OLG Hamburg bestätigt Urteil im Streit um Böhmermann-Gedicht
Das OLG Hamburg hat die Berufung Jan Böhmermanns im Streit um das gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdo?an gerichtete Schmähegedicht, mit Urteil vom 15.05.2018 (Az.: 7 U 34/17) zurückgewiesen. In der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts wird vor allem darauf abgestellt, dass das umstrittene Gedicht auch im Kontext von Böhmermanns Fensehsendung und der Kritik an Erdo?an unzlässig sei. Konkret führt das Gericht aus:
Es handelt sich eben nicht um eine vorlesungs- oder seminarähnliche Demonstration möglicher Arten von Meinungsäußerungen. Vielmehr soll konkrete Kritik am Kläger geübt und gerade am Beispiel seiner Person demonstriert werden, welche Art von unzulässigen Meinungsäußerungen es gebe. Hierzu werden Beschimpfungen aneinander gereiht, die vorher und in Einschüben während des Vortrags als unerlaubt charakterisiert werden und jeweils für sich einen herabsetzenden Inhalt haben. Jede dieser Meinungsäußerungen kann isoliert mit einem Verbot belegt werden, wenn sie im jeweiligen Gesamtkontext unzulässig ist. Weder die Sendung insgesamt noch das Gedicht bildet ein einheitliches, untrennbares Werk, dessen Zulässigkeit nur insgesamt beurteilt werden könnte.
Für die einzelnen Verse des Gedichts ist danach ausschlaggebend, ob ein sachlicher Gehalt mit Bezug zu der Kritik am Kläger erkennbar ist und dieser sachliche Gehalt ausreicht, den in der jeweiligen Einkleidung liegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers aufzuwiegen. Das ist bei der Verwendung herabsetzender Bilder aus dem Intim- und Sexualbereich, für die es in der Person des Klägers und seinem Verhalten weder Anknüpfung noch Veranlassung gibt, nicht der Fall. Die Äußerungen stellen ungeachtet des vom Beklagten vorangestellten Vorbehalts, nicht beleidigen zu wollen, tatsächlich schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen dar.
Im Ergebnis stimme ich mit dieser Bewerung des OLG Hamburg überein. Meine Auffassung hatte ich schon vor längerer Zeit dargestellt.
Etwas überraschend ist allerdings, dass das OLG die Revision zum BGH nicht zugelassen hat. Es ist dennoch davon auszugehen, dass das nicht die finale Entscheidung ist und Böhmermann mindestens eines der Karlsruher Gerichte noch mit der Sache befassen wird. Denkbar ist zunächst eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH und/oder eine Verfassungsbeschwerde.
Die Nichtzulassung der Revision ist im Pressesenat des OLG Hamburg Standard. Nichtzulassungsbeschwerden hiergegen haben häufig Erfolg.
Comment by Markus Kompa — 15.05, 2018 @ 18:24
Kann es mir schlecht vorstellen, dass Prof. Dr. Christian Schertz das Risiko eingehen möchte, Klatschen beim BGH und BVerfG einzufangen. Schertz wird Böhmermann überreden können.
Buske meinte heute, dass das „Schmähgedicht“ die schöpferische Höhe der Satire nicht erreicht habe, aber wenn es doch Satire wäre, dann eben … .
Buske sei aus der Trotzphase gegenüber dem BGH raus, sagte dieser Richter am letzten Dienstag nicht das erste Mal und wollte das Käfer-Mittrich-Urteil gegen Google aufheben. RA Dr. Sven Krüger erklärte, er sei immer noch in der Trotzphase.
Das heutige Böhmermann-Urteil dürfte die Rechtssprechung des BGH berücksichtigt haben.
Auch Schertz ist gelassener geworden. Zieht nicht mehr alles rücksichtslos durch.
Böhmermann hat wenig Chancen.
Comment by Rolf Schälike — 15.05, 2018 @ 20:13
Eine Frage. Sie schreiben: „Denkbar ist zunächst eine Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH und/oder eine Verfassungsbeschwerde.“
Der Pressesprecher des HansOLG Dr. Wantzen erklärte, das bei einem Streitwert von über 20.000,- € die Nichtzulassungsbeschwerden der notwengoe Rechtsweg sei, um ans BVerfG ranzukommen. Nicht und/oder, wie Sie schreiben.
Wer hat recht, Sie, Herr Stadler oder Richter Dr. Wantzen.
Comment by Rolf Schälike — 15.05, 2018 @ 20:18
meedia.de gibt Buske genauer wider als mich es oben getan habne: „Satire kann Kunst sein, muss sie aber nicht“, erklärte Andreas Buske, Vorsitzender Richter des VII. Zivilsenats am OLG, in der Urteilsverkündung. Der Senat halte es für zweifelhaft, ob das gesamte Werk als Kunst im Sinne des Grundgesetzes einzustufen ist. „Die Schöpfungshöhe des Werkes fehlt.“
Comment by Rolf Schälike — 15.05, 2018 @ 20:25
M.E. ein klarer Fall von Forum-Shopping. Immerhin blieb u.a. die erste Zeile „Sackdoof, feige und verklemmt …“ erlaubt.
Comment by JLloyd — 16.05, 2018 @ 13:29
Ich halte das Gedicht für zulässig, weil von der Kunstfreiheit gedeckt, und hoffe, dass Böhmermann/das ZDF den Rechtsweg ausschöpfen und die Sache höchstrichterlich klären lassen. Das hatte das ZDF auch in früheren Erklärungen verlautbart.
Comment by fernetpunker — 16.05, 2018 @ 14:22
Ich wette, dass das BVerfG einen Teil
der Entscheidung aufhebt.
B. ist nun auf der Sonnenseite des Lebens. angekommen. Vor einigen Jahren kannte ihn kein S*…. und jetzt?
Immerhin ist jetzt auch Majestaetsbeleidigung nicht mehr strafbar.
Für E. bleiben dann die Prozesskosten,
ein Putsch und Putin.
Comment by Arne Rathjen RA — 16.05, 2018 @ 21:44