Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

26.11.17

Til Schweiger, brachial wie eh und eh

Das Landgericht Saarbrücken hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der sich gegen den Schauspieler Til Schweiger richtete, mit Urteil vom 23. November 2017 (Az.: 4 O 328/17) zurückgewiesen. Die Entscheidung hat ein enormes mediales Echo erzeugt. Schweiger hat eine private Nachricht einer Frau, die ihm via Facebook-Messenger geschrieben hatte, mitsamt des Profilbilds der Frau auf seine Facebookseite gestellt. Das Landgericht Saarbrücken hat das im Ergebnis für zulässig gehalten. In der Pressemitteilung des Landgerichts heißt es zur Begründung:

Das Gericht hält zwar den Vorwurf einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts für berechtigt, weil der Inhalt privater Nachrichten unabhängig von dem gewählten Kommunikationsweg grundsätzlich nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben werden dürfe. Die Kammer sieht den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht allerdings durch das Informationsinteresse und das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit gedeckt. Die Klägerin habe sich mit ihrer Äußerung über ein großes soziales Netzwerk an den prominenten Beklagten gewandt, um an einer in der Öffentlichkeit geführten kontroversen Debatte teilzunehmen. Dabei habe sie sich ihrerseits nicht neutral verhalten, sondern Kritik am Beklagten geäußert und sich zudem auf eine Behauptung des Beklagten gestützt, die nicht erwiesen werden konnte. Die Klägerin habe sich deshalb ebenfalls der öffentlichen Diskussion und der in diesem Zusammenhang geäußerten Kritik, etwa durch Kommentare auf Facebook, stellen müssen. Dabei habe der Beklagte auch den Namen der Klägerin veröffentlichen dürfen. Maßgebend hierfür sei, dass die Klägerin ihrerseits vor der Veröffentlichung durch den Beklagten unter Angabe ihres vollständigen Namens an die Öffentlichkeit gegangen sei, nämlich in einem Internet-Forum mit ca. 25.000 Mitgliedern.

Die Pressemitteilung deutet bereits auf ein fehlerhaftes Sachverhaltsverständnis der Kammer hin. Es bleibt unklar, was uns die Kammer mit dem Hinweis sagen will, die Klägerin habe sich über ein großes soziales Netzwerk an Schweiger gewandt. Es ist ganz augenscheinlich so, dass die Klägerin den Facebook-Messenger gewählt hat, also den Weg einer privaten, nicht öffentlichen, direkten Kommunikation.

Wer eine solche Kommunikation unter Nennung des Namens und Übernahme des Profilbildes des Betroffenen in den öffentlichen Teil von Facebook zerrt, noch dazu wenn man eine Reichweite wie ein Til Schweiger hat, greift in die Privatssphäre des Betroffenen ein, was regelmäßig unzulässig ist, es sei denn, es liegt beispielsweise ein überwiegendes Informationsinteresse vor. Nachdem die betroffene Frau keine „Public Figure“ ist, besteht kein erkennbares Informationsinteresse, ihre privaten Äußerungen, seien sie auch politischer Natur, an die Öffentlichkeit zu zerren. Auch der Ansatz der Kammer, die Frau sei Schweiger nicht neutral entgegengetreten, sonst hätte ihrerseits Kritik geübt, deutet auf ein falsches Rechtsverständnis hin. Dieser Aspekt kann im Rahmen der gebotenen Abwägung selbst dann keine Rolle spielen, wenn die Frau den Schauspieler beleidigt hätte, was nicht der Fall war. Denn die Ahndung privater, rechtsverletzender Äußerungen ist Sache der Gerichte, während der Weg der öffentlichen Anprangerung, den Til Schweiger gewählt hat, eher ein Indiz für die Unzulässigkeit eines derartigen Vorgehens darstellt. Gerade der Umstand, dass Schweiger gezielt eine Prangerwirkung erzeugt, um die Frau lächerlich zu machen, spricht im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung gegen die Zulässigkeit der Veröffentlichung.

Bleibt also die Frage zu klären, ob sich die Betroffene ihrer Rechte selbst entledigt hat, indem sie den Vorgang in einer geschlossenen Facebookgruppe mit 25.000 Mitgliedern zur Diskussion gestellt hat und sich damit selbst, wie die Kammer meint, in die Öffentlichkeit begeben hat. Dieser Aspekt ist sicherlich abwägungsrelevant, kann aber meiner Ansicht nach nicht dazu führen, dass das Informationsinteresse die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen überwiegt. Zunächst ist eine geschlossene Facebookgruppe, selbst dann wenn sie 25.000 Mitglieder hat und die Zugangshürden sehr niedrig sein mögen, nicht unbedingt öffentlich. Die Inhalte sind nicht allgemein abrufbar und können über gängige Suchtools nicht gefunden werden. Demgegenüber hat Schweiger die Inhalte auf seine Facebook-Seite mit 1,1 Millionen Abonnenten gepostet und damit eine sowohl qualitativ als auch quantitativ den Zugang zu einer ganz anderen ungleich größeren Öffentlichkeit eröffnet.

Hinzu kommt, dass Til Schweiger auch das Profilbild der Frau gepostet hat, was eine Verletzung der Rechte am eigenen Bild darstellt. Dieser Verstoß gegen § 22 KUG wäre selbst dann nicht gerechtfertigt gewesen, wenn Schweiger den Text hätte posten dürfen. Mit diesem Aspekt befasst sich das Gericht, jedenfalls soweit aus der Pressemitteilung ersichtlich, nicht.

posted by Stadler at 14:46  

12 Comments

  1. Aber das Profilbild war doch ohnehin öffentlich zugänglich?!

    Comment by Kein Ohrhase — 26.11, 2017 @ 16:09

  2. Also, wenn ich meine privaten Nachrichten vor 25.000 Leuten ausbreite fällt es schwer, das nicht als Verröffentlichung zu bezeichen.
    Nachher andere dann wegen genau dieser Veröffentlichung zu verklagen ist far out.
    Absolut richtiges Urteil imho, auch wenn ich nicht gerade ein Schweigerfan bin.

    Comment by HerrHase — 28.11, 2017 @ 20:32

  3. Herr Hase:
    Wenn Sie Nacktbilder von sich vor 10 Freunden präsentieren, dann ist es ja völlig in Ordnung, wenn ich diese Bilder 1000 Personen zeigen oder?

    Comment by maSu — 3.12, 2017 @ 00:11

  4. Nein. Whataboutism is grundsätzlich nicht in Ordnung.
    Schon garnicht, wenn man die Größenverhältnisse komplett umdreht und Nacktbilder dazudichtet.

    Comment by HerrHase — 3.12, 2017 @ 17:04

  5. @HerrHase: Komisch und ich dachte das Wort „veröffentlichen“ kommt von „offen“. Genau das ist eine Gruppe bei Facebook eben nicht, weshalb man sie ganz gerne auch als geschlossen beschreibt.

    Ich gebe meine Email-Adresse hier übrigens auch allen Moderatoren bekannt. Und darunter steht „Nicht veröffentlicht“

    Comment by Daarin — 6.12, 2017 @ 15:49

  6. Veröffentlichen kommt übrigens von Öffentlichkeit. ZB 25.000 Personen also Öffentlichkeit in der Größenordnung Mittelstadt. :)

    Und die Mails wurden auch nicht nur den „Moderatoren“ bekannt gegeben.

    0/10

    Comment by HerrHase — 7.12, 2017 @ 11:13

  7. Das zur Diskussion-Stellen eines Vorgangs in einer geschlossenen FB-Gruppe mit 25.ooo Mitgliedern ist mit Sicherheit öffentlich, zumal diese 25.000 Menschen der Damit mit Sicherheit auch nicht alle personal bekannt sind.

    Comment by BrainBug2 — 7.12, 2017 @ 15:56

  8. Wer sich mit Til Schweiger öffentlich oder auch nicht öffentlich einlässt, sollte wissen, dass dieser Quasselkopf anwaltlich vertreten wurde von der Berliner Kanzlei Johannes Eisenberg, neuerdings von der Hamburger Mafia-Schröder-Kanzlei Michael Nesselhauf.
    Schwere Kanonen im kriminell anmutenden Mediengeschäft. Schwer zu überwinden diese Kampftruppe für den normalen Bürger..

    Comment by Rolf Schälike — 14.12, 2017 @ 16:47

  9. Herr Stadler, ich stimme Ihnen in jeder Hinsicht zu. Nun beantworten Sie mir nur eine Frage: Warum haben wir mehr und mehr Fehlurteile von Richtern zu verzeichnen? Juristen, Fachjuristen, Leuten mit zweitem Staatsexamen! Warum liegen diese Typen immer wieder voll neben der OFFENSICHTLICHEN Rechtsprechungsspur, und vor allem, warum unternehmen andere Juristen nichts dagegen? An wen sollen sich die Opfer der Nichtskönner richten? Wo wird ihnen zu ihrem RECHT verholfen, wenn Richter zu Rechtsbrechern werden aufgrund von Unfähigkeit, Faulheit oder eigenem Rechtsempfinden, das mit der Gesetzgebung rein gar nichts mehr zu tun hat? Sind wir schon soweit, dass es nur noch Glücksache ist, nicht an einen Vollidioten zu geraten??

    Comment by Edgar Rohlmann — 5.01, 2018 @ 16:26

  10. Abgesehen davon, dass Schweiger die Haare schön hat, sollten unabhängige Gremien Urteile bewerten dürfen, und Richter sollten gefeuert werden können. Wir haben genug Unfähige im Richteramt, die man einfach nur in die Tonne kloppen kann. Die Klägerin sollte in die nächste Instanz gehen. Geld? Sie kann es online sammeln, Unterstützer gibt es sicher in Massen.

    Was die Schamhaare angeht, so bin ich sicher, dass Schweiger schweigen wird. Seine Friese spricht für sich. Das dürfte auch der dümmste Richter auf Sicht erkennen. Oder nicht? Zweifel sind in diesem Land mit seinen Blödrichtern angebracht.

    Comment by Edgar Rohlmann — 5.01, 2018 @ 17:55

  11. Eine wirklich beachtliche Entscheidung. Besonders bedenkenswert ist, dass das Posting des Bildes nicht untersagt wurde.

    Comment by Müller — 18.01, 2018 @ 14:23

  12. Wenn ich Anwalt der Klägerin gewesen wäre, hätte ich in der Presse ein Pic von dem Richter veröffentlichen lassen mit der Überschrift:

    „Diese Naturschönheit im Richteramt verweigert meiner Mandantin das Recht am eigenen Bild!“

    Man kann sich wehren, das sollte sich hier jeder merken. Immer und ständig kann man seine Rechte durchsetzen oder die Rechtsbrecher zur Rechenschaft ziehen! Egal, um wen es sich handelt. Man sollte niemals aufgeben, sondern immer weiter kämpfen. Richter sind auch nur simple Menschen, sie verfehlen oft genug! Wer einer Mandantin als Richter rechtswidrig das Recht am eigenen Bild abspricht, hat sich vor genau dieser Öffentlichkeit dafür zu verantworten! Mit seinem Gesicht, mit seinem Namen in seinem Richteramt!

    Comment by Edgar Rohlmann — 22.01, 2018 @ 19:05

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