Braucht der Internetprotest professionellere Strukturen?
Falk Lüke schreibt in der taz, dass die digitale Zivilgesellschaft vor allem aus Feierabendakteuren besteht und es deshalb notwendig sei feste Strukturen zu schaffen, ähnlich wie bei Greenpeace.
Aber ist das wirklich der richtige Ansatz? Waren die Arbeitskreise gegen Vorratsdatenspeicherung einerseits und gegen Internet-Sperren und Zensur andererseits nicht gerade deshalb so erfolgreich, weil es an festen Strukturen fehlt und man netztypisch flexibel agieren konnte? Brauchen wir also wirklich feste Strukturen, die sich an der alten deutschen Vereinsmeierei orientieren?
Greenpeace ist großartig, aber es kann und wird kein Vorbild für den Netzaktivismus sein. Der schnell anschwellende Protest gegen ACTA hat gerade erst gezeigt, dass die Mechanismen im Netz andere sind und sich die Dynamik aus vielen unterschiedlichen Quellen speist. Es ist eher das Prinzip des Schwarms, wie es beispielsweise Wikipedia verkörpert, und es sind weniger einzelne Vereine und Organisationen, die den Onlineprotest vorantreiben.
Die aus dem Internet kommende Bürgerrechtsbewegung sollte in dem Wunsch nach Professionalisierung nicht den Fehler machen, sich zu stark an klassische lobbyistische Strukturen anzulehnen, sondern muss vielmehr den bisherigen Weg der losen und sich spontan ändernden Bündnisse weitergehen, damit ihr die Graswurzeldynamik, die sie bislang auszeichnete, nicht verloren geht.
Denn es ist genau das, wovor die Politik Angst hat, weil sie die Mechanismen nicht versteht und glaubt es mit einem gesichtlosen und unbekannten Gegner zu tun zu haben. Der Onlineprotest muss deshalb versuchen, seine Stärken beibehalten. Wer zu sehr auf klassische, vermeintlich professionellere Strukturen setzt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er damit versucht, den Gegner mit dessen Mitteln zu schlagen, was zugleich bedeutet, die eigenen, ungleich effektiveren Mittel aus der Hand zu geben.
Feierabendakteure sind für den Onlineprotest daher wichtiger als professionelle Lobbyisten, wenn man einen Protest der Bürger und Nutzer organisieren will und sich nicht darauf verlassen möchte, dass irgendwelche Verbände und Gruppierungen schon unsere Interessen vertreten werden. Wir sind bisher besser damit gefahren, es selbst zu machen.