Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

23.10.10

Das Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Datenschutz

Das Spannungsverhältnis von Datenschutz und Kommunikationsgrundrechten gehört zu den ungelösten aber zugleich wichtigsten internetrechtlichen Themen überhaupt. Der geschätzte Kollege Thorsten Feldmann wird kommende Woche in Berlin beim DAV-Forum Datenschutz zum Thema „Datenschutz und Meinungsfreiheit“ referieren. Das Abstract seines Vortrags hat er bereits vorab ins Netz gestellt.

Der Datenschutz, und nicht nur der, wird immer häufiger als Vorwand dafür benutzt, unliebsame Meinungsäußerungen bzw. Veröffentlichungen zu unterbinden. Das Datenschutzrecht regelt dieses Spannungsverhältnis bislang nicht zufriedenstellend. Das sog. Medienprivileg in § 41 BDSG ist inhaltlich unzureichend und erfasst zudem Onlineinhalte nicht.

In diesem Zusammenhang muss erneut darauf hingewiesen werden, dass Art. 9 der Datenschutzrichtlinie (95/46/EG) verlangt, für die Datenverarbeitung zu journalistischen, künstlerischen und literarischen Zwecken Ausnahmen vorzusehen, um das Recht auf Privatsphäre mit dem der Meinungsfreiheit in Einklang zu bringen.

Diese Vorgabe ist bislang nicht (ausreichend) in deutsches Recht umgesetzt worden. Man wird unter die journalistische Datenverarbeitung auch den nichtprofessionellen Onlinejournalismus fassen müssen, wie wir ihn beispielsweise in Blogs finden, so dass bei richtlinienkonformer Auslegeung des deutschen Rechts insoweit ein Medienprivileg bestehen müsste.

Aus meiner Sicht wäre es ganz allgemein sinnvoll, Meinungsäußerungen und die Berichterstattung explizit vom Anwendungsbereich des Datenschutzrechts auszunehmen.

posted by Stadler at 13:58  

7 Comments

  1. Ich sehe das Spannungsfeld und bin ebenfalls der Meinung, es muss eine sinnvolle Lösung her.

    Das folgende Zitat:
    „Aus meiner Sicht wäre es ganz allgemein sinnvoll, Meinungsäußerungen und die Berichterstattung explizit vom Anwendungsbereich des Datenschutzrechts auszunehmen.“

    finde ich aber gefährlich. Diese Argumentation kann ganz schnell so verstanden werden (oder von anderen dahingehend wiedergeben werden), dass doch gegen eine „Berichterstattung“ wie z.B. in „Tatort Internet“ gar nichts spreche.

    Daher finde ich die pauschale Formulierung („explizit vom Anwendungsbereich […] auszunehmen“) unangebracht bzw. nicht zu Ende gedacht.

    ——

    Ich persönlich bin überhaupt nicht der Meinung, dass Berichterstattung vom Datenschutz ausgenommen werden müsse.

    Er kann ja *eingehalten* werden, *ohne* Berichterstattung zu unterlassen: Personenbezogene Informationen (in einem weiten Sinne) werden geschwärzt; Sachinformationen zum berichteten Vorgang bleiben.

    Plus: Unternehmen, die z.B. mit der öffentlichen Hand Geschäfte machen, können für ihre abgegebenen Angebote (und alle Korrespondenz dazu) eben keinen Datenschutz für *sich* erwarten. Wohl aber für ihre Mitarbeiter.

    De lege ferenda fände ich das alles einen sinnvollen Gedanken.

    Wie man das nun juristisch austüftelt – nun, da müssen die „Organe der Rechtspflege“ ran :-)

    Comment by C. — 23.10, 2010 @ 21:37

  2. @C. Gemeint ist damit vom Anwendungsbereich der Datenschutzgesetze. Das würde bedeuten, dass eine Meinungsäußerung oder Berichterstattung nicht mehr allein deshalb ausgehebelt werden kann, weil in ihrem Zuge personenbezogene Daten gespeichert werden. Natürlich bleibt die Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Art. 5 GG bestehen. Diese Abwägung ist verfassungsrechtlich ohnehin zwingend geboten.

    Comment by Stadler — 24.10, 2010 @ 09:04

  3. Wenn man den Bogen überspannt und weiterhin Gesetze letztlich misbräuchlich für die Unterdrückung eines offenen Disputs nutzt, wird man irgendwann erleben, wie kritische Berichterstattung in die Anonymität ausländischer ISP verlagert wird. Dabei könnte dann mancher, der heute noch durch die Anwendung wesensfremder Gesetze triumphiert und der Verbreitung misliebiger Ansichten einen Riegel vorsetzten kann, sein ganz persönliches Waterloo erleben.

    Comment by M. Boettcher — 24.10, 2010 @ 19:03

  4. Ich meine mich erinnern zu können, schon vor geraumer Zeit versucht zu haben, den Blogbetreiber darüber aufzuklären, dass § 41 BDSG für Online-Inhalte in der Tat nicht anwendbar ist (a.A. aber grds. der BGH in Spickmich), dafür aber der § 57 RStV existiert. Ob der nun den Art. 9 DSRL richtig umsetzt, steht natürlich noch mal auf einem anderen Blatt. Nicht alles, was x-beliebige Internet-Inhalte generierende Nutzer sich zusammen reimen, dürfte auch „journalistisch“ im Sinne der Vorschrift sein.

    Comment by ElGraf — 26.10, 2010 @ 16:16

  5. Im Übrigen fehlen mir in Herrn Feldmanns Abstract Hinweise auf das EuGH-Urteil in der Rechtssache C-73/07, das wohl mittlerweile im gleichen Atemzug mit Lindqvist fallen müsste.

    Comment by ElGraf — 26.10, 2010 @ 16:21

  6. @ElGraf: § 57 RStV regelt auch kein wirkliches Medienprivileg zugunsten von Telemedienanbietern. Jedenfalls nicht nach meinem Verständnis. Was notwendig wäre ist ein Gestattungstatbestand der eindeutig regelt, in welchem Umfang personenbezogene Daten zu Zwecken der Berichterstattung und Meinungsäußerung herangezogen werden können.

    Der BGH hält 41 BDSG gerade nicht für anwendbar und greift auf § 29 BDSG zurück!

    Comment by Stadler — 26.10, 2010 @ 18:31

  7. @Stadler: Nach meinem Verständnis auch nicht, er liegt aber näher als der § 41 BDSG. Dessen Anwendbarkeit auf Online-Sachverhalte hat der BGH aber grds. gerade nicht verneint, sondern es lediglich (m.E. zurecht) an den journalistisch-redaktionellen Zwecken scheitern lassen.

    Comment by ElGraf — 27.10, 2010 @ 11:26

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