandablattes „Völkischer Beobachter“. Davon war hier schon die Rede.

Der britische Verleger Peter McGee nutzt diesen Umstand nunmehr dazu, auf dem Titel der nächsten Ausgabe in roten Lettern das Wort „zensiert“ anzubringen. Warum auch nicht. Die Beschlagnahme und die jetzt notwendige juristische Auseinandersetzung dürfte den Verleger einiges Geld kosten.
Quelle: sueddeutsche.de

posted by Stadler at 17:43  

26.1.09

"Tanz der Teufel"

Marc Felix Serrao stellt in der Süddeutschen Zeitung vom 26.01.09 unter dem Titel „Tanz der Teufel“ die Frage, ob der Staat seine Bürger weiterhin vor NS-Dokumenten schützen muss.

Hintergrund ist die Print-Veröffentlichung „Zeitungszeugen“, der Nachdrucke von Propaganda-Blättern aus der NS-Zeit beiliegen, u.a. der „Völkische Beobachter“, allerdings in einer kritischen Ausgabe, die von Historikern kommentiert worden ist.

Die bayerische Staatsregierung hat die Zeitschriften beschlagnahmen lassen. Gegen den Herausgeber wurde von der Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz eingeleitet.

Der Freistaat Bayern reklamiert das Urheberrecht für verschiedenste NS-Veröffentlichungen, darunter auch „Mein Kampf“, für sich und verhindert so Neuauflagen.

Insoweitmuss man in der Tat die Frage stellen, ob der Missbrauch des Urheberrechts durch eine Landesregierung notwendig ist, um die Bürger weiterhin von der Lektüre von NS-Propaganda abzuhalten. Damit wird vor allem den historisch interessierten Menschen, die sich mit der NS-Ideologie auseinandersetzen wollen, der Zugang zu Detailinformationen verwehrt.

Der Autor Marc Felix Serrao legt in seinem Beitrag in sehr überzeugender Weise dar, warum diese massive Einschränkung der Presse- und Informationsfreiheit mehr als 60 Jahre nach dem Ende des 3. Reichs keine Rechtfertigung mehr besitzt.

posted by Stadler at 15:10  
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