Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

24.10.14

Filesharing: In München ticken die Uhren weiterhin anders

Nach der BearShare-Entscheidung des BGH haben einige Gerichte ihre Rechtsprechung in den Fällen, in denen neben dem Anschlussinhaber noch weitere Familienmitglieder den Internetanschluss benutzen, geändert und weisen die Klagen der Rechteinhaber in solchen Fällen mittlerweile ab. Über eine solche Entscheidung hatte ich kürzlich berichtet.

In München, der Hochburg der Filesharing-Verfahren, ticken die Uhren aber weiterhin anders. Das Landgericht München I und auch das Amtsgericht halten an ihrer alten Linie fest. Das lässt sich relativ gut an einer aktuellen Entscheidung des LG München I nachvollziehen (Urteil vom 09.07.2014, Az.: 21 S 26548/13), entspricht aber auch der aktuellen Linie des Amtsgerichts München (Stand: Oktober).

Im konkreten Fall hat das Landgericht München I den Vortrag des Anschlussinhabers, sein Sohn und seine Lebensgefährtin seien im maßgeblichen Zeitpunkt ebenfalls zuhause gewesen und hätten die Möglichkeit gehabt über seinen Anschluss auf das Internet zuzugreifen, als nicht ausreichend bewertet. Die dafür gegebene Begründung ist allerdings bemerkenswert. Das Landgericht führt folgendes aus:

Damit ist zwar nach der BearShare-Entscheidung (Randziffer 15) die tatsächliche Vermutung entkräftet. Den Beklagten trifft jedoch die sekundäre Darlegungslast. Dieser hat er mit seinem pauschalen Vorbringen der Zugriffmöglichkeit von Lebensgefährtin und Sohn nicht genügt. Es fehlen tatzeitbezogenem konkrete Angaben (…)

Diese Begründung ist bereits im Ansatz verfehlt und verkennt den Zusammenhang zwischen der Rechtsprechungsvermutung und der sekundären Darlegungslast. In der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ führt der BGH hierzu aus:

Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zu­geteilt ist, so spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen.

Das bedeutet, dass die sekundäre Darlegunglast überhaupt erst aus der vom BGH postulierten tatsächlichen Vermutung folgt. Wenn bereits die tatsächliche Vermutung entkräftet ist, stellt sich die Frage nach der sekundären Darlegungslast überhaupt nicht mehr. Die Ausführungen des Landgericht München I sind in rechtlicher Hinsicht folglich inkonsistent.

Das Landgericht München I lässt allerdings auch offen, welche tatzeitbezogenen Angaben der Anschlussinhaber machen muss bzw. was ihm insoweit zumutbar ist. Diesbezüglich muss man sich auch immer vor Augen halten, dass der Anschlussinhaber nach der Rechtsprechung des BGH gerade nicht verpflichtet ist, das Internetnutzungsverhalten seiner nächsten Angehörigen zu überwachen. Wenn er dazu aber nicht verpflichtet ist, kann er im Nachhinein auch nicht herausfinden, wer die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Er kann lediglich vortragen, wer außer ihm in seinem Haushalt lebt und, dass diese Personen berechtigt sind, seinen Anschluss mitzubenutzen. Die Frage, ob sie im fraglichen Zeitpunkt das Internet tatsächlich benutzt und evtl. sogar die Rechtsverletzung begangen haben, kann er auch durch Nachforschung nicht klären. Seine Nachforschungsmöglichkeit beschränkt sich darauf, seine Angehörigen zu befragen, nachdem die Abmahnung gekommen ist. Mehr ist ihm weder möglich noch zumutbar.

Die Münchener Gerichte verweigern dem BGH die Gefolgschaft.

posted by Stadler at 15:31  

24 Comments

  1. Da kann man ja froh sein, dass der fliegende Gerichtsstand fürs Filesharing inzwischen abgeschafft ist.

    Comment by Stefan — 24.10, 2014 @ 15:46

  2. Schlimm, wie manche Richter glauben, sie müssten sich nicht an BGH-Entscheidungen halten. Aber nachdem das eine Berufungsentscheidung war, hat das AG München es zumindest richtig gemacht.

    Comment by SoWhy — 24.10, 2014 @ 15:46

  3. Gerade in Bayern (grüß Gott) sollte es klar sein, daß es immer der heilige Geist war.

    Amen

    Comment by Eckhard — 24.10, 2014 @ 16:50

  4. Warum wird bei solchen Verhandlungen ein „aktives Internetnutzen / ins Internet gehen) angenommen?
    Seit Tablet, Smartphone, Internet of everything ist es gar nicht erforderlich das eine Person Daten laedt.
    1990 will seine Richter zurueck und 900 n. chr. seine Bayern das wird sich wohl nie aendern ;).

    Comment by tygs — 24.10, 2014 @ 16:53

  5. Was soll ich schreiben? Anons nutzen und sich entspannt zurücklehnen.

    Comment by Eckhard — 24.10, 2014 @ 16:57

  6. Ps. Wer Vorladungen von Bullen bekommt, ruft dort nicht an oder geht hin, sondern werft den Mist in den Reißwolf! Ihr braucht mit Bullen nicht zu sprechen, egal, was in der Vorladung steht! Hört endlich auf, Euch einschüchtern zu lassen von diesem Pack.

    Comment by Eckhard — 24.10, 2014 @ 17:23

  7. -Die Münchener Gerichte verweigern dem BGH die Gefolgschaft.-

    Wir sind natürlich blöd.

    Bitte um Kenntnisnahme.

    Comment by Münchner Gericht — 24.10, 2014 @ 18:10

  8. Wir schützen Euch

    Comment by Anon — 24.10, 2014 @ 18:13

  9. Wer mit seiner eigenen IP heute noch ins Netz geht, hat irgendwas nicht verstanden.

    Schönes Wochenende! :-)

    Comment by Eckhard — 24.10, 2014 @ 18:16

  10. Eckhard und Co. arbeiten 24 Stunden daran, dass ihr mit dem FF und Tor alle anonym surfen könnt.

    Habt ein wenig Geduld.

    Danke.

    Comment by Anon — 24.10, 2014 @ 18:52

  11. @6: „Wenn er schweigt, werden alle Verfahren eingestellt.“

    Es geht nur blöderweise nicht um Strafrecht, sondern um Zivilrecht: da werden nicht nur keine Verfahren eingestellt, sondern nicht bestrittenes Vorbringen der Gegenseite ist zugestanden und vom Gericht bei seiner Entscheidung zu Grunde zu legen.

    Schweigen im Zivilverfahren ist (in 99% der Fälle) eine extrem blöde Idee.

    Comment by le D — 24.10, 2014 @ 19:21

  12. Schweigen ist immer der beste Rat. Generell und in jeder Hinsicht. IP ist soswieso kein Beweismittel. Warum? Sie wird mit drei Klicks online geknackt und missbraucht.

    Comment by Jura-Blog — 24.10, 2014 @ 19:52

  13. Was machst du denn, le D, wenn ein Informatiker wie Eckard und Konsorten deine IP knackt?? Es darauf anlegt, dich zu vernichten? Nichts.

    Gar nichts.

    Comment by Jura-Blog — 24.10, 2014 @ 19:56

  14. @12: andere Ansicht: das Gesetz in § 138 Abs. 3 ZPO.

    @13: er kann es gerne versuchen. :-) Eine der IPs meines Rechners ist die 127.0.0.1 – und mein Router hat die 127.0.0.1… Kann gerne loslegen. Ping sollte hervorragend sein und ein Traceroute hinreichend kurz.

    Comment by le D — 24.10, 2014 @ 20:15

  15. Die Umkehr der Beweislast würde dann wirken. Rechtswidrig. le D würde beweisen müssen, dass seine IP geraubt und missbraucht wurde. Unmöglich, keine Chance auf Freispruch. Wunderbarer Rechtsstaat.

    Comment by Lotto — 24.10, 2014 @ 20:15

  16. Lol!!!

    —13: er kann es gerne versuchen. :-) Eine der IPs meines Rechners ist die 127.0.0.1 – und mein Router hat die 127.0.0.1… Kann gerne loslegen. Ping sollte hervorragend sein und ein Traceroute hinreichend kurz.—

    Eckhard hat ihn schon auf dem Schirm, da bin ich sicher.

    Comment by Jura-Blog — 24.10, 2014 @ 20:19

  17. Eine der IPs meines Rechners ist die 127.0.0.1

    LOLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLLL!

    Comment by Jura-Blog — 24.10, 2014 @ 20:27

  18. Echt lustig heute.

    Gute Nacht allerseits.

    Comment by Eckhard — 24.10, 2014 @ 20:39

  19. Gelegentlich passieren auch schöne Dinge in Bayern. Zum Beispiel dass die Homepage der Kanzlei des ehemaligen Wurstfabrikanten und Pornokämpfers Thomas Urmann + Collegen seit kurzem verschwunden ist.

    Comment by Xaver Zahnweh — 25.10, 2014 @ 01:53

  20. Was für ein Unsinn. Tatsächliche Vermutungen und sekundären Darlegungslast gab es schon vor Sommer unseres Lebens. Mal ein bisschen Fachliteratur lesen und nicht nur in Internetforen recherchieren…

    Comment by Jens — 25.10, 2014 @ 07:04

  21. Auch das Urheberrecht auf Bilder ist rein rechtlich als Witz zu betrachten.
    Warum ?
    Weil Objekte, oder Personen im alltäglichen Leben, auch visuell mit den Augen wahrgenommen werden. Es wird bildlich wahrgenommen und im Unterbewustsein gespeichert. Dieses erinnern an den jeweiligen Gegenstand, oder der Person, ist nichts anderes als eine bildhafte Kopie mit einem technischen Gerät und deshalb nach (UrhG) nicht strafbar.
    Es müßten deshalb alle Menschen auf der Welt, mit geschlossenen Augen durch’s Leben gehen, damit sie nichts wahrnehmen, was sie später als Kopie, aus dem Erinnerungsvermögen wiedergeben können.

    Comment by 24* — 25.10, 2014 @ 13:09

  22. @ 19:
    Das hat damitz zu tun, dass Urmann seine Anwaltszulassung los ist!

    Comment by Anonymous — 26.10, 2014 @ 13:28

  23. @22: grade recherchiert:

    Berufsbezeichnung: Rechtsanwalt
    Vorname, Name: Thomas Urmann
    Datum der Zulassung: 07.09.1999
    Adresse der Kanzlei: U + C Rechtsanwälte RAGmbH
    Zeißstr. 9
    93053 Regensburg
    Kammerzugehörigkeit: Rechtsanwaltskammer Nürnberg

    Comment by le D — 26.10, 2014 @ 19:07

  24. Es wird Zeit, den Anschlussinhaber in Haftung zu nehmen ohne Wenn und Aber. Denn sonst war es immer der Hund.

    Wuff!

    Comment by Basti — 29.10, 2014 @ 16:05

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