Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.7.13

Immer wieder Netzsperren

Der Vorschlag Access-Provider zur „Sperrung“ von Drittinhalten zu verpflichten, wird immer wieder aus der Mottenkiste geholt, obwohl er speziell in Deutschland in unterschiedlichen Facetten immer wieder gescheitert ist.

Aktuell will der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des EU-Parlaments eine Entschließung des Parlaments durchdrücken, der u.a. Access-Sperren für Glückspielangebote vorsieht.

In dem Ausschussbericht heißt es unter Ziff. 19 u.a.:

empfiehlt den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten für Durchsetzungsmaßnahmen – wie etwa die Erstellung weißer und schwarzer Listen von illegalen Websites, Verhinderung des Zugangs zu diesen Websites, die gemeinsame Bestimmung gesicherter und rückverfolgbarer Zahlungslösungen und Prüfung der Möglichkeit von Sperrmaßnahmen für Finanztransaktionen – um sicherzustellen, dass Verbraucher nicht in die Hände illegaler Betreiber geraten können

Interessanterweise war die Schlussabstimmung im Ausschuss keineswegs eng, sondern von einer breiten Mehrheit getragen. Auch Parlamentarier von Grünen und FDP konnten sich hier wieder einmal für Netzsperren erwärmen. Man wird allerdings abwarten müssen, wie die Kommission und die Mitgliedsstaaten reagieren.

posted by Stadler at 17:43  

25.6.13

Generalanwalt beim EuGH zur datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit von Google

Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat in seinem Schlussantrag vom 25.06.2013 in einem Rechtsstreit zwischen Google und der spanischen Datenschutzaufsichtsbehörde (Az.: C -131/12) bemerkenswerte Rechtsauffassungen vertreten. Der EuGH ist an die Einschätzung des Generalanwalts nicht gebunden, folgt ihr aber zumeist.

Google wendet sich mit seiner Klage gegen eine Löschungsaufforderung der spanischen Datenschutzbehörde, die von Google verlangt hatte, Suchergebnisse zu löschen, die nach Eingabe des Namens einer bestimmten Person in die Suchmaske der Suchmaschine angezeigt wurden.

Der Generalanwalt ist zunächst der Ansicht, dass spanisches Datenschutzrecht auf Google auch dann anwendbar ist, wenn Goggle lediglich werbende nationale Tochterunternehmen unterhält, wie z.B. in Spanien oder auch in Deutschland. Er schlägt dem EuGH insoweit vor festzustellen,

dass die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Niederlassung des für die Verarbeitung Verantwortlichen stattfindet und daher nationale Datenschutzbestimmungen auf einen Suchmaschinenbetreiber anwendbar sind, wenn dieser in einem Mitgliedstaat für die Vermarktung und den Verkauf von Werbeflächen der Suchmaschine eine Niederlassung einrichtet, deren Tätigkeit sich an die Einwohner dieses Staats richtet.

Im Hinblick auf die Frage einer datenschutzrechtlichen Haftung/Verantwortlichkeit von Google ist der Generalanwalt allerdings der Ansicht, dass der Betreiber einer Suchmaschine hinsichtlich personenbezogener Daten auf Quellenwebseiten, die auf dem Server eines Dritten gehostet werden, weder rechtlich noch tatsächlich die in der Datenschutz-Richtlinie vorgesehenen Pflichten eines für die Verarbeitung Verantwortlichen erfüllen kann. Eine nationale Datenschutzbehörde kann einen Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter deshalb nicht zur Entfernung von Informationen aus seinem Index verpflichten, es sei denn, der Diensteanbieter hat exclusion codes nicht beachtet oder ist einer Aufforderung seitens des Websitebetreibers zur Aktualisierung des Cache nicht nachgekommen.

Der Generalanwalt stellt außerdem klar, dass die geltende Richtlinie auch unter Berücksichtigung der Grundrechtecharta kein allgemeines „Recht auf Vergessenwerden“ kennt und Suchmaschinenbetreiber deshalb auch unter diesem Aspekt nicht zu einer Bereinigung des Index verpflichtet sind.

Man darf auf die Entscheidung des EuGH gespannt sein.

posted by Stadler at 16:01  

14.6.13

OLG Hamburg zur Frage, ob ein Sharehoster als Gehilfe haften kann

Wenn ein Sharehoster für mehrere Wochen untätig bleibt, nachdem er von einer Urheberrechtsverletzung durch einen Nutzer des Dienstes in Kenntnis gesetzt worden ist, dann haftet er nach einer neuen Entscheidung des OLG Hamburg als Gehilfe des Verletzers (OLG Hamburg, Beschluss vom 13.05.2013, Az.: 5 W 41/13).

Das Oberlandesgericht führt dazu aus, dass sich der Sharehoster nicht mehr auf die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG berufen kann, wenn er trotz Kenntnis – und hier offenbar sogar der Zusicherung die Inhalte zu entferen – untätig bleibt, sondern dann nach allgemeinen Grundsätzen haftet. Das bedeutet dann im Ergebnis, dass der Sharehoster auch auf Schadensersatz haftet kann und zudem eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der beim Filehoster handelnden Personen in Betracht kommt.

Im konkreten Fall hat der Senat zwar eine Haftung als Mittäter verneint, aber eine solche wegen Beihilfe bejaht. Das OLG geht insoweit davon aus, dass eine objektive Unterstützungshandlung des Sharehosters vorliegt und zudem auch bedingter Vorsatz, nachdem man nach Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung untätig geblieben ist und die Fortsetzung der Rechtsverletzung damit billigend in Kauf genommen hat.

Die Entscheidung dürfte auch auf gewöhnliche Hoster sowie alle, die fremde Inhalte zur Verfügung stellen oder publizieren, übertragbar sein.

Die Entscheidung wird auch bei Telemedicus besprochen.

posted by Stadler at 11:55  

6.6.13

Wie die Angst vor einer Haftung den Aufbau öffentlicher W-LANs hemmt

Nicht nur große Städte wie Berlin oder München wollen ihren Bürgern und Besuchern gerne an zentralen Plätzen einen kostenlosen Internetzugang anbieten, sondern auch kleinere Kommunen interessieren sich mittlerweile für das Thema.

Gerade heute habe ich mit einem Provider gesprochen, der für eine kleinere Stadt ein W-LAN an einem zentralen öffentlichen Platz schaffen soll. Die Gemeinde will dabei aber nicht als Anbieter auftreten, weil man befürchtet, wegen rechtswidriger Handlungen der Nutzer in Anspruch genommen zu werden. Als Betreiber soll daher der Provider fungieren. Beratungsanfragen dieser Art hatte ich in letzter Zeit mehrere, die Haftungsfrage, insbesondere bei Urheberrechtsverletzungen durch Nutzer des Angebots, stand dabei regelmäßig im Vordergrund. Vermutlich wäre man in Deutschland beim Aufbau öffentlicher und kostenloser W-LANs vielerorts schon deutlich weiter, gäbe es diese Angst vor einer Haftung nicht.

Gestern hatte ich darüber gebloggt, dass der Bundestag, ebenso wie die Bundesregierung, dennoch eine Haftungsbeschränkung für die Betreiber freier öffentlicher W-LANs nicht gesetzlich verankern will. Die Bundesregierung will stattdessen abwarten, bis der BGH entscheidet. Das kann allerdings Jahre dauern. Es ist zudem gerade die problematische und missverständliche Rechtsprechung des BGH, die die Angst vor einer Haftung der Betreiber freier öffentlicher W-LANs nährt. In dieser Situation müsste der Gesetzgeber klarstellend eingreifen, anstatt darauf zu hoffen, dass das höchste Zivilgericht, das zudem maßgeblich für die bestehende Rechtsunsicherheit verantwortlich ist, die Frage schon noch klären wird. Einer Bundesregierung die nicht handelt, obwohl sie dazu in der Lage ist und eine entsprechende Notwendigkeit besteht, fehlt es an Überzeugungskraft.

posted by Stadler at 14:11  

5.6.13

Bundestag will Haftungsbeschränkung für Betreiber offener W-LANs nicht regeln

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Bundestages hat einen Antrag der SPD, der darauf abzielte, Haftungsbeschränkungen für Betreiber offener W-LANs gesetzlich zu regeln, abgelehnt.

Union und FDP haben gegen den Antrag gestimmt, Grüne und Linke enthielten sich, weil ihnen der Antrag der SPD nicht weit genug ging bzw. sie eigene Anträge hatten.

Die Haltung der Regierungsfraktionen ist unverständlich. Nach zutreffender rechtlicher Bewertung müssen Betreiber offener W-LANs denselben Regeln unterliegen wie professionelle Zugangsprovider, also insbesondere der Haftungsprivilegierung des § 8 TMG. Da diese Vorschrift nach der Rechtsprechung des BGH aber nicht für Unterlassungsansprüche gilt, stellt sich insoweit die Frage nach der sog. Störerhaftung, was der Gesetzgeber ebenfalls klarstellend regeln könnte.

Nachdem es immer mehr Bestrebungen gibt, freie und offene W-LANs anzubieten, aktuell beispielsweise in München, existiert auch ein erheblicher Regelungsbedarf, um die bestehende, erhebliche Rechtsunsicherheit zu beseitigen.

Die Bundesregierung und die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit hemmen durch ihre politisch nicht nachvollziehbare Haltung damit einmal mehr eine sinnvolle und notwendige Entwicklung.

posted by Stadler at 22:37  

20.3.13

OLG Düsseldorf: Vodafone muss IP-Adressen nicht zu Auskunftszwecken speichern

Internetzugangsprovider – im konkreten Fall Vodafone – sind nach mehreren Beschlüssen des OLG Düsseldorf vom 07.03.2013 nicht verpflichtet, dynamische IP-Adressen ihrer Kunden zu speichern, um damit die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zu ermöglichen.

Mehrere Rechteinhaber hatten zunächst beim Landgericht Düsseldorf Beschlüsse erwirkt, mit denen die „Sicherung“ von IP-Adressen aus der jeweils laufenden Internetverbindung angeordnet und die Verwendung der gesicherten Daten zum Zweck der Auskunftserteilung gestattet wurde. Dadurch sollten Filesharer ermittelt werden. Diese Beschlüsse hat das Oberlandesgericht Düsseldorf aufgehoben.

Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung ist nach Ansicht des OLG Düsseldorf auf die vorhandenen Daten beschränkt. Eine Pflicht solche Daten zu speichern oder zu sichern, besteht nach Auffassung des Senats nicht.

Die Entscheidugen wurden mitgeteilt von den Kollegen Loschelder, die Vodafone vertreten haben. Im Beck-Blog findet sich hierzu ebenfalls eine ANmerkung.

posted by Stadler at 15:21  

10.8.12

BGH: Providerauskunft in Filesharingfällen auch ohne gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung

Der BGH hat mit Beschluss vom 19. April 2012 (Az.: I ZB 80/11) entschieden, dass Internet-Service-Provider in Fällen des Filesharings auch dann zur Auskunft über die Person des Inhabers eines Internetanschlusses verpflichtet sind, wenn dem betroffenen Kunden keine Urheberrechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß vorgeworfen wird.

In der Pressemitteilung des BGH heißt es zur Begründung:

Der in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung (im Streitfall das offensichtlich unberechtigte Einstellen des Musikstücks in eine Online-Tauschbörse) gegebene Anspruch des Rechtsinhabers aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG auf Auskunft gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat (im Streitfall die Deutsche Telekom AG als Internet-Provider), setzt – so der Bundesgerichtshof – nicht voraus, dass die rechtsverletzende Tätigkeit das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt hat. Aus dem Wortlaut der Bestimmung und der Systematik des Gesetzes ergibt sich eine solche Voraussetzung nicht. Sie widerspräche auch dem Ziel des Gesetzes, Rechtsverletzungen im Internet wirksam zu bekämpfen. Dem Rechtsinhaber, stehen Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz nicht nur gegen einen im gewerblichen Ausmaß handelnden Verletzer, sondern gegen jeden Verletzer zu. Er wäre faktisch schutzlos gestellt, soweit er bei Rechtsverletzungen, die kein gewerbliches Ausmaß aufweisen, keine Auskunft über den Namen und die Anschrift der Verletzer erhielte. In den Fällen, in denen – wie im Streitfall – ein Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG besteht, hat das Gericht dem Dienstleister auf dessen Antrag nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG zu gestatten, die Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte IP-Adressen zugewiesen waren, unter Verwendung von Verkehrsdaten zu erteilen. Ein solcher Antrag setzt – so der Bundesgerichtshof – gleichfalls kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraus, sondern ist unter Abwägung der betroffenen Rechte des Rechtsinhabers, des Auskunftspflichtigen und der Nutzer sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in aller Regel ohne weiteres begründet.

Diese Auslegung des BGH entspricht jedenfalls nicht der Gesetzesbegründung, die eine doppelte Gewerbsmäßigkeit verlangt. Danach muss also sowohl die Rechtsverletzung ein gewerbliches Ausmaß erreichen, als auch der Provider seine Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß erbringen. Zu dieser Frage gab es im Gesetzgebungsverfahren sogar eine Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drs. 16/5048, S. 65), wonach Auskunftsansprüche nur dann vorgesehen seien, wenn die Rechtsverletzung selbst in gewerblichem Ausmaß vorgenommen wird. Diese Auslegung entsprach auch der bisherigen h.M. in Rechtsprechung und Literatur.

Der Bundesgerichtshof ist nicht an die Gesetzesbegründung gebunden, zumal die sog. historische Auslegung nach der juristischen Methodenlehre gegenüber der wörtlichen und der sog. teleologischen Auslegung als nachrangig gilt. Dies bringt er in seiner Entscheidungsbegründung auch deutlich zum Ausdruck.

Gleichwohl zeigt diese rechteinhaberfreundliche Entscheidung, dass der I. Senat dem Gesetzgeber hier die Gefolgschaft verweigert. Andererseits hätte der Gesetzgeber den Wortlaut natürlich auch so fassen können, dass dem BGH die Möglichkeit der abweichenden Auslegung versperrt wird. Es sind also einmal mehr handwerkliche Mängel der Gesetzgebung, die dem BGH eine Auslegung ermöglichen, die ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht gewollt war.

Der BGH nimmt in diesem Beschluss außerdem zur Frage Stellung, ob dynamische IP-Adressen Verkehrsdaten im Sinne von § 3 Nr. 30 TKG sind und bejaht dies unter der Voraussetzung, dass eine Verknüpfung der dynamischen IP-Adresse mit dem Nutzer nur unter Verwendung der jeweils hierzu gespeicherten Verkehrsdaten wie Datum und Uhrzeit der Verbindung möglich ist.

Der BGH begründet anschließend – unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG zur Vorratsdatenspeicherung – dass auch das Fernmeldegeheimnis einer solchen Auskunftserteilung nicht engegensteht.

Leider erläuert der BGH nicht näher, was er sich unter einer offensichtlichen Rechtsverletzung vorstellt, sondern unterstellt lediglich apodiktisch, dass eine offensichtliche Verletzung des Urheberrechts vorliegt. Das Problem, dass der Anschlussinhaber allenfalls in jedem zweiten Fall der tatsächliche Verletzer ist, thematisiert der BGH nicht. Die nach dem Gesetz und auch von Verfassungs wegen durchzuführende Verhältnismäßigkeitsprüfung müsste aber genau bei dieser Frage ansetzen.

Kann man in Bezug auf einen Anschlussinhaber von einer offensichtlichen Rechtsverletzung sprechen, obwohl bei statistischer Betrachtung feststeht, dass im Durchschnitt nur etwa jeder zweite Anschlussinhaber gleichzeitig der Verletzer ist? Oder ist eine Inanspruchnahme des Anschlussinhabers nur dann verhältnismäßig, wenn offensichtlich ist, dass er selbst die Rechtsverletzung begangen hat. Diese Fragen, die durchaus von verfassungsrechtlicher Dimension sind, stellt und beantwortet der BGH nicht.

Der BGH setzt sich deshalb mit einem zentralen Aspekt erst gar nicht auseinander, weshalb mich die Entscheidung des Senats nicht überzeugt.

posted by Stadler at 16:51  

20.7.12

ACTA, CETA und wieder einmal Providerhaftung

Nachdem unlängst Vorwürfe laut wurden, die EU-Kommission wolle das vom Parlament gestoppte ACTA-Abkommen über neue bilaterale Akommen wie CETA – das in Entwurfsfassungen unzweifelhaft inhaltliche Übereinstimmungen mit ACTA aufwies – quasi über die Hintertür Stück für Stück dennoch einführen, war die Kommission bemüht abzuwiegeln und verwies darauf, dass diese Entwurfsfassungen veraltet und überholt seien.

Der kanadische Rechtswissenschaftler Michael Geist erläutert in seinem Blog, weshalb er das Dementi der Kommission nicht für überzeugend hält. Die Kommission will sich nach eigener Aussage für das mit Kanada geplante Abkommen namens CETA nunmehr nämlich inhaltlich stärker an ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Korea anlehnen.

Wenn man sich dann mit diesem Handelsabkommen näher befasst, findet man unter Artikel 10.46 schließlich folgende interessante Passage:

An interlocutory injunction may also be issued against an intermediary ( 69 ) whose services are being used by a third party to infringe copyright, related rights, trademarks or geographical indications.

Die Fußnote 69, auf die dort verwiesen wird, bringt dann etwas mehr Klarheit:

For the purposes of this paragraph, the scope of ‘intermediary’ is determined in each Party’s legislation, but shall include those who deliver or distribute infringing goods, and also where appropriate, include online service providers.

Vermittler in diesem Sinne sind also Lieferanten und Distributoren rechtsverletzender Güter, zu denen auch Internet Service Provider zählen. Diese offene Formulierung umfasst, gerade weil auch auf die bloße „Lieferung“ abgestellt wird, sowohl Zugangs- als auch Hosting-Provider.

Hier tauchen also genau die Elemente wieder auf, die während der ACTA-Verhandlungen auf öffentlichen Druck hin in der endgültigen Fassung gestrichen worden sind. Man muss also kein Verschwörungstheoretiker sein, um daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Kommission an ihrer Idee der Inpflichtnahme von Providern zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen festhält. Netzsperren und Modelle wie Three-Strikes-Out bzw. Hadopi bleiben damit Bestandteil der europäischen Agenda.

 

posted by Stadler at 10:21  

6.7.12

EuGH entscheidet über Netzsperren

Der österreichische OGH hat dem Europäischen Gerichtshof mit Beschluss vom 11.05.2012 (Az.: 4Ob6/12d) eine Reihe von interessanten Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, u.a. zur Zulässigkeit der Anordnung von Netzsperren gegen Zugangsprovider wegen Urheberrechtsverletzungen sowie die Frage, ob privilegierte Privatkopien nur dann zulässig sein können, wenn die Kopiervorlage rechtmäßig ist.

Hintergrund der Vorlage an den EuGH sind Entscheidungen österreichischer Gerichte, durch denen Access-Providern verboten wurde, ihren Kunden Zugang zur – mittlerweile ohnehin geschlossenen – Plattform kino.to zu vermitteln.

Die Vorlagefragen betreffen die Auslegung der sog. InfoSoc-Richtlinie und lauten:

1. Ist Art 8 Abs 3 RL 2001/29/EG (Info-RL) dahin auszulegen, dass eine Person, die ohne Zustimmung des Rechteinhabers Schutzgegenstände im Internet zugänglich macht (Art 3 Abs 2 Info-RL), die Dienste der Access-Provider jener Personen nutzt, die auf diese Schutzgegenstände zugreifen?

2. Wenn Frage 1 verneint wird:

Sind eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch (Art 5 Abs 2 lit b Info-RL) und eine flüchtige und begleitende Vervielfältigung (Art 5 Abs 1 Info-RL) nur dann zulässig, wenn die Vorlage der Vervielfältigung rechtmäßig vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht wurde?

3. Wenn Frage 1 oder Frage 2 bejaht wird und daher gegen den Access-Provider des Nutzers gerichtliche Anordnungen nach Art 8 Abs 3 Info-RL zu erlassen sind:

Ist es mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der danach erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten, vereinbar, einem Access-Provider ganz allgemein (also ohne Anordnung konkreter Maßnahmen) zu verbieten, seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten Website zu ermöglichen, solange dort ausschließlich oder doch weit überwiegend Inhalte ohne Zustimmung der Rechteinhaber zugänglich gemacht werden, wenn der Access-Provider Beugestrafen wegen Verletzung dieses Verbots durch den Nachweis abwenden kann, dass er ohnehin alle zumutbaren Maßnahmen gesetzt hat?

4. Wenn Frage 3 verneint wird:

Ist es mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der danach erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten, vereinbar, einem Access-Provider bestimmte Maßnahmen aufzutragen, um seinen Kunden den Zugang zu einer Website mit einem rechtswidrig zugänglich gemachten Inhalt zu erschweren, wenn diese Maßnahmen einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordern, aber auch ohne besondere technische Kenntnisse leicht umgangen werden können?

Möglicherweise wird sich der EuGH im Rahmen seiner Entscheidung auch mit dem Verhältnis von InfoSoc-Richtlinie und E-Commerce-Richtlinie auseinandersetzen, denn die E-Commerce-Richtlinie enthält speziell für Zugangsprovider weitgehende Haftungserleichterungen. Der EuGH hat hierzu bereits im letzten Jahr entschieden, dass eine richterliche Anordnung gegenüber einem Anbieter von Internetzugangsdiensten zur Einrichtung eines Systems der Filterung der von ihm durchgeleiteten elektronischen Kommunikationen, das unterschiedslos auf alle seine Kunden anwendbar ist, gegen das Unionsrecht verstößt.

Das Verfahren ist beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-314/12 anhängig.

(via e-comm)

posted by Stadler at 22:47  

16.6.12

USA: Haftung von Providern und Informationsmittlern befürchtet

Die Electronic Frontier Foundation (EFF) berichtet über eine Klage des Internet Archives gegen ein neues Gesetz des Staates Washington, durch das die sexuelle Ausbeutung Minderjähriger bekämpft werden soll. Das Internet Archive stört sich vor allen Dingen an folgender Formulierung des Gesetzes:

A person commits the offense of advertising commercial sexual abuse of a minor if he or she knowingly publishes, disseminates, or displays, or causes directly or indirectly, to be published, disseminated, or displayed, any advertisement for a commercial sex act, which is to take place in the state of Washington and that includes the depiction of a minor.

Die Unschärfe der Gesetzesformulierung lässt eine weitreichende Haftung von jedermann möglich erscheinen, der direkt oder indirekt die Veröffentlichung oder die Anzeige von Content verursacht, der sexuellen Kontakt mit Minderjährigen bewirbt. Das Internet Archive befürchtet deshalb, dass gerade Informationsmittler wie Internet-Service-Provider, Internet-Cafes oder Bibliotheken von dem Gesetz betroffen sein werden. Das Internet Archive stützt seine Klage auf amerikanisches Bundesrecht, insbesondere auf die Meinungs- und Informationsfreiheit.

Der Versuch, Informationsmittler und technische Dienstleister für fremde Inhalte verantwortlich zu machen, ist also keineswegs ein deutsches oder europäisches Phänomen.

posted by Stadler at 15:22  
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