Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.12.11

Zweifelhafte Versteigerung von Forderungen aus Filesharing-Abmahnungen

Die Abmahnkanzlei Urmann und Collegen, versteigert – lediglich als Vermittler – offene Forderungen aus Filesharing-Abmahnungen in Höhe von ca. 90 Mio.EUR, wie Heise berichtet.

Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, weshalb die Kanzlei U+C letzte Woche wieder einmal massenhaft gleichlautende Schreiben versandt hat, in denen jeweils zur Zahlung von EUR 1.286,80 aufgefordert worden ist. Betroffen von diesen Schreiben waren Abgemahnte, die das vorherige großzügige Angebot der Abmahner, pauschal EUR 650,- zu bezahlen, abgelehnt hatten. Mit dieser Versandaktion dürfte U+C die Forderungshöhe also um einige Millionen Euro erhöht haben.

Einer der größeren Mandanten von U+C ist die Fa. DigiProtect, eine alte Bekannte im Abmahnbusiness, die früher von der Kanzlei Kornmeier vertreten wurde. U+C mahnt für DigiProtect vorwiegend Pornofilme ab. In anderen Bereichen wird DigiProtect derzeit von der Kanzlei Schalast & Partner vertreten.

Wie das Abmahngeschäft von DigiProtect funktioniert, habe ich früher bereits erläutert.

Wenn das zugrundeliegende Geschäftsmodell bereits ganz allgemein als rechtlich fragwürdig zu qualifizieren ist, so ergibt sich bei der Abmahnung des öffentlichen Zugänglichmachens von Pornofilmen ein zusätzliches Problem. Die mir bekannten Veträge zwischen DigiProtect und den Urhebern/Leistungschutzberechtigten sehen vor, dass DigiProtect nur die ausschließlichen Nutzungsrechte für eine Verwertung in dezentralen Netzwerken (Tauschbörsen) eingeräumt werden.

Ob eine derartige Rechtseinräumung urheberrechtlich allerdings überhaupt möglich ist, erscheint fraglich. Denn ein Zugänglichmachen von Pornofilmen über P2P-Netze ist bereits aus Gründen des Jugendschutzes in Deutschland nicht legal möglich. Damit dürfte aber auch die Rechtseinräumung für eine Nutzungsart, für die es jedenfalls bei Pornos keinen legalen Anwendungsbereich gibt, rechtlich nicht wirksam sein.

Inkassobüros, die sich also mit dem Gedanken tragen, an dem Versteigerungsverfahren von U+C zu beteiligen, müssen sich mit dem Risiko vertraut machen, dass diese Forderungen bereits aus Rechtsgründen nicht bestehen.

posted by Stadler at 21:40  

15 Comments

  1. Es stellt sich auch die Frage, ob diese Forderungen überhaupt bestehen. Da setzt m.E. schließlich voraus, dass die 90 Millionen vom Mandanten an U&C geflossen sind.

    Comment by code — 6.12, 2011 @ 22:43

  2. Diese Forderungen sind doch prima geeignet,um sie zu bündeln, zu Wertpapieren zu machen und sie dann von seriösen deutschen Banken an Rentner verkaufen zu lassen. Ich möchte 10% Provision!

    Comment by heller — 7.12, 2011 @ 00:33

  3. Ist doch eigentlich ne nette Gelegenheit mal son paar Tiere zu kaufen und mal die Grenzen von § 402 BGB auszutesten. Dann irgendwen aus den Daten verklagen, Streit verkünden Prozess verlieren und Gewährleistungsansprüche geltend machen ;)

    Comment by luDa — 7.12, 2011 @ 07:53

  4. Ist hier dem Abmahner hier nicht auch noch Beihilfe zur gewerblichen Verbreitung pornografischer Schriften nach §184 StGB zuzuordnen, da man sich ohne Altersprüfung im Versandhandel die Filme in Umlauf bringt?

    Aus den vielfältigen Abmahnungen ist ja zu schliessen, dass sowohl Abmahnanwalt als Rechtinhaber Kenntnis von dem Versandhandel haben und durch die Einräumung von Nutzungsrechten gegen Zahlung diesen Versandhandel vorsätzlich billigen wollen, ohne die notwendig Altersprüfung vorzunehmen.

    Da dieses Tätermuster ein häufiger anzutreffendes ist im Pornografieumfeld wäre ggf. auch noch zu prüfen, ob hier nicht eine kriminelle Vereinigung von Abmahnanwälten und Rechteverwerter nach §129 StGB vorliegt. Ähnliche Strukturen organisierter Kriminalität soll es im Ruhrgebiet auch geben, da offenbar mit dem rechtskonformen Absatz von Pornografie weniger Umsatz als gewünscht erzielt wird.

    Aber wir werden da wenig Hoffnung bei Friedrich haben, dass die OK oder gar die Nazis ausgehoben werden. Dagegen wird man sich mit aller Kraft der verdachtslosen Vollüberwachung wehren, damit man jeden Widerstand gegen die organisierte Kriminalität sofort im Keine ersticken kann.

    Comment by Jan — 7.12, 2011 @ 09:37

  5. Was wohl die zuständige Rechtsanwaltskammer dazu sagt?

    http://www.rak-nbg.de/de/kontakt/

    Comment by Freddy — 7.12, 2011 @ 10:18

  6. Rechtsanwaltskammer Nürnberg
    Fürther Str. 115
    90429 Nürnberg

    Telefon: 0911/926 33 -0
    Telefax: 0911/926 33 -33
    Email: info@rak-nbg.de

    Comment by Freddy — 7.12, 2011 @ 14:37

  7. Heisst das, von der Mandantschaft der Kanzlei wurden die zu ersteigernden 90 Mio bereits als Gebühr entrichtet und zu ersteigern ist deren Kostenerstattungsanspruch? Oder steckt da auch der mitgeforderte Schadenersatz drin und die Mandantschaft hat sich die Sache bisher erst 45 Mio oder so kosten lassen?

    Comment by Tribble — 7.12, 2011 @ 15:25

  8. Ja frag doch mal bei der Rechtsanwaltskammer Nürnberg an. Die sollte doch wissen, ob so was rechtens ist.

    Comment by Freddy — 7.12, 2011 @ 17:51

  9. x-posting (Kommentar c/p aus’m lawblog)
    -~-~-~-~-~-~-~-~-~-~-~-~-~-~-~-~-~-~-~-~

    Mit Abofallen hatte der Herr übrigens auch schon ‚mal zu tun. Siehe z.B. hier:
    http://pdfcast.org/pdf/urmann-collegen-sparschwein-ag-beispielabmahnung-abofalle-1-2
    http://pdfcast.org/pdf/urmann-collegen-sparschwein-ag-beispielabmahnung-abofalle-2-2

    ———————————————–

    Zum Thema: Um welche „Forderungen“ soll es denn überhaupt gehen? Wir reden doch über die drei folgenden, etwaigen sowie rein theoretischen „Forderungen“, oder!?
    1. Schadensersatz für den Verletzten
    Hierbei muss die ursprünglich vorgeworfene Tat bewiesen/zugegeben sein UND es muss eine nachgewiesene Fahrlässigkeit bzw. ein nachgewiesener Vorsatz vorliegen (Vgl. § 97 UrhG).
    2. Anwaltkosten
    Diese müssen auch tatsächlich angefallen sein. Im Falle von U+C-Abmahnungen steht in den Schreiben (spätestens im 2.), daß sich die Anwaltkosten nach RVG berechnen. D.h., daß der Mandant, also der vermeintliche „Rechteinhaber“ das Honorar des Anwalts bezahlt haben muss. Im Innenverhältnis müssen die Kosten also bereits abgerechnet sein.
    3. Kosten für die sog. ermitelnde „anti-piracy“-Klitsche
    Auch die arbeiten nicht für lau und müssen sehen, daß ihre Buchhaltung i.O. ist. Ich glaube kaum, daß die bis zur Verjährung warten, um für ihre Dienstleistung auch entlohnt zu werden.

    Die genannten 3 Punkte sind sowieso graue Theorie, denn diejenigen die das Thema verfolgen wissen wie es läuft:
    TURN PIRACY INTO PROFIT -> dem Auftraggeber entstehen keine Kosten.

    Persönliche Meinungsäußerung (!) eines „Nicht-Juristen“ gemäß Artikel 5, Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland:: Für mich als Laien stellt der (filesharing)-Abmahnwahn einen gewertbsmäßigen,(bandenmäßigen) Betrug plus Steuerhinterziehung in ganz großem Stil dar. In Betracht der Summen, Größenordnung (international und m.M.n. gesteuert von den Lobbyverbänden/Verwertungsgesellschaften kann man das m.E. ruhigen Gewissens als einen der größten Justizskandale der NAchkriegszeit betrachten!

    ——————————————–

    Im Fall der sog. „Porno-Abmahnungen“ kommt noch ein nicht unwesentlicher Punkt hinzu: Wie kann ein Porno-„Rechteinhaber“ (vermeintlicher Inhaber verwandter Schutzrechte) vom Urheber ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt bekommen, pornographische Werke in dezentralen Netzwerksystemen zu verwerten? Oder anders ausgedrückt: Wieso kann es legal Lizenzen geben, jugendgefährdendes Material zu verbreiten?

    ! Und last but not least: Die Tatsache, daß solche Anwälte bzw. solche „Rechteinhaber“ auch noch massenhaft mit Hilfe deutscher Landgerichte ungeprüft im Durchwinkverfahren Grundrechte von zahllosen Anschlußinhabern (UNGLEICH „Täter“) einschränken, macht den Justizskandal in meinen Augen „perfekt“. Oder ist irgendjemanden mal aufgefallen, daß die Richter der (Auskunft-)Landgerichte § 101 Abs. 10 UrhG berücksichtigt hätten? Mir nicht! § 101 UrhG
    – Anspruch auf Auskunft, Absatz 10:
    (10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

    @ mitlesende Anwälte mit Berufsehre und Eiern:
    Warum seht ihr eigentlich jahrelang tatenlos zu? Warum nutzt ihr nicht eure Möglichkeiten (über die RAK, Studienfreunde die heute Staatsanwälte oder Richter sind… u.s.w.) und helft den Leuten? Warum verschließt ihr die Augen?

    In diesem Sinne, Baxter
    ______________________________
    P.S.: Linksammlung zum Thema „Abmahnwahn“, die das ganze -in meinen Augen betrügerische- Ausmaß im Grunde dem letzten Deppen verdeutlichen sollte: http://pdfcast.org/pdf/bunte-tuete-15-07-2011

    Comment by Baxter — 7.12, 2011 @ 19:44

  10. NACHTRAG:

    Unbestritten ist diese Versteigerung von zweifelhaften „Forderung“ eine ganz krasse Angelegenheit.
    Allerdings ist das „Zusammenspiel“ zwischen Abmahnkanzlei und Inkasso nichts Neues. Die (Abmahn-)Kanzlei schreibt das sogar offen in ihre Verträge. Siehe dazu als Beispiel den sog. „Service Contract“ zwischen der Kanzlei Schutt & Waetke und der sog. anti-piracy“-Firma Excubitor UG (Porno-Ableger der Evidenzia GmbH):

    http://pdfcast.org/pdf/schutt-waetke-baseprotect-service-contract

    Abschließend noch der Witz des Tages -> § 12a BRAO:

    (1) Der Bewerber hat folgenden Eid vor der Rechtsanwaltskammer zu leisten:
    „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren und die Pflichten eines Rechtsanwalts gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“
    (2) Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.

    Wozu gibt es das überhaupt noch? Auch „unsere“ Volksvertreter in Berlin, die zum größten Teil Juristen sind (gefolgt von der Berufsgruppe Lehrer) scheren sich einen Scheiß um die „verfassungsmäßige Ordnung“.
    Kann man man nur hoffen, daß Ärzte ihren Eid ernster nehmen wenn man sich ‚mal im OP wiederfinden sollte…

    In diesem Sinne, Baxter

    Comment by Baxter — 7.12, 2011 @ 20:35

  11. „Geballte Dummheit“, das war das erste was ich dachte als ich die Kommentare zu dem Post gelesen hatte. Als Tip möchte ich sagen, die 90 Mios sind ja wohl kaum die Summe der Gebühren / Kosten, sondern wie es ausschaut die Summe der Hauptforderungen. Alles andere würde ja auch keinen Sinn machen. Mal sehen was die für 100k Datensätze haben wollen.

    mfg
    yb

    Comment by yah bluez — 8.12, 2011 @ 21:00

  12. Als Tip möchte ich sagen, die 90 Mios sind ja wohl kaum die Summe der Gebühren / Kosten, sondern wie es ausschaut die Summe der Hauptforderungen

    Ach nee! Bravo, du scheinst ja anscheinend den „Gag“ jetzt auch kapiert zu haben… Im Abmahner-Fachjargon nennt sich das dann „TURN PIRACY INTO PROFIT“, wobei dem Auftraggeber (= LIzenzgeber) keine Kosten entstehen. Keine Kosten = Keine Forderung.
    Und bzgl. der „100k Datensätze“: Die stammen dann wohl aus einem grundrechteinschränkenden richterlichen Auskunftverfahren (Vgl. § 101 UrhG), bei dem es -zumindest auf dem Papier- gewisse Voraussetzungen zu erfüllen gilt. Tja! Sooooo einfach isses dann doch nun wieder nicht…wir sprechen hier schließlich nicht über irgendein Factoring eines (z.B.) Versandhauses oder über Abzockversuche a la Abofallen oder so…
    Von daher: „Geballte Dummheit“ hatte ich persönlich als erstes beim Lesen der Überschrift gedacht, denn offensichtlicher können sich (filesharing-)Abmahnanwälte m.M.n. kein Eigentor schießen.
    Bleibt zu hoffen, daß es noch mehr kapieren!

    Comment by Baxter — 9.12, 2011 @ 00:59

  13. Vor allem die Anwaltskammern in diesem Land !

    Comment by Freddy — 9.12, 2011 @ 16:39

  14. Ich versteh das nicht:

    „Gesetzeswidrig ist die Abtretung von Arzthonoraren und Rechtsanwaltshonoraren, da diese Personengruppen durch eine Zession gegen ihre Verschwiegenheitspflicht gem. § 203 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB verstoßen; BGHZ 115, 123 = JuS 1992, 153; BGHZ 122, 115 = JuS 1993, 865.“ (http://bgb.jura.uni-hamburg.de/av/fordabtr-sizession.htm)

    Und warum unternimmt keiner was???

    Comment by gerda — 12.12, 2011 @ 15:36

  15. Was ist denn jetzt daraus geworden?

    Comment by Michael — 14.12, 2011 @ 12:40

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