Censilia und die schwedische Zensurtradition
In einem Radiointerview wurde mir gestern die Frage gestellt, ob die Forderung der schwedischen EU-Kommissarin Cesilia Malmström nach Access-Sperren von Websites vielleicht auch damit zusammenhängen könnte, dass es in Schweden eine gewisse Zensurtradition gibt. Hierüber hatte die TAZ vor dem Hintergrund der Filmzensur in Schweden kürzlich berichtet. Und in der Tat scheint gerade in der schwedischen Politik die Vorstellung eines wohlmeinenden und damit auch bevormundenden Staates, der seine Bürger vor allen möglichen negativen Dingen, auch Geistesinhalten, schützen will, eine gewisse Tradition zu haben. Vielleicht ist aber auch gerade das einer der Gründe dafür, dass die Piratenbewegung ebenfalls aus Schweden kommt und dort bislang auch am erfolgreichsten ist.
Frau Malmström hat aber zumindest die deutsche Debatte des Jahres 2009 nicht verfolgt und sich nicht ansatzweise mit den in dieser Debatte vorgebrachten Argumenten beschäftigt. Ihre Aussagen klingen nämlich ziemlich genau nach den Argumenten Ursula von der Leyens aus der hiesigen Diskussion und die sind nun wirklich hinreichend widerlegt worden. Dass auch Teile der deutschen Politik sich weiterhin nicht mit den Fakten beschäftigen wollen, kommt Frau Malmström dabei natürlich zugute.
Haben wir nicht in Deutschland auch eine Art „Zensurtradition“? Zumindest wenn man in Sinne des „wohlmeinenden und damit auch bevormundenden Staates, der seine Bürger vor allen möglichen negativen Dingen, auch Geistesinhalten, schützen will“ interpretiert? S. Jugendschutz, hohe Datensschutzstandards, soziale Absicherung (z.B. Arbeitslosengeld) usw.
Comment by TheClone — 23.04, 2010 @ 08:25
Richtig, die soziale Absicherung – zurückgeführt auf die kaiserliche Botschaft – ist sicherlich bei der Diskussion um Zensur mit an erster Stelle zu nennen.
*kopfschüttel*
Comment by Christian — 23.04, 2010 @ 08:42
So ganz glaube ich nicht dass Frau Malmström die Zensurdebatte in DE nicht verfolgt hat…
Die ersten Aussagen waren ja schon ganz speziell in Richtung „Zensurkritiker“ gerichtet..
Scheint für mich als ob sie von Frau VdL schon einiges „abgeschaut“ hat…
Mit den Argumenten der Gegenseite will sie sich vermutlich gar nicht auseinandersetzen…
Comment by christian — 23.04, 2010 @ 17:01
Als Schwede bin ich dauernd von einigen Gruppen von schwedischen Politikern genervt, vorallem auf der linken Seite. Sie scheinen in vielerlei Hinsicht mit Scheuklappen herumzulaufen, genau das sehend was sie sehen wollen, unkritische Argumente glaubend, die ihre Sache unterstützen, pauschal Argumente der Gegenseite ablehnend, … Selbst wenn Malmström die deutsche Debatte verfolgt hat/hätte, wäre keinerlei Veränderung von ihrer vorausgefassten Meinung zu erwarten gewesen.
Vgl. hierzu auch meine Ansichten zu Medien und Zensur in Schweden in mehreren Blog-Artikeln.
Comment by Michael — 24.04, 2010 @ 07:31
Der Riesen-bug namens „SIS II“ war bis dato schon ’n ziemlich teurer Flop. Damit es „EUROJUST“ aber einfacher hat, gibt es noch ’ne EU-Vorratsdatenspeicherung (siehe heise-Artikel vom 26.04.: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Vorratsdatenspeicherung-auf-dem-EU-Pruefstand-986050.html) und oben drauf als „Leckerli“ noch ’n ordentliches Zensurpaket!
Ironie: Scheiß auf die Grundrechte, die Basis und der eigentliche Zusammenhalt durch die, von allen ratifizierte Konvention!
Irgendwie muss doch so ’ne große, „grenzenlose“ EU kontrolliert werden. Wenn schon keine physischen Schlagbäume, dann wenigstens digitale!
Nebenbei: Wo ist eigentlich die online-petition für Straßbourg (Europäischer Gerichtshof)? Hat jemand evtl. ’n link?
In diesem Sinne, Baxter
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„Zensursula“: http://www.youtube.com/watch?v=O4vbdusj7Pk
Für die EU-Version muss man nur „BKA“ durch „EUROPOL“ ersetzen…
Comment by Baxter — 27.04, 2010 @ 02:33