Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.2.12

OLG München: Haftung des Hosters für ehrverletzende Forumseinträge

Das OLG München hat mit Beschluss vom 21.09.2011 (Az.: 6 W 1551/11) entschieden, dass der Hoster eines Meinungsforum für ehrverletzende Forumspostings auf Unterlassung haftet, wenn er von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat und die Rechtsverletzung dann nicht beseitigt.

Den Einwand des Hosters, er hätte keine Administratorenrechte bzgl. des Meinungsforums gehabt, hat das OLG als nicht beachtlich qualifiziert, da damit nicht belegt wird, dass der Host-Provider nicht dennoch dazu in der Lage ist, die Inhalte zu beseitigen.

Die Entscheidung liegt auf der Linie der erst danach ergangenen BGH-Entscheidung zur Störerhaftung des Host-Providers für ehrverletzende Blogbeiträge.

Dass die Äußerung „dreister Dummschwätzer“ im konkreten Fall ehrverletzend ist, war für den Hoster auch unschwer zu erkennen, auch wenn das OLG München diese Frage nicht weiter thematisiert. Dieser Aspekt ist freilich nach dem Urteil des BGH von ganz zentraler Bedeutung. Denn der Hoster muss nicht jedwede Rechtsverletzung beseitigen, sondern nur eine solche, die für ihn nach Einholung einer Stellungnahme des Verantwortlichen, unschwer, d.h. ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Prüfung,  zu erkennen ist.

posted by Stadler at 16:00  

16 Comments

  1. Da fallen mir Plötzlich noch mehr dreiste Dummschwätzer ein. Finger weg vom Internet :/

    Comment by Klischeepunk — 17.02, 2012 @ 16:07

  2. Meine Güte, wo sind wir gelandet. Die Äußerung „dreister Dummschwätzer“ vor dem OLG und sei so eindeutig ehrverletztend, dass es den Eingriff des Hosters erfordere??? … ich fasse es nicht.

    Comment by max — 17.02, 2012 @ 16:11

  3. Mir erscheint das Wort „Hoster“ hier etwas irreführend, denn ich habe das zuerst als „Hosting-Provider“ angesehen, also als jemand der die Server vermietet. Es ist aber wohl eher der Forumsbetreiber gemeint.

    Der Hosting-Provider hätte tatsächlich keine andere Möglichkeit als den betreffenden Server abzuklemmen, damit könnte man dann ja viel Spaß mit einem solchen diesem Urteil haben …

    Comment by Alvar Freude — 17.02, 2012 @ 16:12

  4. Ein Forumsbetreiber hätte ja Adminrechte. Nee, ich glaube hier ist wirklich derjenige gemeint, der den Webspace zur Verfügung stellt. Das ist ja die reinste Ermutigung für Querulanten, die sonst nichts besseres zu tun haben (möglichst noch mit Prozesskostenbeihilfe) die Gerichte mit solch „tiefgreifenden“ Ehrverletzungen zu beschäftigen …

    Comment by max — 17.02, 2012 @ 16:59

  5. Es geht um den Hoster des Webservers. Der Betreiber des Forums war selbst der Verletzer. Und keiner von beiden hat vorgerichtlich den Eintrag runtergenommen, weshalb Klage erhoben worden ist.

    Comment by Stadler — 17.02, 2012 @ 17:14

  6. Das ein „dreister Dummschwätzer“ ehrverletzend sei, ist nur für besondere Menschen erkennbar :-)
    Im Bonner Karneval wurde gestern mindestens 30 Mal die Kollegen als „Arschlöcher“ bezeichnet.

    Wo die Grenzen der angeblichen Ehre oder Zur Gotteslästerung oder sonstigen altehrwürdigen Straftatbeständen aus der Kaiserzeit, wo man sich wegen der Ehre noch duellieren durfte ist überhaupt nicht klar erkennbar. Siehe auch:
    „Katholische Kirche darf “Kinderficker-Sekte” genannt werden“
    http://www.lawblog.de/index.php/archives/2012/02/11/katholische-kirche-darf-kinderficker-sekte-genannt-werden/

    Wenn man in zensierten Medien wie Spiegel, Zeit oder SZ „Kinderficker“ schreibt, wird man durch die Vorzensur der zynisch „Community-Manager“ genannten Zensoren gnadenlos gelöscht. Ohne Hinweis, ohne rechtliches Gehör. Hätten man die Möglichkeit, die anonymen Zensoren vor Gericht zu bekommen, käme man mit den „Kinderfickern“ durch. Aber wir fröhnen lieber der Zensur und der geschmacklichen Willkür als dem Rechtsstaat.

    Comment by Jan Dark — 17.02, 2012 @ 17:42

  7. > „Es geht um den Hoster des Webservers. Der Betreiber des Forums war selbst der Verletzer. Und keiner von beiden hat vorgerichtlich den Eintrag runtergenommen, weshalb Klage erhoben worden ist.“

    Der Hoster hätte direkt die Datenbank des Forums knacken müssen, um dort den Eintrag direkt aus der Datentabelle zu entfernen, um dem OLG zu entsprechen.

    Da tauchen Fragen auf: Darf der Hoster fremder Leute Datenbanken knacken und manipulieren, selbst wenn die Datenbank auf seinem Server läuft?
    Was sagt denn der Datenschutz dazu, dass sich der Hoster dank OLG der Datenbank bemächtigen hätte müssen?

    > „Den Einwand des Hosters, er hätte keine Administratorenrechte bzgl. des Meinungsforums gehabt, hat das OLG als nicht beachtlich qualifiziert, da damit nicht belegt wird, dass der Host-Provider nicht dennoch dazu in der Lage ist, die Inhalte zu beseitigen.“

    Gut abgesicherte Systeme erlauben es nicht einfach so, dass man Administratorenrechte bekommen, auch keinem Hoster.
    Der Hoster kann sich zwar den Quellcode (das Programm) ansehen und die Datenbank knacken, aber er kann sich dank gesalzenem und gepfeffertem Passwortalgorithmus nicht einfach als Administrator einsetzen.
    Ohne dass er das System hackt oder die Datenbank manipuliert, sehe ich keine Möglichkeit bei sicheren Systemen.
    Und bei wirklich sicheren Systemen ist der Eintrag nicht im Klartext in der Datenbank-Tabelle, sondern verschlüsselt.

    Etwa so: ŠöÆèâŸTXŽJóLG{â¨ß?Û–øÁ![2DC?]u6[192?]$%aÙ˜¢˜üôB;é–
    Ü1Ñ‚öïæGÿ§4µ9ë*[192?]Üm°CîNÃ [2DC?]§81äÿÓ¹ ‚}Uk.r¾ [9D?]T[90?]p±
    êA×õPÜûˆÙ¡´ËÁ\oeJÆ[2C6?]ÓOF›ÝB ª€:&Ñ

    (wer den Algorithmus findet, darf ihn behalten)

    Comment by Frank — 17.02, 2012 @ 18:36

  8. @ Frank
    Der Hoster muss gar nichts knacken. Er muss seinen Kunden informieren und anhören und wenn der nicht reagiert, muss er notfalls den Server abklemmen.

    Comment by Stadler — 18.02, 2012 @ 10:02

  9. „Dreister Dummschwätzer“ ist eine Meinungsäußerung. DAS wird hoffentlich noch beim BVerfG landen …

    Comment by Jens — 18.02, 2012 @ 10:57

  10. @Stadler
    Und darauf wollte ich hinaus, denn der Hoster hätte also gar nicht den Beitrag einzeln löschen können da er keine Admin-Rechte hat und hätte nur die komplette Seite vom Netz nehmen können.

    Wie Alvar schon sagte, das wird ein Spass.

    Comment by Frank — 18.02, 2012 @ 12:29

  11. @Jan Dark,

    Was hat es mit Zensur zu tun, wenn der Spiegel festlegt, was in seinem Forum geschrieben werden darf? Deren Sandkiste, deren Spielregeln.

    Comment by DHH — 18.02, 2012 @ 12:48

  12. @Jens: Ob etwas als Meinungsäußerung durchgeht oder als sog. Formalbeleidigung nicht mehr, ist vom Kontext abhängig. Wenn allerdings wie hier jeder Bezug zu einer Sachdiskussion fehlt, dann handelt es sich nicht mehr um eine zulässige Meinungsäußerung. In Karlsruhe nehmen sie solche Fälle erst gar nicht zur Entscheidung an.

    Comment by Stadler — 18.02, 2012 @ 16:43

  13. @DHH
    „Was hat es mit Zensur zu tun, wenn der Spiegel festlegt, was in seinem Forum geschrieben werden darf? Deren Sandkiste, deren Spielregeln.“

    Ja, gerne. Wenn die eine geschlossene Veranstaltung machen, können die Kindergartenspiele spielen wie sich möchten. Wenn die aber einen öffentlichen Dienst anbieten, müssen die sich schon an öffentliche Gesetze halten. Kuck einfach mal hier, was wir hier gerade diskutieren. Da geht es auch um einen Diensteanbieter im Internet und welche Gesetze der einhalten soll. Aber Du hast völlig recht: bei privaten Tupperwareparties in der eigenen Wohnung kann jeder machen was er will. Ich bleibne also dabei, dass die meisten Zeitungen den REchtsstaat hassen, den Nutzern rechtliches Gehör verweigern, wenn sie nach ihren „Nutzungsbedingungen“ behaupten, dass die Nutzer Straftaten begangen hätten (z.B. Beleidigung) und dann zur Selbstjustiz der verfassungswidrigen Vorzensur greifen. Genauso solche Selbstjustizrambos gehen gerade mit ACTA den Bach runter, weil sie nach über 20 Jahren Internet weder ein tragfähiges Geschäftsmodell gefunden haben noch die Mindeststandards unserer Gesellschaftsordnung einhalten wollen. Sie zucken noch, dann sind sie weg.

    Comment by Jan Dark — 18.02, 2012 @ 23:29

  14. „Dass die Äußerung “dreister Dummschwätzer” im konkreten Fall ehrverletzend ist, war für den Hoster auch unschwer zu erkennen“

    Das ist eine kecke Behauptung, die mit unserer Rechtssprechung nicht in Übereinstimmung gebracht werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hatte geurteilt, dass der „Dummschwätzer“ nicht immer eine Beleidigung ist. 1 BvR 1318/07
    http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20081205_1bvr131807.html

    Wenn die deutsche Justiz sich uneins ist und hier eher ein Bereich der Willkür als des Rechtsstaates herrscht, ist mitnichten für Hoster erkennbar, wie die tagesaktuelle Meinung des tagesaktuellen Richters sein könnte.

    Mir tut sich der Verdacht auf, dass manche deutsche Juristen einem Beleidgungsbegriff des 19. Jahrhunderts anhängen, als es noch normal war, dass man sich wegen der Ehre auch erschießen/duellieren durfte, und damit Unsicherheit in den Staat tragen.

    Erhellend für diese lebensfremde Attitüde und Zersetzung des Rechtsstaates finde ich auch die Bestrebungen der OSZE und des Europarates, die sich gegen diese altbackenen Ewiggestrigen wenden, siehe auch am Ende von http://de.wikipedia.org/wiki/Beleidigung

    Comment by Jan Dark — 20.02, 2012 @ 10:00

  15. @Jan Dark: Das ist eine Behauptung, die ohne weiteres mit unserer Rechtsprechung in Einklang zu bringen ist. Dummschwätzer kann in einem Fall eine klare Beleidigung sein und in einem anderen Fall eine zulässige Meinungsäußerung. Es kommt auf den konkreten Kontext an. Ich hatte es bereits erklärt.

    Comment by Stadler — 20.02, 2012 @ 20:54

  16. Es wäre dringend angeraten, die Sache im Zusammenhang zu bewerten und diesen das Internet verstopfenden Eintrag gütlchst zu entfernen, da er die Sache nicht annähernd trifft.

    Wer den Beschluss von Anfang bis Ende liest, wird erkennen, daß es sich hier nicht um die Haftung eines Hosters geht, sondern der Verdacht aufkommt, daß einer sich durch Kniffe der Haftung für seinen eigenen Müll entziehen will. „die Rechte hätte seine Mutter…“ welche Rechte sind nicht näher benannt…

    Des weiteren ist aufgeführt, daß neben der Beleidigung noch andere Unterlassungsforderungen verhandelt wurden und das Urteil im Gesamtzusammenhang steht.

    Wer einen Internetvertrag z.B. zum Hosting der eigneen Internetseite einmal genau durchliest, weiß, was passiert, wenn er den Aufforderungen des Hosters im Rahmen gültiger Gesetze nicht nachkommt. Die tun die Hoster, weil sie sich an die Gesetzeslage halten müssen.

    Comment by BL — 23.02, 2012 @ 18:08

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