Twitter sperrt meinen Account für zwölf Stunden
Twitter hat meinen Account RAStadler gestern für zwölf Stunden teilgesperrt, wegen eines Tweets zu Horst Seehofer, der angeblich die Twitterregeln verletzt haben soll. Der Wortlaut des Tweets war „Geh endlich sterben, menschenverachtender Zyniker“ verbunden mit einem Link auf einen Zeitungsartikel, in dem über Seehofers Freude darüber, dass gerade an seinem 69. Geburtstag 69 Asyslbewerber nach Afghanistan abgeschoben wurden, berichtet worden ist.
Mein Tweet bewegt sich äußerungsrechtlich ganz klar im zulässigen Bereich. Mit dem Tweet habe ich Seehofer keinesfalls den Tod gewünscht. Es handelt sich vielmehr um eine drastische Aufforderung endlich zu verschwinden, ähnlich einer Formulierung wie „Fahr zur Hölle“. Der Tweet setzt sich mit kontroversen politischen Aussagen des Innenminsters auseinander und stellt somit eine Kritik an öffentlichen Äußerungen eines Spitzenpolitikers dar. Wer sich nur ein bisschen mit Äußerungsrecht befasst, wird wissen, dass es bei der juristischen Bewertung in diesem Fall keine zwei Meinungen gibt. Die Maßnahme von Twitter ist eindeutig unberechtigt, es ist Twitter, das damit gegen seine eigenen Regeln verstößt.
Mir stellt sich die Frage, ob ich mir die meinungsbeschränkende Willkür eines US-Anbieters wie Twitter weiterhin antun oder meinen Account löschen soll. Dass Twitter gegen eindeutig zulässige Meinungsäußerungen vorgeht, ist jedenfalls ein ernstes Problem, denn ich glaube kaum, dass das ein Einzelfall ist.
Update vom 13.07.2018:
Twitter hat jetzt auch den Account von Michael Seemann (mspro) vorübergehend eingeschränkt – wie Twitter das selbst nennt, wenn die Möglichkeit aktiv zu twittern unterbunden wird – weil er sich auf Twitter spontan mit mir solidarisiert hatte. Für mich ist das ein weiterer Beleg dafür, dass Twitter insgesamt ein problematisches Verhältnis zur Meinungsfreiheit hat.
Und noch ein Wort zu meinen Kritikern, denn ich habe jetzt oft die Frage gehört, ob man das nicht hätte anders formulieren können. Natürlich hätte man das können. Aber wer so fragt, hat meines Erachtens schon die Schere der Selbstzensur im Kopf. Die Frage ist vielmehr, ob ich es hätte anders formulieren müssen oder es nicht vielmehr legitim war, es genau so zu formulieren. Ich denke, dass die aktuelle Diskussion gelegentlich auch eine deutliche Sprache erfordert. Gerade gegenüber einem Populisten wie Horst Seehofer.
Update vom 14.07.2018:
Dass Einige, von denen ich das eher nicht erwartet hatte, mir eine Entgleisung oder Verrohung vorwerfen, macht mich ehrlich gesagt ziemlich ratlos. Denn genau das ist es nicht. Seehofer hat mit seiner Aussage zu den 69 abgeschobenen Flüchtlingen ein Höchstmaß an Verhöhnung von Menschen betrieben, auf die ich bewusst mit der Empfehlung endlich (politisch) sterben zu gehen, reagiert habe. Die Transferleistung, dass ich damit Seehofer natürlich nicht den (physischen) Tod gewünscht habe, erwarte ich.
Die Form der Debattenverschiebung die sich hier zeigt, ist für mich eher ein Indiz dafür, dass die Selbstbeschränkung der Meinungsfreiheit bereits in vollem Gange ist. Vielleicht ist es deshalb gerade jetzt notwendig, die Grenzen auszuloten, damit die Meinungsfreiheit nicht unter die Räder kommt.In diesem Kulturkampf zwischen Humanismus und Menschenverachtung könnte Schärfe notwendig sein. Zumindest ist sie ein legitimes Mittel. Und ich denke jetzt mehr denn je darüber nach, ob ich in Zukunft einfach noch deutlich schärfer als bislang formulieren muss und sollte.
Danke für dieses Musterbeispiel von „Hate Speech“. Die Gelbe Karte von Twitter ist richtig. Auch wenn einem Seehofers Zynismus die Nase hochgeht: Kritik und Gegenrede geht anders und besser. Schade, dass Sie den Unterschied nicht selbst erkennen.
Comment by Philip — 16.07, 2018 @ 11:34
Hallo, anderen Menschen im Internet den Tod zu wünschen, ist leider Cybermobbing sowie Hatespeech. Bitte unterlassen Sie das, wenn Sie bleiben möchten.
Im Übrigen schützt die hier angesprochene „Meinungsfreiheit“ vor staatlichen Konsequenzen gegenüber einer rechtlich angemessenen öffentlich ausgesprochenen Meinung, nicht aber vor einem Bann auf Twitter. Insofern haben sich hier keine Grenze verschoben.
Comment by Nussbro — 16.07, 2018 @ 17:24
Nee, sorry, aber das „politisch“ hätte mit in den Tweet gemusst. So ist es, wie oben schon gesagt, Hatespeech. Geschmacklos obendrein – und das sage ich als jemand, der Seehofer verachtet.
Da hilft leider auch kein „das hättet ihr doch wissen müssen.“
Comment by Arno Nym — 16.07, 2018 @ 18:15
Der Fefe hat damals (ca. 1998 – 2002)
auf de.comp.security.* im Usenet die Leute regelmässig mir „geh sterben“ zur Sau gemacht…
Das ist nicht gerade nett, und ganz am Anfang habe ich mir auch gedacht, was ist das denn fuer ein arrogantes Arschloch. Bis ich dann selber tiefer in die Sache eingestiegen bin, und erkannte, dass er doch RECHT HAT!
Comment by Ron Reinert — 17.07, 2018 @ 01:13
Ich glaube nicht das H.Seehofer den Tod verdient hat. Ich mag ihn nicht, finde sein Druck machen und Standpunkte beziehen teils vorschoben um Klientelpolitik zu machen.
Ich glaube trotzdem da spricht Hass gegenüber der Person Seehofer aus dir heraus. Ganz einfach. An die Tranferleistung wirst du auch nicht gedacht haben, als du die kurzen Worte geschickt hast, eher an die Wirkung, die du nun hoffst, durch schärfere Worte zu finden.
und ja ich habe den Artikel nicht gelesen den du dort und nicht hier verlinkt hast. Warum auch, in den oberflächenlichen Zeilen einer Twitter-Nachricht, die ich mit der Bouelvar-Blätchen des letzten Jahrhunderts gleichsetze, kann kein stimmiges Bild deiner wahren Absicht im Nachhinein gezeigt werden.
Mir viel es schwer diese Zeilen abzuschicken, weiß ich doch nie ob meine Überzeugung die richtigen sind.
Comment by Christian B. — 17.07, 2018 @ 10:22
@57
Wer sich auf die Geschmacksurteile von der Amadeu Antonio Stiftung erlässt, kann schnell vor Gericht unterliegen. Wie ich sagte, wenn man finanziell vom angeblichen Hass anderer Leute abhängig ist, dann ist man nicht neutral, sondern hat einen Interessenkonflikt:
https://www.br.de/nachrichten/oberpfalz/inhalt/urteil-xavier-naidoo-darf-nicht-antisemit-genannt-werden-100.html
Comment by Wolfgang Ksoll — 17.07, 2018 @ 13:52
Erstaunlich, was von einigen Leuten so alles als „Hate Speech“ erkannt wird. Den Spruch „Geh endlich sterben…“ hätte ich wirklich nicht dort gesehen.
Comment by ich — 17.07, 2018 @ 18:20
Böse wäre gewesen, S. zu empfehlen,
Urlaub in Afghanistan zu machen und
Tee mit den lieben Taliban zu trinken.
Oder gar, ihn als „den ohne die Obergrenze“ zu bezeichnen. Oder ihm „den Guttenberg“ zu wünschen…
However: wir brauchen jetzt ein Netzwerkdurchsetzungspraezisierungs – und Optimierungsgesetz sowie eine
LoeschungsrevidierungsVO.
Comment by Arne Rathjen RA — 17.07, 2018 @ 21:29
Der Begriff Hatespeech hat keine festen Konturen und ist damit eher beliebig.
Comment by Stadler — 17.07, 2018 @ 22:26
„Geh endlich sterben, menschenverachtender Zyniker“
ist so zu verstehen, dass die Person, der dieser Spruch gilt, seinem Schöpfer gegenüber treten soll.
„Fahr zur Hölle“ ist dann natürlich so zu verstehen, dass die Person, der dieser Spruch gilt, Bekanntschaft mit dem Höllenfürsten/Satan machen soll!
Beides geht nur, wenn die Person von ihrem (von Ihnen gewünschten vorzeitigem) Recht des Ablebens Gebrauch macht!
Sie haben vielleicht nicht den Tod des Herrn Seehofer gewünscht, geschrieben haben Sie aber etwas ganz anderes!
Sollten Sie aber als RA wissen, wie wichtig das richtige Wort an der richtigen Stelle ist!
Übrigens……..ich bin wahrlich kein Fan von Herrn Seehofer!
Comment by Josef Knecht — 18.07, 2018 @ 03:00
Ich kann an mich halten vor lachen. Das ist ein Paradebeispiel von Gutmenschen die auf Teufel komm raus Moral, Ethik, Zynismus für sich gepachtet haben und ganz genau wissen was einer sagen darf und was nicht. Sind das etwas die zukünftigen „Fingermänner“ die in Deutschland ein „Neusprech“ in einer dystopischen Ordung kreiren wollen? Nein danke! Geht sterben!
Comment by Tobias — 18.07, 2018 @ 12:14
Aus den Kommentaren merkt man dass die Schere der Selbstbeschraenkung, der Meinungsfreiheit bei den meissten Erfolgreich angekommen ist.
Viele der „Bildungskanaele“(RTL, RTL2, SAT1, Pro7….) werden also Regelmaessig geschaut. Und hinterlassen eine Eindeutige Spur.
MfG Freddy
Comment by Freddy Kruger — 19.07, 2018 @ 11:38
@Josef Knecht
„Geh sterben“ und „fahr zur Hölle“ zu vergleichen ist genial.
Ihre Schlussfolgerung, das man einem den Tot wünscht bei „fahr zur Hölle“ ist unterirdisch dumm.
Aber auf dem Niveau ist wohl die gesamte disskussion über Hate Speach. es geht nicht mehr um die bedeutung von Worten, sondern nur darum was irgendwer denkt was es bedeutet. Da der Wortschatz der Leute sinkt, weis auch keiner mehr was vieles bedeutet und ist dann gleich entrüstet. Keiner macht sich die Mühe mal was dazu zu lernen.
Fahr zur Hölle bedeutet, wei eben geh sterben einfach nur „verschwinde“. Fahr zur Hölle könnte man dann noch in zusammenhang bringen mit „jemanden verwünschen“. Aber niemals mit irgendeinem Todeswunsch.
Das ist genau so abwägig, wie das man jemanden töten will wenn man „einem das Leben zur Hölle macht“.
Comment by Troll — 26.07, 2018 @ 14:01
Geh sterben · fahr zur Hölle · Abflug! · Fort mit dir! (veraltet) · Geh! · Geh mit Gott, aber geh! (Redensart) · Wegtreten! (militärisch) · Abmarsch! (ugs.) · Da ist die Tür! (ugs.) · Geh mir aus den Augen! (ugs.) · Geh mir vom Acker! (ugs.) · Geh weg! (ugs.) · Hau ab! (ugs.) · Mach ’n Abgang! (ugs.) · Mach ’ne Fliege! (ugs.) · Mach, dass du wegkommst! (ugs.) · Mach die Fliege! (ugs.) · Mach Meter! (ugs., österr.) · Pack dich! (ugs.) · Raus (mit dir)! (ugs.) · Scher dich fort! (ugs., veraltend) · Scher dich weg! (ugs., veraltend) · Scher dich zum Teufel! (ugs., veraltend) · Schieb ab! (ugs.) · Schieß in’n Wind! (ugs.) · Schleich di! (ugs., süddt.) · Schleich dich! (ugs.) · Schwirr ab! (ugs.) · Sieh zu, dass du Land gewinnst! (ugs.) · Verschwinde! (ugs.) · Verzieh dich! (ugs.) · Zieh Leine! (ugs.) · Zisch ab! (ugs.) · Fahr zur Hölle! (aggressiv) (derb) · Verpiss dich! (derb) · geh wandern
Comment by Troll — 26.07, 2018 @ 14:13
So jetzt meine Kritik an Herr Stadler.
Man muß die Sprache der Zielgruppe anpassen, damit man verstanden wird.
Und das ist dann auch das Hauptproblem, bei der Meinungsfreiheit, nicht jeder versteht das was ich meine so wie ich es meine ;-)
Comment by Troll — 26.07, 2018 @ 14:16
„Dass Einige, von denen ich das eher nicht erwartet hatte, mir eine Entgleisung oder Verrohung vorwerfen, macht mich ehrlich gesagt ziemlich ratlos.“
Warum?
Personen, denen ich vertraue, formulieren solche Inhalte deutlich menschenfreundlicher und altersunabhängiger.
„Die Form der Debattenverschiebung die sich hier zeigt, ist für mich eher ein Indiz dafür, dass die Selbstbeschränkung der Meinungsfreiheit bereits in vollem Gange ist.“
Dies ist für mich keine Selbstbeschränkung, auf Beleidigungen zu verzichten und zum anderen kann ich sehr wohl Herrn Seehofer einordnen.
Es empfiehlt sich aus meiner Sicht, nicht jeden Umstand ausdeuten zu wollen, wenn ‚man‘ die Person nicht kennt. Aber fragen hilft.
Den Diskutanten hier gebe ich auf den Weg: bei jeder Möglichkeit nach ‚Cybermobbing‘, ‚Hatspeech‘ etc. zu schrei(b)en, steht es wohl gut an sich auch mal mit den Opfern solcher Taten auseinandert zu setzen. Der inflationäre Gebrauch dieser Begriffe führt leider viel zu sehr zu ihrer Relativierung.
Und noch eines: Begriffe wie „Gutmenschen“ etc. gehören für mich in den Bereich des Framings (vgl. Seehofer ‚Schlagzeilen‘ der letzten Wochen) und dienen einzig der eigenen Deutungshoheit, nie aber einer mannigfaltigen und gelebten demokratischen Kultur.
Comment by Ich, wer sonst — 28.07, 2018 @ 14:40
„Über solche Versager und Verderber sagte man früher: „Der gehört geteert und gefedert.“ Jedenfalls auch der CSU-Generalsekretär«, geifert Andreas Püttmann, eine Art innerparteiliche, unguided cruise missile der Kanzlerin.“
Direkt aus Twitter kopiert. Frohen Sonntagmorgen.
Comment by Arne Rathjen RA — 4.08, 2018 @ 19:34
wie wohl twitter damit umgehen würde, wenn jemand statt dessen formulieren würde:
„ich würde ja gern sagen „geh endlich sterben“, aber das könnte ggf. falsch verstanden werden als echte Sterbeaufforderung. Das will ich natürlich nicht – ich kann Ihre Abschiebepolitik aber „auf den Tod nicht ausstehen““
Ach fck – twitter hat ja nur so wenig ZEICHEN… Verkürztsprache pusht vermutlich missverständnisse und auch (Rück)angriffe und Rechtfertigungsfluten, die dann viele Nachrichten(wellen) lostreten…
Gruß die Erklärtante
„Ich würde Sie, Herr Frau Denzunziant*in ja gern ein Riesenarschloch nennen, aber leider traue ich mich das nicht, weil ich dann schon wieder wegen Beleidigung eine Anzeige kassieren würde.“
Comment by Die Erklärtante im Konjunktiv — 8.11, 2021 @ 01:57