Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.1.13

Für Daten soll künftig gelten: Der Hehler ist schlimmer als der Stehler

Netzpolitik.org hat einen Gesetzesentwurf des Landes Hessen zur Schaffung eines Straftatbestandes der „Datenhehlerei“ veröffentlicht. Über dieses Vorhaben hatte ich hier bereits berichtet.

Der Entwurf sieht die Einführung eines § 259a StGB vor, der folgenden Regelungsinhalt haben soll:

§ 259a. Datenhehlerei

(1) Wer Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, welche den Zugang zu Daten (§ 2002a Abs. 2 StGB) ermöglichen und die ein anderer ausgespäht oder sonst durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer Daten (§202a Abs. 2 StGB), die ein anderer ausgespäht oder sonst durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat und welche von dem letzten befugten Inhaber durch Passwörter oder sonstige Sicherungscodes gesichert worden waren, ankauft oder sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen.

(3) Die §§ 247, 260, 260a StGB gelten sinngemäß.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.

Die Grundannahme, dass eine Strafbarkeitslücke im Bereich des Handels mit rechtswidrig erlangten Daten besteht, ist grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. Ob dieser neue Straftatbestand allerdings tatsächlich im Abschnitt „Begünstigung und Hehlerei“ anzusiedeln ist, kann man bezweifeln. Der Gesetzgeber begründet diese Zuordnung damit, dass er die Tathandlung unter Übernahme der Formulierung aus § 259 StGB bestimmt hat und der Unterschied zwischen Hehlerei und Datenhehlerei mithin nur im Tatobjekt (Sache – Daten) und in der maßgeblichen Vortat besteht.

Ob man die Datenhehlerei tatsächlich schärfer bestrafen sollte als die Vortat des § 202a StGB ist ebenfalls diskussionsbedürftig. Das Ausspähen von Daten nach § 202a StGB sieht nur einen Strafrahmen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor, während die Datenhehlerei bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe ermöglicht. Vermutlich ist der Gesetzgeber hier dem alten Motto „Der Hehler ist schlimmer als der Stehler“ gefolgt. Diese Differenzierung ist allerdings insoweit inkonsequent, als Diebstahl und Hehlerei denselben Strafrahmen – Freiheitssrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe – aufweisen.

Für bedenklich halte ich die unklare Abgrenzung zur Vortat des Ausspähens von Daten. Während Diebstahl und Hehlerei zwei gänzlich unterschiedliche Tathandlungen beinhalten, sprechen sowohl § 202a StGB als auch der Entwurf des § 259a StGB von einem „sich verschaffen“ von Daten.

Der Hinweis bei netzpolitik.org, wonach der neue Straftatbestand als “schwere Straftat” definiert wird, wodurch eine Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO ermöglicht werden soll, ist zumindest etwas irreführend. Das Gesetz verweist hierzu auf § 260 und § 260a StGB. Die Datenhehlerei unterfällt also nur dann dem Katalog des § 100a StPO, wenn sie gewerbsmäßig erfolgt. Das ist für den Betrug und die Hehlerei aber in gleicher Weise geregelt.

Die Praxis der Strafverfolgung zeigt allerdings, dass Staatsanwaltschaften gerne, in manchmal fast haarsträubender Art und Weise, versuchen eine Gewerbsmäßigkeit zu konstruieren, um eine Anordnung einer TK-Überwachung zu bekommen.

posted by Stadler at 11:32  

7 Comments

  1. Der Gesetzentwurf des Landes Hessen dient hauptsächlich dazu, den Ankauf von Bankdaten durch Strafverfolgungsbehörden zu verhindern. Die Landesregierung hat sich in der Vergangenheit vehement gegen solche Ankäufe ausgesprochen und betreibt mit dem Gesetzentwurf eine reine Klientelpolitik. Das Land Hessen hat sich im Gegensatz hierzu in der Vergangenheit wiederholt gegen bestehende Datenschutzbestimmungen positioniert und sich beispielsweise gegen eine Einschränkung des Handels von Daten durch Unternehmen ausgesprochen. Ein Schelm, wer bei dem Gesetzentwurf der Schwarze-Kassen-Partei unlautere Absichten unterstellt.

    Comment by Walter — 16.01, 2013 @ 12:54

  2. „bereichern oder schädigen“ trifft aber doch nicht zu, wenn dadurch Steuerhinterziehung bekämpft wird, oder? Ich halte die Formulierung für ein Schlupfloch, damit die Finanzbehörden eben doch weiter solche Daten ankaufen können. Es geht ja im Prinzip um Nachfordern von rechtmäßig angefallenen Steuern …

    Comment by ths — 16.01, 2013 @ 14:23

  3. @ ths:
    Das regelt doch
    „(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.“

    Steuereintreibung ist doch eine rechtmäßige dienstliche Pflicht, oder? :-)

    Comment by Andreas — 16.01, 2013 @ 22:17

  4. Ich schließe mich Kommentar 1 an: Es geht ausschließlich (!) darum, den Ankauf von Steuer-CDs durch NRW zu unterbinden. Die in Hessen herrschende (nicht regierende) CDU hat oft genug bewiesen, wie sie tickt. Entweder werden Steuerfahnder kaltgestellt oder Schwarzgeld als „jüdische Vermächtnisse“ tituliert (wobei ich mich immer noch frage, wo damals der Aufschrei des üblicherweise dauer-aufschreienden Zentralrats blieb). Allein schon aus diesem Grund ist diese Initiative zu bekämpfen.

    Comment by Hardy — 17.01, 2013 @ 12:33

  5. Ich kann mich nur Kommentar 3 anschließen. „(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.“

    Der Absatz 5 weicht den ganzen Gesetzesentwurf auf. Schließlich ist „rechtmäßiger dienstlicher oder *beruflicher* Pflichten“ doch ziemlich weit auslegbar.

    Comment by CG909 — 17.01, 2013 @ 14:09

  6. Abgesehen davon, daß diese Bundesregierung die übelste Hehlerin ist (Steuer-CD), gilt allerdings nach wie vor:

    Wer nicht weiß, daß „was auch immer“ gestohlen wurde, aber damit handelt, war, ist und bleibt straffrei. Nur als allgemeinen Hinweis. Nichtwissen schützt sehr wohl vor Strafe, entgegen des bekannte Sprichwortes.

    Kriminelle Hehler sitzen in Amt und Würden. Sie sollten sich hüten, mit dem Finger auf kleine Hehler zu zeigen.

    Was für ein Schmierentheater in diesem Land.

    Es wird einem übel. Wir sind auf dem Weg in die Bananenrepublik.

    Wo bezüglich der EU alle Verträge gebrochen werden, muß sich auch kein Bürger mehr an die Gesetzeslage halten. Mietverträge, Kaufverträge? Pah! Was in diesem Land in den letzten Jahren geschehen ist, könnte im Kongo nicht schlimmer laufen.

    In Politik und Justiz scheint der freie Fall Usus zu sein. Vor Gericht stehen die kleinen Leute. Die Firmenbosse, Politker, Juristen? Alle fein raus. Knast? Huch, wie schreibt man das? Darf ich da auch meinen Porsche mitnehmen?

    Comment by Corinna — 19.01, 2013 @ 16:31

  7. Werden Datenkraken damit in Hessen illegal oder geht es wie immer nur um kleine Lichter und unangenehme Aktivisten?

    Comment by Unverständnis — 21.01, 2013 @ 01:31

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