Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

12.5.11

Wie drastisch will eigentlich Leutheusser-Schnarrenberger das Netz regulieren?

In einem insgesamt eher diffusen Interview mit DRadio Wissen spricht sich Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger für das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverlage aus und erklärt, dass man die Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet regeln wolle.

Auf die Nachfrage, ob damit nicht auch das Zitieren unmöglich gemacht werde, sagte die Ministerin, es würde um Verlinkung und auch um das Zitieren gehen. Und anschließend betonte sie noch, dass u.a. Suchmaschinen die Zielrichtung seien.

Ich hoffe, dass sie sich darüber im Klaren ist, was sie da sagt. Ein derartig regulierender Eingriff in die Verlinkung auf allgemein zugängliche Quellen rüttelt an den Grundfesten des Web und beeinträchtigt die Informationsfreiheit empfindlich. Wer bei der bloßen Verlinkung oder der Weiterverbreitung von Informationen schon damit rechnen muss, als Urheberrechtsverletzer in Anspruch genommen zu werden, wird im Zweifel davon Abstand nehmen Links zu setzen und kurze Nachrichten zu posten. Das betrifft gerade auch Blogger und Nutzer von sozialen Medien. Faktisch wäre damit ein schwerwiegenderer Eingriff in die Kommunikationsgrundrechte verbunden, als er beispielsweise von Netzsperren ausgeht.

Wenn selbst die Deutsche Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), die nicht im Verdacht steht, sich gegen die Interessen von Rechteinhabern und Urhebern zu engagieren, befürchtet, dass mit einem solchen Leistungsschutzrecht zugunsten der Verlage ein Schutz der Sprache und der Information selbst begründet wird, sollte das zu Denken geben.

Der protektionistische Regulierungsansatz wie ihn die Justizministerin propagiert, läuft meiner Vorstellung von liberaler Politik diametral zuwider. Diese Form der Klientelpolitik ist nämlich gegen die Allgemeinheit und gegen die Freiheit gerichtet.

Update vom 18.05.2011:
Der Kollege Dr. Ruttig gelangt in einem lesenswerten Beitrag für die Legal Tribune Online zu einer ähnlichen rechtlichen Einschätzung.

Der Kollege weist zu Recht darauf hin, dass der Gesetzgeber zur Umsetzung dieses Vorhabens die Rechtsprechung (u.a. „Paperboy“ und „Vorschaubilder“) korrigieren müsste und zwar zunächst zugunsten aller Rechteinhaber, mit dann allerdings weitreichenden Folgen für die Funktionsweise des Internet insgesamt.

Der Hyperlink stellt nämlich nach geltendem Recht keine urheberrechtlich relevante Nutzung dar. Um dies zu ändern, müsste der Gesetzgeber zuerst in das System der Verwertungsrechte (§§ 15 ff. UrhG) eingreifen. Konkret müsste er wohl § 15 Abs. 2 UrhG um ein Recht auf Verlinkung ergänzen und flankierend z.B. einen § 19b schaffen.

Das hätte allerdings zur Konsequenz, dass zunächst der Urheber bestimmen kann, ob auf sein Werk (auf seinen Text) verlinkt wird oder nicht.  Jede Verlinkung auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk würde dann zunächst eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Hiervon müsste der Gesetzgeber anschließend durch Schaffung einer vergütungspflichtigen gesetzliche Lizenz wieder eine Ausnahme vorsehen.

Man darf also gespannt sein, wie der Gesetzesentwurf des BMJ diese Probleme in den Griff bekommen will, ohne die grundsätzliche Freiheit, Links zu setzen, zu beeinträchtigen.

posted by Stadler at 21:33  

6 Comments

  1. Ich habe mein Vertrauen in die Politik längst verloren, wenn es um Grundrechte geht. Bestes Beispiel Vorratsdatenspeicherung. Da wird aus Angst vor Sanktionen aus Brüssel, die der AEUV vorsieht, ein Gesetz beschlossen. Der Grundrechtecharta lässt man schnell mal links liegen. Hauptsache pflichterfüllend eine Richtlinie umsetzen, bei der sich rausstellen wird, dass sie rechtswidrig ist. Zwischenzeitig greift man aber so nebenbei in die Grundrechte aller Bürger ein.

    Comment by Martina — 13.05, 2011 @ 07:25

  2. Naja, ich sehe das pragmatisch. Denn, was wird passieren? Google verdient mit news.google.com (noch) kein Geld. Es wäre also kein großer Verlust die Seite offline zu nehmen. Und auch aus den Suchergebnissen kann man die Verlage raus nehmen. Wichtig ist auch zu wissen, das gut 20% oder mehr Besuche inzwischen von verlinkungen aus sozialen Netzwerken kommen. Ich selbst verlinke da oft und gern zu interessanten Artikeln. Aber wenn das LSR kommt, wird man darauf halt verzichten. Ist kein Beinbruch. Ich denke also, das sich die Verlage damit selbst ins Knie schießen. Das Problem ist nur, das sie vermutlich wieder mal nicht verstehen werden, dass sie es selbst waren, der ihnen die Besucher weg nimmt.

    Comment by Alex E. — 13.05, 2011 @ 10:51

  3. Ich bin da immer noch der radikalen Ansicht: wenn sie nicht nach „unseren“ Regeln spielen wollen, sollen sie das Netz halt wieder verlassen. Niemand würde die Verlage vermissen, wenn sie das Netz wieder verlassen. Es braucht kein neues Leistungsschutzrecht. Entweder ich will meine Inhalte vom Kunden bezahlt haben: dann gibt es dafür technische Lösungen. Oder ich suche mir eine andere Form der Finanzierung (Werbung z.B.). Ein zusätzliches Leistungsschutzrecht und eine Privatpresse-GEZ braucht es da wirklich nicht. Wenn den Verlagen diese Spielregeln nicht gefallen, können sie ja eigene Protokolle entwickeln oder halt das Netz verlassen. Niemand zwingt sie Inhalte frei zugänglich per HTTP auszuliefern.

    Comment by Kommentator — 13.05, 2011 @ 23:26

  4. Ich denke also, das sich die Verlage damit selbst ins Knie schießen.

    Es braucht kein neues Leistungsschutzrecht.

    Absolut d’accord! Im Grunde ist doch damit auch alles bereits gesagt…oder!?

    Als kleine Ergänzung möchte ich aber gerne noch schnell auf einen (mittlerweile bereits oft verlinkten) Artikel von heise-online aus dem Jahre 2006 (!) hinweisen. Titel: „Vint Cerf und die Zukunft des Internet„.
    Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Vint-Cerf-und-die-Zukunft-des-Internet-167296.html
    Für diejenigen, die es evtl. nicht wissen sollten ganz kurz: Vint Cerf gilt als „Vater des Internets“ und ist -neben zahlreichen weiteren Tätigkeiten- „Chief Internet Evangelist“ bei dem Konzern Google Inc., U.S.A. Folgendes sei aus dem Artikel zitiert:
    „Nach Cerfs Ansicht wird es zukünftig vier koexistierende Geschäftsmodelle geben:
    1. Free (Anm.: für umme)
    2. Pay per View (Anm.: Bezahlen pro Betrachtung)
    3. Subscription (Anm.: Abo)
    4. Sponsored Services. (Anm.: fremdfinanzierte Dienste))“
    Wie gesagt: Der Artikel stammt aus dem Jahre 2006. Die Frage, was die all die Jahre eigentlich sinnvolles(!) gemacht haben (außer z.B. Gesetzestexte auf das Übelste rechts-zu-verdrehen oder Kinderzimmer mit schwachsinnigen sog. „anti-piracy“-Maßnahmen zu kriminalisieren) stelle ich erst gar nicht sondern zitiere abschließend noch ‚mal Alex E. (#1):

    Das Problem ist nur, das sie vermutlich wieder mal nicht verstehen werden, dass sie es selbst waren, der ihnen die Besucher weg nimmt.

    Jau! Dabei könnte es im Grunde soooo einfach sein!
    In diesem Sinne, Baxter
    _____________________
    P.S.: Die Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist m.M.n. leider auch nur noch eine Marionette von vielen im Ensemble der Berliner Muppet Show, die zudem auch noch ganz offensichtlich an ihrer (Verständnis-)Grenze angekommen zu sein scheint. Das Interview zeigt mir persönlich nämlich, daß sie scheinbar gar keine Ahnung hat worüber sie da überhaupt spricht – geschweige denn daß sie darüber überhaupt vorher erst ‚mal ernsthaft nachgedacht hätte. Die Lobbyisten-Gruppe der Medienbranche scheint also bei ihr erfolgreich gewesen zu sein. Ist aber nichts Neues, denn man konnte das m.E. bereits anhand „ihrer“ Schnapsidee namens „Quick Freeze“ erleben/erkennen…

    Comment by Baxter — 14.05, 2011 @ 00:41

  5. Ich finde es sollte ein neues Veröffentlichungsschutzrecht geben, welches ganz klar regelt, dass Inhalte, die man ohne Zugangseinschränkung ins Internet, oder die neudeutsche Public Domain stellt, automatisch zum Eigentum der Allgemeinheit werden und somit frei und ohne Einschränkung, kopiert, verändert und wiederveröffentlicht werden können.

    Wer den Zugang zu seinen Leistungen schützen will, der solle doch bitte in geschlossenen Medien damit arbeiten und auch die Qualität liefern, für die der geneigte Nutzer auch bezahlen möchte.

    Was dort vorgeschlagen wird ist so absurd, als hätte man zu Zeiten des Buchdrucks vorgeschlagen Wälder zu verbieten, weil man daraus Papier machen kann…

    Comment by Renegade — 14.05, 2011 @ 11:29

  6. Die FDP macht schon länger kaum mehr liberale Politik sondern hauptsächlich Klientelpolitik. Insofern ist das nicht besonders überraschend.

    Nichtsdestotrotz schade, zu sehen, dass selbst Altliberale wie Leutheusser-Schnarrenberger immer mehr auf Kurs gebracht werden.

    Comment by AndreasM — 16.05, 2011 @ 09:28

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