Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.10.10

Über die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften

Eine Reihe von medienwirksamen Strafprozessen (Kachelmann, Tauss, Benaissa) der letzten Zeit sind von einer durchaus diskussionswürdigen Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften und Polizei begleitet worden. Henning Ernst Müller greift dieses Thema im Rahmen eines äußerst lesenswerten Beitrags für das Beck-Blog auf und weist u.a. darauf hin, dass sich die staatsanwaltliche Öffentlichkeitsarbeit im Ermittlungsverfahren auf keine oder eine nur ganz unzureichende Rechtsgrundlage stützen kann, weil das Ermittlungsverfahren nach dem Konzept des Gesetzgebers als nicht-öffentlich ausgestaltet ist. Neben der Gefahr einer öffentlichen Vorverurteilung, kommt es hier z.T. zu Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht der Beschuldigten, für die die öffentliche Gewalt, zu der die Staatsanwaltschaft zu rechnen ist, zumindest einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Und genau die fehlt.

posted by Stadler at 21:52  

6.10.10

Gilt die Preisbindung für Arzneimittel auch für ausländische Online-Apotheken?

Der BGH hat dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für im Wege des Versandhandels nach Deutschland eingeführte Arzneimittel gilt (Beschl. v. 09.09.2010, Az.: I ZR 72/08).

Eine deutsche Apotheke hatte eine  in  den  Niederlanden  ansässige  Apotheke verklagt, die über das Internet  eine Versandapotheke betreibt und hierüber Medikamente in deutscher Sprache unter Angabe ihrer deutschen Bezeichnung anbietet. Die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel erfolgt gegen Einsendung des Originalrezepts.

Der  Senat  ist zwar der Ansicht, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für im Wege des Versandhandels nach Deutschland eingeführte Arzneimittel gilt. Da das Bundessozialgericht aber gegenteilig entscheiden hat (BSGE 101, 161 Rn. 23 ff.), legt der BGH die Frage dem gemeinsamen Senat vor.

posted by Stadler at 11:03  

5.10.10

Die Musikindustrie und das Milchmädchen

Telemedicus hat ein durchaus instruktives Interview mit Dr. Florian Drücke, dem Justitiar des Bundesverbands Musikindustrie zur Krise seiner Branche und den angeblich großen Umsatzeinbußen, die durch das Filesharing verursacht werden, geführt.

Die Musikbranche beglückt uns seit vielen Jahren mit den immergleichen Milchmädchenrechnungen. Das war bislang aber zumindest ausreichend, um die Politik von der vermeintlichen Notwendigkeit immer neuer urheberrechtlicher Sonderregelungen zugunsten der Musik- und Filmindustrie zu überzeugen.

Das Interview bei Telemedicus ruft mir eine kleine Diskussion ins Gedächtnis, die ich mit Herrn Drücke vor einigen Monaten auf dem LAWCamp in Frankfurt zum selben Thema geführt habe. Drücke hat, wie auch gegenüber Telemedicus, darauf hingewiesen, dass die Zahl der illegalen Downloads seit 2003 rückläufig sei, was er u.a. auf die konsequente Rechtedurchsetzung durch die Mitglieder des Verbandes zurückführt. Als Herr Drücke in Frankfurt gleichzeitig darauf hinwies, dass die Umsätze der Musikindustrie im gleichen Zeitraum weiterhin spürbar rückläufig waren, habe ich mir den Hinweis gestattet, dass ich seine Ausführungen für widersprüchlich halte.

Wenn das Filesharing tatsächlich maßgeblich für die Umsatzverluste der Musikindustrie verantwortlich wäre, dann müsste eine Eindämmung des Filesharings einen Umsatzzuwachs in der Musikbranche bewirken. Da dies aber, wenn man den Zeitraum seit 2003 betrachtet, ofensichtlich nicht der Fall war, kann die Schlussfolgerung nur lauten, dass die Zusammenhänge andere sein müssen. Auf diesen Einwand hin, hat Drücke nur geantwortet, dass man das nicht so monokausal – scheint ein Lieblingswort von ihm zu sein – betrachten dürfe.

Einige unsortierte Thesen von mir zum Thema:

1. Die Musikindustrie verfolgt kein konsequentes Konzept der Verteidigung ihrer Rechte. Bei praktisch allen aktuellen Abmahnungen die sich gegen Filesharer richten, werden immer nur dieselben einzelnen Musiktitel abgemahnt, die in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auf den immergleichen Samplern (Bravo Hits, The Dome, German Top 100) enthalten sind. Die massenhafte Abmahnung von nur einer Handvoll Einzeltiteln deckt nur ein kleines Spektrum ab und ist damit nicht geeignet, die Rechte in der Breite zu verteidigen.  Dieses Vorgehen hat lediglich zur Entstehung einer neuen Abmahnindustrie geführt, die der Musikbranche selbst insgesamt mehr schadet als nützt.

2. Wenn man nach den Gründen für den Umsatzeinbruch der Musikindustrie fragt, sollte man berücksichtigen, dass das Ende des CD-Booms Mitte der neunziger Jahre eher zufällig zeitlich mit dem Aufstieg des WWW einherging. Aus dieser zufälligen zeitlichen Koinzidenz sind falsche Schlussfolgerungen gezogen worden. Denn einer der Hauptgründe für den Ende der achtziger Jahre einsetzenden CD-Boom bestand darin, dass man einem kaufkräftigen Publikum die Platten die es schon auf Vinyl hatte erneut als CD verkauft hat. Nachdem irgendwann auch der Letzte seine Pink Floyd Alben nochmals auf CD erworben hatte, musste diese Entwicklung zwangsläufig ihr Ende finden. Die Musibranche hätte deshalb auch ohne das Internet Ende der neunziger Jahre einen erheblichen Umsatzeinbruch erlebt.

3. Der Musikindustrie ist es im Laufe der Zeit immer weniger gelungen, interessante neue Musik zu ihrem Publikum zu bringen. Ich höre in Gesprächen mit Menschen meiner Generation immer wieder die Aussage: „Ich würde ja neue Platten kaufen, aber es gibt keine guten neuen Bands mehr“.  Die Branche hat also ein Vermittlungsproblem.

4. Gerade bei Jugendlichen ist im Vergleich zu den achziger Jahren ein stark verändertes Konsumverhalten festzustellen. Dies führt dazu, dass einfach weniger Geld für Musik ausgegeben wird.

5. Die Musikindustrie hat das Filesharing selbst groß gemacht, weil sie es um die Jahrtausendwende herum verabsäumt hat, dem zahlungswilligen Kunden zu sagen, wohin er das Geld für seinen Download überweisen kann. Die Musikindustrie hat stattdessen jahrelang nur gejammert, bis Apple 2004 mit iTunes kam und aufgezeigt hat, wie man im Internet mit Musik Geld verdienen kann.

6. Der Rückgang der „illegalen Downloads“ seit 2004 ist nicht die Folge des Kampfs der Industrie gegen das Filesharing, sondern primär ein Resultat des Aufkommens von Online-Stores wie iTunes, bei denen man erstmals auch legal Musik downloaden konnte.

7. Musik ist im Internet immer noch zu teuer. Als iTunes mit seinem Preiskonzept von 99 Cent pro Song und 9,99 EUR pro Album an den Start ging, war das der Industrie zu wenig. Aber warum nicht sogar nur 49 Cent bzw. 4,99 EUR verlangen? Der Online-Vertrieb von Musik ist deutlich billiger als der Vertrieb von physikalischen Tonträgern, weshalb man Musik online deutlich günstiger anbieten könnte. Und die Musikindustrie würde sich wundern, wie eine derartige Preispolitik den Umsatz ankurbeln würde.

8. Die Musikindustrie, wie wir sie kennen, wird es in Zukunft zunehmend schwerer haben. Der Grund dafür ist nicht so sehr das Filesharing, als vielmehr der Umstand, dass der Künstler nicht mehr zwingend auf eine Plattenfirma als Mittler angewiesen ist, weil ihm das Internet ermöglicht, seine Musik selbst zu vertreiben.

9. Neue urheberrechtliche Regelungen, wie der zivilrechtliche Auskunftsanspruch gegen Provider oder das Verbot der Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen, die zugunsten der Musikindustrie geschaffen wurden, haben der Industrie nicht aus der Krise helfen können. Sie haben nur dazu geführt, dass künstlich neue Branchenzweige (Anti-Piracy-Unternehmen) entstehen konnten, die ihrerseits in rechtlich fragwürdiger Weise agieren. An dieser Stelle sind die negativen Auswüchse des Lobbyismus deutlich sichtbar, sie werden aber von der Politik noch ignoriert.

posted by Stadler at 22:31  

4.10.10

Datenhändler Staat

Das ZDF-Magazins WISO berichtet darüber, dass Einwohnermeldeämter die Meldedaten ihrer Bürger an Firmen weitergeben und damit auch noch Geld verdienen.  Was der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar als Skandal bezeichnet, ist leider in einigen Bundesländern völlig legal. Hierauf hatte ich unlängst bereits hingewiesen.

Beispielsweise nach den Vorschriften des bayerischen (Art. 32 Abs. 3 MeldeG) oder baden-württembergischen (§ 34 Abs. 3 MG) Melderechts sind die Gemeinden nämlich berechtigt, Meldedaten volljähriger Bürger an Adressbuchverlage zu übermitteln. Die Bürger müssen dem ausdrücklich widersprechen, wenn sie das verhindern wollen. Das Melderecht anderer Bundesländer verlangt zumindest eine Einwilligung des betroffenen Bürgers.

Der eigentliche Skandal besteht also in solchen gesetzlichen Regelungen, die ein Zugeständnis gegenüber den Lobbyisten der Adresshändler darstellen.

posted by Stadler at 21:26  

3.10.10

Filesharing: Haften Gastwirte für offenes W-LAN?

Wie gulli.com berichtet, stellt die Cafe-Kette Woyton ihren Service eines Internetzugangs für die Gäste über ein offenes W-LAN nunmehr ein. Der Grund: Die Cafe-Betreiber haben mehrfach Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen durch Gäste erhalten.

Die massenhaften Abmahnungen der Rechtsanwälte, Rasch, Waldorf, Kornmeier, Nümann & Lang u.a. treffen in der Tat nicht nur die Inhaber privater Internetzugänge, sondern immer wieder auch Gastwirte und Hoteliers, die ihren Gästen den Internetzugang als Service anbieten.

Die fragwürdige BGH-Entscheidung zur Haftung des Betreibers offener W-LANs ist aber auf diese Fälle nicht ohne weiteres zu übertragen. Es wäre vorschnell aus dieser Entscheidung auch eine (Störer-)Haftung von Gastwirten abzuleiten. Der BGH hat die Tür für eine abweichende Beurteilung dieser Fälle ausdrücklich offen gelassen und deutet an, dass er im Falle der Gefährdung eines legitimen Geschäftsmodells geneigt ist, anders zu entscheiden. Es wäre daher durchaus interessant, wenn die Thematik in dieser Konstellation oder auch mit der Frage der Störerhaftung für Mitbewohner oder Familienangehörige nochmals vor den BGH gebracht würde. Zumal dem I. Senat Gelegenheit gegeben werden sollte, seine dogmatisch falsche Entscheidung zu korrigieren.

posted by Stadler at 20:13  
« Vorherige Seite