Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

3.6.14

Urteil des AG Hannover zu den Redtube-Abmahnungen

Das Amtsgericht Hannover hat sich im Urteil vom 27.05.2014 (Az.: 550 C 13749/13) mit der Frage befasst, ob die Redtube-Abmahnungen von The Archive, die die Rechtsanwälte U&C Ende des letzten Jahres massenhaft ausgesprochen haben, berechtigt waren.

Das AG Hannover hat dies verneint und festgestellt, dass The Archive keine finanziellen Ansprüche aus einer Abmahnung vom 04.12.2013, insbesondere keine Forderung in Höhe von 250,- Euro zustehen. Das Amtsgericht Potsdam hatte unlängst ähnlich entschieden.

Das Amtsgericht Hannover geht zunächst davon aus, dass die Abmahnung zu weitreichend ist und es der Abmahnung schon an der notwendigen Bestimmtheit im Sinne von § 97a Abs. 2 Nr. 4 UrhG fehlt.

Zudem weist das Gericht darauf hin, dass The Archive nicht dargelegt hat, weshalb der Kläger eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte bzw. öffentlich zugänglich gemachte Vorlage gestreamt haben sollte. Das Streaming ist nach Ansicht des Amtsgerichts jedenfalls dann nach § 44a Nr. 2 UrhG zulässig, wenn kurzfristig eine nicht offensichtlich rechtswidrige Vorlage gestreamt wird. Das ist in der Literatur freilich nicht unumstritten. Das Amtsgericht bejaht aber zusätzlich die Voraussetzungen der Schrankenbestimmung des § 53 UrhG (Privatkopie), weil keine offensichtlich rechtswidrige Vorlage verwendet wurde. Eine Berufung auf die Schrankenbestimmung scheidet nur dann aus, wenn eine rechtmäßige Veröffentlichung vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann bzw. an der Rechtswidrigkeit keine ernsthaften Zweifel bestehen können. Beim Streaming kann dies nach Ansicht des Gerichts allenfalls dann gelten, wenn aktuelle Kinofilme oder Fernsehserien bereits vor oder kurz nach dem offiziellen Kinostart bzw. vor der Erstausstrahlung im deutschen Fernsehen kostenlos angeboten werden.

Das Gericht greift zudem die Frage auf, ob das Streaming als bloßer Werkgenuss überhaupt urheberrechtlich relevant ist, beantwortet diese Frage aber nicht abschließend. Der bloße Werkgenuss stellt grundsätzlich keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung dar. Wer also ein Buch liest, Musik hört oder einen Film nur anschaut, begeht keine Urheberrechtsverletzung, auch wenn er eine Raubkopie konsumiert. Beim Streaming besteht jedoch die Besonderheit darin, dass durch das Caching eine vorübergehende Vervielfältigung entsteht. Das wäre dann allerdings bei aktuellen DVD-Playern bzw. Laufwerken auch nicht mehr anders, weil auch dort ein sog. Buffering stattfindet. Man muss sich also die Frage stellen, ob durch bloße Änderung der Technik von Abspielvorrichtungen dieselbe Handlung, die zunächst urheberrechtlich nicht relevant war, plötzlich zur Viervielfältigungshandlung wird.

Das Urteil des AG Hannover ist insgesamt begrüßenswert.

(Urteil via Rechtsanwalt Feil)

 

posted by Stadler at 16:55  

4 Comments

  1. Ich freue mich ja schon auf die ersten Urteile zur Amtshaftung gegen das Gericht, welches den Auskunftsbeschluss ausgestellt hat. Ich vermute mal ganz mutig, dass die Kosten der Abwehr der unbegründeten Ansprüche ganz sicher nicht von „The Archive“ bezahlt werden. (Ich bezweifle ernsthaft, dass da ausreichend Masse sein wird, um was zu holen.)

    Comment by Johannes — 3.06, 2014 @ 17:36

  2. @ Johannes:
    Das Gericht, das den Auskunftsbeschluss erlassen hat, hat sich „einlullen“ lassen. Denn die meisten der Richter (und auch Anwälte) haben das technische Verständnis nicht. Wie oft muss ich Anwaltskollegen, die ansonsten „gestandene Leute“ sind, erklären, was im inneren eines Computers passiert. Kaum einer weiß, was ein „Cache“ ist. Sie lesen im Auskunfstantrag nur, dass die Datei dort zwischengespeichert wird, was eine Vervielfältigung sei. Das ganze wird dann noch mit (technischen) Fachausdrücken gespickt, die kein Mensch versteht. Der Erfolg ist dann fast schon garantiert. Welche(r) der Damen und Herren Richter(innen) will als technischer Laie gelten – wenn sie einen Rechner an- und ausschalten können?

    Comment by warlord — 4.06, 2014 @ 08:56

  3. Wir sollten in diesem Zusammenhang den § 53 UrhG aus dem Spiel lassen. § 44a reicht völlig.
    §44a knüpft nicht an die Legalität der Quelle, sondern an die der Nutzung an. Der reine Konsum auch eines illegal veröffentlichten Films ist erlaubt (vgl. „Nutzung von Streaming-Portalen – Urheberrechtliche Fragen am Beispiel von Redtube85“ von Peter und Sebastian Hilgert in MMR Heft 2/14.)
    Auch Philipp C. Redlich schreibt in K&R 2/2014, „dass der Gesetzgeber die Freiheit des Werkgenusses – im Gegensatz zur dauerhaften Speicherung und Vervielfältigung – gerade nicht an die Rechtmäßigkeit der verwendeten Quelle geknüpft hat.“
    Der oft kommende Hinweis auf § 53, der anders als §44a an die Legalität der Quelle anknüpft, hilft ohnehin nur bedingt weiter, weil das Internet ja in großem Umfang auch für den nicht privaten Gebrauch genutzt wird.
    § 44a erlaubt auch hierfür das kurzfristige (flüchtige), technisch erforderliche Abspeichern. Dienstliches Surfen im Internet mit mehrtägigem Abspeichern der Seiten in den Temporary Internet Files könnte dagegen in der Tat eine Urheberrechtsverletzung sein. Ich habe bei meinem dienstlichen PC die Einstellung vorsichtshalber auf Null Tage gesetzt ;-) und möchte wissen, wie das im Justizministerium gehandhabt wird.

    Der reine Werkgenuss ist keine urheberrechtsrelevante Handlung. Das flüchtige Abspeichern, bei dem – wenn auch nur kurzfristig – eine Vervielfältigung entsteht, ist dagegen sehr wohl eine urheberrechtsrelevante Handlung, die aber auf Grund der Schrankenregelung des § 44a erlaubt ist. Dabei ist es wie z. B. auch bei anderen Schrankenregelungen (z. B. § 57 – unwesentliches Beiwerk) vollkommen egal, ob die Quelle legal oder illegal ist.

    Comment by Schmunzelkunst — 4.06, 2014 @ 17:41

  4. Interessant und erwartbar!
    Aber was ist mit den strafrechtlichen Verfahren gegen die Kanzleien.

    Es wäre auch hier mal interessant endlich eine BGH-Entscheidung zu kriegen, was ein Anwalt darf und was nicht und wann ersich strafbar macht bzw. in Regress genommen werden kann.

    Was der Herr aus Regensburg sich geleistet hat, dass war keine anwaltiche Vertretung mehr, sondern das war eine reine gewerblichge Gewinnerzielungsabsicht.
    Das wurde auch in Intervies so gesagt.
    Dies allerdings würde der BRAO wiedersprechen und auch einige Straftatbestände erfüllen.

    Comment by Anonymous — 4.06, 2014 @ 23:26

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