Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

23.10.14

Das Leistungsschutzrecht scheitert vorerst und verzerrt dennoch den Wettbewerb

Eine Gruppe von Verlegern unter Federführung von Springer hat im letzten Jahr mit hohem lobbyistischem Aufwand eine gesetzliche Regelung über das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse durchgesetzt. Die beteiligten Verlage haben sich anschließend in der VG Media zusammengeschlossen, mit dem Ziel von Google und kleineren Suchmaschinen und Aggregatoren Lizenzzahlungen zu erlangen.

Dieses Vorhaben ist vorerst gescheitert. Die VG Media hat gestern mitgeteilt, dass sich die Presseverlage dem Druck Googles beugen und und die VG Media angewiesen haben, Google eine „Gratiseinwilligung“ für die Rechtenutzung zu erteilen.

Gleichzeitig weist die VG Media aber ausdrücklich darauf hin, dass man eine Entscheidung der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt über die Anwendbarkeit des Presseleistungsschutzrechtes beantragt hat. Sollte diese Entscheidung zu Lasten der Verlage ausgehen, steht dagegen dann der Rechtsweg offen. Es ist außerdem damit zu rechnen, dass die Verlage um Springer und Burda ihre politisch-lobbyistischen Bemühungen wieder aufnehmen werden. Die Kapitulation der Verlage ist also nur vorübergehend, von einem Ende des Leistungsschutzrechts zu sprechen, wäre verfrüht.

Die jetzige Ankündigung der VG Media führt allerdings zu dem absurden Ergebnis, dass von Google vorläufig keine Lizenzzahlungen mehr gefordert werden, während kleine Suchmaschinen und Aggregatoren weiterhin bezahlen sollen. Sollte die VG Media dieses Vorgehen fortsetzen, könnte die Sache doch noch ein Fall für das Bundeskartellamt werden, allerdings anders als von den Verlagen erhofft. Das Amt hatte sich ausdrücklich vorbehalten zu prüfen, ob nicht der Zusammenschluss der Verlage zur Wahrnehmung des Leistungsschutzrechts kartellrechtlich relevant ist. Vor diesem Hintergrund könnte es missbräuchlich sein, ausschließlich von kleinen Anbietern Zahlungen zu fordern, während man Google (vorerst) verschont. Zumal ein solches Vorgehen dazu führt, dass die Position von Google gestärkt und die der kleineren Anbieter geschwächt wird. Die vom Gesetzgeber künstlich erzeugte Rechtsunsicherheit und Wettbewerbsverzerrung trifft gerade die kleinen Anbieter, denn anders als Google verfügen sie nicht über die Marktmacht den Verlagen die Stirn zu bieten und auch nicht über das Geld, die sich stellenden Fragen juristisch klären zu lassen.

Es wäre daher in der Tat sinnvoll, wie von der Linkenabgeordneten Halina Wawzyniak vorgeschlagen, das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse ersatzlos zu streichen. Der von ihr vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Leistungsschutzrechtes dürfte allerdings kaum Aussichten auf eine parlamentarische Mehrheit haben.

posted by Stadler at 21:09  

7 Comments

  1. Nein, die Aufhebung wird keine Mehrheit finden. Wird a) von der falschen Partei eingebracht und b) wenn unsere Bundespolitiker eines nicht können, dann ist es eingestehen, dass sie Scheiße gebaut haben.

    Comment by Mela — 24.10, 2014 @ 00:04

  2. Da gibt es nur eine Antwort: Die alternativen Suchmaschinen nehmen. Dabei ist sowieso der Vorteil, daß diese nicht registrieren – wie Google – welchen Link man anklickt.

    Comment by Olli — 24.10, 2014 @ 08:29

  3. Olli: Oh, wie naiv.

    Comment by Thomas' — 24.10, 2014 @ 09:57

  4. Nicht alle wollen sich beugen: Springer beharrt u. a. für die WELT auf einem Vergütungsanspruch für Snippets, weshalb seit gestern bei Google nur noch kostenlose Überschriften erscheinen.

    Wie es heißt, will Springer damit Beweise dafür sammeln, „welche Auswirkungen es hat, wenn Marktbeherrscher Google Verlage zu einem bestimmten Verhalten zwingt.“ (WELT online vom 24.10.2014)

    Fragt sich nur, inwieweit Springer solche „Beweise“ in laufenden Verfahren nutzen will: Ergeben sich Einbrüche im Traffic und Leserverluste, beweist das ja nur, dass ein so entstandener Schaden völlig ohne Not aus eigenem Entschluss selbst herbeigeführt und jederzeit selbst abzustellen ist. Weder ein kartellrechtlicher Marktmissbrauch noch ein leistungsschutzrechtlicher Vergütungsanspruch wird sich mit diesem „Beweismaterial“ begründen lassen, ganz im Gegenteil.

    Ergäbe sich dagegen kein signifikanter Unterschied beim Traffic, bewiese das nur, dass längere Snippets keinen besseren „Nährwert“ hätten als LSR-konform verkürzte, womit das LSR insgesamt obsolet wäre.

    Manchmal möchte man in die Köpfe der Entscheidungsträger bei Springer und den übrigen VG-Media-Mitstreitern hineinsehen, denn einfach nur dumm können sie ja nicht sein. Klar scheint nur, was sie wollen – via Direkttransfer an den Geldtopf von Google. Klar scheint auch, dass sie glaubten, mit einer Art gesetzlicher Zangen-Kombination aus Kartellrecht und LSR würde das klappen (teilweise scheinen sie das immer noch zu hoffen).
    Gewiss aber sind sie jetzt der Meinung, wenn man beides nur passend für Presseinhalte „verschärfe“, werde es dann doch noch gelingen. Vermutlich haben sie bereits neue Gesetzesentwürfe zur „Verbesserung“ von LSR und Kartellrecht in der Schublade liegen.

    Man sieht die Bundesregierung förmlich schon wieder am Nasenring von Springer und Co. durch die gesetzgeberische Manege marschieren.

    Comment by Gast — 24.10, 2014 @ 12:26

  5. Genau dieser Verlauf war vorhersehbar, google und vielleicht wenige andere Große (mir fällt keiner ein) juckt das LSR wenig, während jegliche Vielfalt verloren geht. Ein Schritt mehr in Richtung Monopolisierung. Das dumme ist, wir sind alle selbst schuld.

    Comment by Absehbar — 24.10, 2014 @ 19:45

  6. Ich finde im 2. Absatz „…Druck Googles…“ unglücklich formuliert. Der Druck geht von den Verlagen aus und Google verhält sich nur Rchtskonform (auch wenn es mir schwer fällt Google mal in Schutz zu nehmen).

    #1 Mela hat vollkommen Recht
    #2 Ich bin auf unbubble.eu umgestiegen und sehr zufrieden, manchmal verwende ich noch DuckDuckGo
    #5 Absehbar spricht die Wahrheit aus „…wir sind alle selbst schuld.“

    Comment by Ole — 5.11, 2014 @ 18:54

  7. Für mich ist völlig unkar, was Springer mit diesen Zahlen beweisen will. Der hohe Teil an Google-Traffic zeigt vor allem, wie massiv man in den letzten Jahren in Suchmaschinenoptimierung (statt in ein unverzichtbares Produkt) investiert hat.

    Comment by Gast — 6.11, 2014 @ 15:45

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