Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

26.8.11

Das BKA und die Hysterie

Daran, dass der Präsident des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke selten sachlich argumentiert, aber dennoch von Teilen der Politik Ernst genommen wird, habe ich mich gewöhnt, ebenso wie an den Umstand, dass Ziercke Bürgerrechtlern Hysterie vorwirft, während er gleichzeitig Ängste schürt.

Dass er flankierend eine gezielte Irreführung betreibt, muss aber immer und immer wieder deutlich angesprochen werden.  Ziercke behauptet nach einem Bericht von Heise-Online zum wiederholten Male, dass man schwerste Straftaten im Internet mit klassischen polizeilichen Ermittlungsmethoden nicht mehr aufklären könne, weshalb es bei schweren Straftaten wie Kinderpornografie oder im Kampf gegen den internationalen Terrorismus möglich sein müsse, auf Verbindungsdaten mindestens sechs Monate zurückzugreifen.

Diese Aussagen sind gleich in mehrfacher hinsicht falsch und stehen z.T. auch in Widerspruch zu eigenen Veröffentlichungen des BKA. Wenn man auf die Polizeiliche Kriminalstatistik – auf deren begrenzte Tauglichkeit ich mehrfach hingewiesen habe – zurückgreift, dann zeigt sich, dass die Aufklärungsquote bei Internetstraftaten nach wie vor über dem Durchschnitt liegt. Davon, dass Internetstraftaten nicht mehr aufklärbar seien, kann also gar keine Rede sein. Außerdem ist selbst das BKA der Ansicht, dass ein Zusammenhang zwischen Aufklärungsquoten und Vorratsdatenspeicherung nicht nachweisbar ist. Auf der Website des BKA kann man hierzu folgendes lesen:

Aufklärungsquoten der PKS können also weder als Argument für noch gegen Mindestspeicherfristen herangezogen werden

Vielleicht sollte Herr Ziercke einfach die Veröffentlichungen seines eigenen Hauses aufmerksamer verfolgen.

Wenn man mit Beamten des BKA spricht – ich hatte im letzten Jahr Gelegenheit dazu – ist im Zusammenhang mit Internkriminalität primär von der Bekämpfung von Betrugsstraftaten die Rede. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn nach der PKS sind mehr als 80 % der Internetdelikte Betrugsfälle. Davon spricht Ziercke allerdings nicht.

Wenn der BKA-Präsident redlich argumentieren würde, so müsste er sagen, dass man mit der Vorratsdatenspeicherung die Hoffnung verbindet, zusätzlich eine gewisse – allerdings eher geringe – Anzahl von Betrugsdelikten aufzuklären. Stattdessen polemisiert er und redet ständig von schwersten Straftaten und von Terrorismus. Denn nur wenn es drastisch genug ist, kann man die Bevölkerung von der Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung überzeugen. Denn wer wird es schon für sinnvoll und angemessen halten, die Telekommunikationsverbindungsdaten sämtlicher Bürger für 6 Monate auf Vorrat zu speichern, wenn damit allenfalls – und selbst dies ist ungewiss – eine Handvoll Betrugsdelikte zusätzlich aufgeklärt werden können. Genau diese Diskussion wäre aber zu führen.

posted by Stadler at 10:42  

13 Comments

  1. Wer den Blödsinn hören will, der hat heute um 19:35 Uhr auf hr-Info Gelegenheit dazu:
    http://bit.ly/pF9GK6

    Comment by Nic — 26.08, 2011 @ 10:57

  2. Auch der Verweis auf Kinderpornografie als „schwerste Straftat“ ist eher zweifelhaft. Hier geht es ja schließlich nicht darum, dass man durch fehlende IP-Daten nicht der Anbieter habhaft werden könnte, sondern dass man an die Konsumenten nicht rankommt.
    Auch wenn das Anschauen von KiPo nichts wirklich schönes ist und ich die Leute, die es tun, zutiefst verachte, so ist es doch ein erheblicher Qualitätssprung, ob ich die Anbieter (die womöglich wirklich selbst Kindesmissbrauch betreiben und das aufnehmen) nicht finden kann (das wären wirklich schwerste Straftaten), sondern ob ich nicht an die Konsumenten nicht rankomme. Wenn das schon eine „schwerste Straftat“ ist, dann ist wohl inzwischen alles über Beleidigung eine „schwerste Straftat“…

    Comment by Bernhard — 26.08, 2011 @ 11:28

  3. Für diejenigen, welche sich mit der Thematik eingehend beschäftigt haben, für die ist sowieso klar, dass Terrorismus, Kindesmissbrauch und Schulmassaker oft nur dazu missbraucht werden um ganz andere Ziele durchzusetzen. Ich meine: das ist offensichtlich!

    Schade ist indes, dass weite Teile der Bevölkerung nicht ausreichend informiert sind und darüber hinaus ihre Informationen aus den gängigen Boulevardmedien beziehen.

    Ich schlussfolgere: Die Manipulateure haben das Wesen der Demokratie besser begriffen als der gemeine Bürger.

    Ich prophezeie: Die Manipulateure werden auch das Internet beherrschen, sobald der gemeine Bürger dort angekommen ist. Und der kommt langsam dort an: Es gibt Menschen, deren IT-Kompetenz ausschließlich auf Facebook und Browserspielen gründet. Dass auch die Manipulateure das Internet zunehmend nutzen werden, zeichnet sich schon jetzt ab. Zum Beispiel Christoph Keese von der Springerpresse: http://www.presseschauder.de/der-igel-und-seine-freunde/

    Comment by Oliver — 26.08, 2011 @ 11:28

  4. Beim Zugangserschwerungsgesetz haben wir gesehen, dass CDU, CSU, SPD und FDP rationalen Erkenntnissen nicht zugänglich waren. Auch damals mühte Ziercke die Kinderpornografie und viele Politiker logen, dass sich die Balken bogen (von der Leyen über Indien, die FDP über ihre Zustimmung zum Gesetz im Bundesrat in den Koalitionen in Bayern und Sachsen, …).
    Das einzige Argument, dass die verstanden, war die Stimmen der Bürger: 150.000 Zeichner der Onlinepetition, die den Dreck löschen wollten, statt nur einen roten Vorhang vorhängen wie Ziercke und UvdL, war für viele ein Schock. Selbst Roland Koch buk kleine Brötchen.

    Die Auseinandersetzung schon wieder mit Ziercke schon wieder über Kinderpornograife lohnt nicht, er wird weiter lügen, er wird weiter die PKS missachten, er wird weiter Argumente an den Haaren herbeiziehen.

    Die einzige Währung die da hilft, ist die Stimme des Souveräns, damit seine Angestellten endlich sachlich werden: 5.467 Zeichner sind es jetzt bei der Online-Petition gegen die VDS.
    https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=sign;petition=17143
    Das hysterische Gegackere nimmt sonst kein Ende.

    Comment by Jan Dark — 26.08, 2011 @ 12:26

  5. EIn Kommentar am Rande:
    Die Verwendung des Begriffes „Kinderporno“ stört mich schon länger. Das eigentliche Thema (wenn es darum wirklich geht) ist doch die gefilmte Vergewaltigung von Kindern – oder auch – wie oben genannt – Kindesmissbrauch, der gefilmt wurde!?
    Pornografie hat in meinem Verständnis immer etwas grundsätzlich freiwilliges, meist mit monetärer Vergütung.
    All dies ist bei den Fällen, die von Politikern gerne genannt werden, nicht gegeben.

    Comment by Kai-Christian — 26.08, 2011 @ 14:54

  6. @Kai-Christian
    Wir haben mindestens zwei Themen. Die Kindervergewaltigungen, also mit körperlichen Kontakt und die Abbilder davon. Die Abbilder von diesen Verbrechen schwirren noch Jahrzehnte nach der Tat durch das Internet (meist kostenlos, anders als die Lügner für die Vollüberwachung halluzinieren). Dort können sie Täter zu körperlichen Verbrechen anfixen. Auch gerade Intensivtäter, von denen es offenbar in einer römischen Religionsgemeinschaft eine Häufung gibt mit bis zu über 200 Opfern. Auch das Zirkulieren lassen der Bilder ist ein schweres Verbrechen (mit und ohne Geld).

    Dem BKA geht es in erster Linie um die Abbilder im Internet. Mit den lokalen Tätern kommen auch die Landespolizeien zurecht (sei es in Thüringen im Sportverein oder bei den Intensivtätern bei den Katholiken). Im Internet aber haben wir dann großräumige, globale organisierte Kriminalität, wo das BKA der bessere Ansprechpartner ist.

    Am Rande: im Internet kann man keine Verbrechen verüben. In den Kabeln und Routern ist es zu eng für straffähige Menschen.

    Erstaunlich bleibt, dass Ziercke sich so lange geweigert hat, den Dreck endlich auch im Ausland auf den Servern löschen zu lassen, womit noch ein Seitenhieb auf die unsinnige Patriot Act Diskussion im Datenschutz fällig ist: Wenn Ziercke mit US-Amtshilfe Kinderpornos aus US-Servern löschen lässt und den Tätern nichts mitteilt (aus Strafverfolgungsgründen) ist der Unterschied so groß nicht, wenn US-Behörden bei US-Firmen auf deutschen Servern bei der Terroristenfahndung reinsieht und dem Dateneigentümer nichts sagt).

    Comment by Jan Dark — 26.08, 2011 @ 15:52

  7. Ich finde es zunächst einmal bemerkenswert, dass sich ein Fachanwalt zutraut, zu komplexen Thematiken wie PKS, Aufklärungsquoten und der Aussagekraft der o.g. BKA-Studie Bewertungen abzugeben.

    Ich möchte gar nicht erst versuchen, Ihnen zu erklären, dass es keinen Widerspruch zwischen der Aussage des BKA-Präsidenten und der Aussage „Aufklärungsquoten der PKS können also weder als Argument für noch gegen Mindestspeicherfristen herangezogen werden.“ gibt.

    Die Hoffnung des BKA, der Polizei und der Justizbehörden ist es auch nicht, durch die VRD insbesondere die Aufklärungsquote der Betrugsdelikte zu steigern.
    Vielmehr sollen Straftaten wie die hier genannten aufgeklärt werden.
    http://bit.ly/q6kTPQ
    Der Grund, warum Ziercke schwere Straftaten als Begründung heranzieht ist nicht etwa, weil er Panik schüren will. Grund ist vielmehr die Auffassung, dass es Straftaten gibt, die aufgrund ihrer Schwere einer größeren Aufmerksamkeit bei der Strafverfolgung bedürfen, als dies eben bei einem „einfachen“ Betrug der Fall ist. Dies drückt sich dann manchmal auch in der Strafandrohung aus.
    Auch die Polizei und die Justiz setzt Schwerpunkte bei der Strafverfolgung. Das sollten auch Sie als Fachanwalt wissen.

    Comment by Demokrat — 26.08, 2011 @ 20:43

  8. @Demokrat

    Heuchelei im BKA

    Bei dem URL http://bit.ly/q6kTPQ muss man aufpassen: der führt in das BKA. Das BKA ist schon einmal dadurch aufgefallen, dass es Zugriffe auf seine Website zum rechtswidrigen Profiling verwendet hat. Wer also sicheren Datenschutz haben möchte, sollte diese Site meiden.

    Zu den Inhalten. bei allen Inhalten ist es so, dass das Internet *zusätzliche* Fahndungsmöglichkeiten bietet. In Österreich hat ein Mann 40 Jahre fortgesetzten Missbrauch berieben. Er ist vo 40 Jahren nicht erwischt worden, er ist vor dreissig Jahren nicht erwischt worden usw. Immer waren Tat und Täter in der Dunkelziffer des BKA in Wien. Seit einiger Zeit gibt es nun zusätzlich die Möglichkeit auich das Internet zur Fahnung haranzuziehen. Das Whistleblwoing im Chatroom war vor 40 jahren nicht möglich. Heute ist man einen Schritt weiter. Vor 40 Jahren gab es keine VDS und die Auklärungsraten waren niedriger. Es ist eine absolute Heuchelei vom BKA, dass dieses zusätzlichen Möglichkeiten die Aufklärungsquote herabsetzen sollte.

    Im Gegenteil: Heute kann sich die Polizei solche Dreistigkeiten wie in Zandvoort an See nicht mehr erlauben, wo man die Polizei mehrfach im Umfeld der Dutreau-Morde zum erkannten tatort zwingen musste, weil man im Internet Fotos von den Tatorten fand, Die deutsche Polizei wies dann zum Täterschutz darauf hin, dass der Besitz von Beweismitteln bei Kinderpornografie verboten sei und man solle sie nicht zur Polizei machen. Seit dr Zeit ermittelt übrigens Tauss in Sachen Kinderpornografie, weil er die Untätigkeit des BKA nicht ertragen konnte.

    Ist die fehlende, verfassungswidrige VDS auch Schuld, dass sich in der katholischen Kirche jahrzehntelang Intensivtäter vor der Strafverfolgung verstecken konnten? Ist die VDS Schuld, dass mein Grossonkel in den 50ern von der Kirche aus Deutschland in Österreich versteckt wurde, als er kleinen Mädchen an die Wäsche ging. Mir mutet das eher so an, als wenn organisiertes Verbrechen hier Intensivtätern ein prächtiges Weidefeld geboten hat. Und wenn ich mir in den USA ansehen, dass dort gegen kanonisches Recht ein Schwein mit über 200 Opfern unbehelligt am FBI vorbei kam und in Preisterornat bneerdigt werden konnte, dann denke ich haben wir schlimmere Probleme als die VDS.

    Und wen ich den Fall in Mayen ansehe, dann bekomme ich das Kotzen, wenn das BKA an der falschen Stelle arbeitet und Kinder fleissig geschändet werden können: Eine Mutter hat einen Sportlehrer angezigt, weil der ihre Zwinllinge sexuell missbraucht haben. Di eKripo beschliesst aber, den Kindern nicht zu glauben und lässt den Sportlehrer zwei Jahre die Kinder weiter schänden. Dann findet ein Reporter (nicht etwa ein Kriminalpolizist, der seine Arbeit ernst nehmen würde) im Internet die Filme von dem Sportlehrerschwein und die Mutter muss im Fernsehen sehen, wie ihre Knaben sexuell missbraucht werden, weil die Kripo trotz Strafanzeige untätig war. Wenn ich dann noch das BKA höre, dass so was mit VDS nicht passieren würde, kann ich gar nicht mehr aufhören zu kotzen.
    http://www.welt.de/vermischtes/article4315712/Mutter-will-Kinder-bei-Missbrauch-erkannt-haben.html

    Bei sexuellem, Missbrauch jahrzehntelang trotz Kenntniss untätig, aber dann den sexuellen Missbrauch vorschieben, um die Bürger zu lauschen ist nur noch widerlich. Ich kann nur jedem raten, diesen „Herren“ nicht zu glauben udn die Petition gegen die VDS zu zeichnen, damit hier endlich Law and Order herrscht. 6.071 Unterschriften:
    https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=sign;petition=17143

    Das BKA wird erst mal eine lange Zeit der Bewährung vor sich haben, bevor es neue scharfe Waffen bekommt: Ich darf daran erinnern, dass es der Präsident des BKAs war, der mit seiner wahnhaften „Sozialhygiene“ der Grund war, warum wir den Datenschutz bekamen, der aber in der Organsiation des Amtes so schlampig war, das Hans-Martin Schleyer ermordet wurde, weil einfach der Meldeweg nicht durchorganisiert war. Primitivste Polizeiarbeit schlampig gemacht, die zum Tode von Menschen führt, aber großes Schwätzen über die Möglichkeiten von Computern.

    Comment by Jan Dark — 26.08, 2011 @ 21:39

  9. Leider ist nur (interne) Studie des BKA erwähnt worden. In diesem März hat Wissenschaftliche Dienst des Bundestages eine eigene, europaweite Studie zur Vorratsdatenspeicherung erstellt (http://www.internet-law.de/2011/08/das-bka-und-die-hysterie.html) – mit dem Fazit:

    „In den meisten Ländern kam es in den Jahren 2005 bis 2010 zu keinen signifikanten Änderungen der Aufklärungsquote. Lediglich in Lettland ist die Aufklärungsquote zwischen 2006 und 2007 erheblich angestiegen, was allerdings mit der Einführung eines neuen „Criminal Procedure Law“ zusammenhängt und nicht auf die Umsetzung der EU Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zurückgeführt wird.“

    Comment by Laberlohe — 27.08, 2011 @ 00:28

  10. Leider kann man sich auch nicht bei der Behörde beschweren, die dem BKA untergeordnet ist, denn das ist das Bundesministerium des Inneren und das wiederum wird geleitet von Hans-Peter Friedrich.

    Comment by Thomas Bilk — 27.08, 2011 @ 08:26

  11. Naja, zu Zierckes Verteidigung: Der ist auch nur der arme Willi, der den Bockmist vortragen darf, den die Spezialspezialisten im Ministerium sich ausgedacht haben. Ich hatte auch Gelegenheit, mit Mitarbeitern des BKA zu reden und das läuft wohl so, dass der Sprecher den fertigen Zettel hingelegt bekommt und das darf er dann vorlesen. Ob der davon Ahnung hat, spielt eigentlich keine weitere Rolle und „mehr Kompetenz würde in dem Job auch nur stören“ (sic!).

    Comment by Oliver — 27.08, 2011 @ 09:09

  12. Erschreckend, welche haarsträubenden „Argumente“ hier von einigen Kommentatoren herangezogen werden.
    Ein krudes Mash-Up aus Vermutungen, Unterstellungen, Gerüchten, Halbwissen und Ignoranz von Fakten.

    Comment by Demokrat — 28.08, 2011 @ 19:51

  13. Das fehlte noch für Unerschrockene:
    http://www.daten-speicherung.de/index.php/bka-kann-missbrauchsdarstellungen-auch-ohne-vorratsdatenspeicherung-verfolgen/

    Comment by Jan Dark — 28.08, 2011 @ 23:01

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