Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

26.4.17

EuGH: Streaming von illegalen Inhalten ist eine Urheberrechtsverletzung

Mit Urteil vom heutigen 26.04.2017 (Az.: C-527/15) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der Verkauf von Mediaplayern, die dem Nutzer einen einfachen Zugang zu illegalen Streamingangeboten ermöglichen, selbst eine öffentliche Wiedergabe im urheberrechtlichen Sinne beinhaltet und damit eine Urheberrechtsverletzung darstellt.

Die Entscheidung ist aber vor allem auch deshalb interessant, weil sie sich zudem mit der Frage befasst, wie das Streaming durch den Nutzer zu bewerten ist. Insoweit kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass der Nutzer, der urheberrechtswidrige Inhalte streamt sich nicht darauf berufen kann, dass er damit eine vom Gesetz (Art. 5 der Infosoc-Richtlinie, in Deutschland umgesetzt in § 44a UrhG) privilegierte Zwischenspeicherung vornimmt. Der Nutzer, der urheberrechtswidrige Inhalte streamt, verletzt also selbst das Urheberrecht, jedenfalls dann, wenn er sich freiwillig und in Kenntnis der Sachlage Zugang zu einem kostenlosen und nicht zugelassenen Angebot geschützter Werke verschafft.

Der EuGH setzt damit eine dogmatisch wenig überzeugende Rechtsprechung fort, die ich an anderer Stelle schon kritisiert hatte.

posted by Stadler at 17:44  

13 Comments

  1. Das Streamen von Filmen aus illegaler Quelle kann – wenn überhaupt, was die Nutzerseite anbetrifft – einzig und allein wegen der dabei entstehenden flüchtigen Kopien untersagt werden. Mit Systemen, die schnell und ohne Zwischenspeicherung auf das Internet zugreifen, wäre das reine Betrachten der Filme ähnlich wie beim Fernsehengucken erlaubt. Niemand muss sich z. B. bei uns Sorgen machen, dass irgendein Schurke Fernsehprogramme mit Raubkopien ausstrahlt.

    Beim Betrachten von Filmen im Internet ist das eigentlich genauso. Der EuGH sieht hier aber eine Chance, dem Nutzer bei der Betrachtung von Raubkopien einen Teil der Schuld anzulasten. Er klammert sich dabei an die bei der Übertragung entstehenden füchtigen Zwischenkopien und greift damit auf ein an den Haaren herbeigezogenes Hilfsargument zurück.

    Was würde der EuGH sagen, wenn die Zwischenkopien bei immer schnelleren Übertragungstechniken plötzlich nicht mehr erforderlich wären.

    Wenn man erreichen, will das Raubkopien nicht betrachtet werden, genügen m. E. Gerichtsentscheidungen nicht. Das müsste man klar in die Gesetzen regeln. Ich will das nicht.

    Comment by Schmunzelkunst — 27.04, 2017 @ 12:22

  2. Komisch, hies es nicht immer beim Streaming sei es noch nicht einmal sanktionsfähig, einen rechtswidrigen Stream zu konsumieren, solange der Konsum selbst privat erfolgt.

    Und nun soll es sanktionsfähig sein, eine hierfür zu verwendende Hard- und Softwarekombination zu verkaufen? Eine Hard- und Software, die ohne weitere technische Geräte (Fernseher) gar nicht in der Lage ist, irgendetwas dem menschlichen Geiste zuzuführen? IMHO ist das absurd.

    Comment by Orlet — 27.04, 2017 @ 13:17

  3. Nachdem auch ganz gewöhnliche Browser wie z.B. Google-Chrome zur Darstellung illegaler Inhalte verwendet werden sollte sich der EuGH umgehend darum kümmern :p

    Comment by H.Trickler — 29.04, 2017 @ 14:42

  4. @Thomas Stadler:
    „Der EuGH setzt damit eine dogmatisch wenig überzeugende Rechtsprechung fort“

    Die Frage ist allerdings, ob der EuGH überhaupt anders entscheiden konnte.

    – Die beim Streaming notwendigerweise anfallenden Vervielfältigungen fallen unter das Urheberrecht (in Deutschland: § 2 UrhG)
    – Die Schranke der Privatkopie (§ 53 UrhG) greift nicht, wenn die Illegalität der Quelle offensichtlich ist.
    – Die Ausnahme für vorübergehende Vervielfältigungen (§ 44a UrhG) greift nur, wenn der Zweck der Vervielfältigung eine rechtmäßige Nutzung ist, was ja im Sachverhalt nicht der Fall ist.

    Es ist nicht zu sehen, wo hier eine Möglichkeit bestehen sollte, den Nutzer, der um die Rechtswidrigkeit der Quelle weiß, rechtlich freizustellen.

    Der EuGH hat wie jedes Gericht die Gesetzeslage zu erforschen. Stattdessen eigenes Recht zu setzen ist ihm nicht gestattet.

    Dazu kommt, dass die gesetzliche Grundlage (InfoSoc-Richtlinie) dem Schutz des Urhebers, nicht des Nutzers dient, siehe folgende Abschnitte der Richtlinie:

    „hohes Schutzniveau des Urheberrechts“ (Nr. 9) – „angemessene Vergütung für die Nutzung der Werke“ (Nr. 10) – „rigorose und wirksame Regelung zum Schutz des Urheberrechts“ (Nr. 11).

    Insofern konnte das Urteil wohl gar nicht anders ausfallen.

    Comment by Oberaufseher — 29.04, 2017 @ 19:31

  5. @Schmunzelkunst:
    Die von dir vertretene Ansicht, bei schnelleren Übertragungstechniken würden beim Streaming keine Vervielfältigungen anfallen, ist technisch falsch.

    Vielmehr fallen bei Vorgängen der Digitaltechnik praktisch immer Vervielfältigungen an. Beim Streaming (also Internet- und Computertechnik) sind das wenigstens folgende:
    – Kopieren des Werks vom Webserver über das Internet in „kleinen Häppchen“ in den Speicher des Computers.
    – Zusammensetzen der eintreffenden „Häppchen“ im Speicher als Ganzes in der richtigen Reihenfolge.
    – Kopieren des Werks aus dem Computerspeicher in den Bildschirmspeicher.
    – Decodieren dieser Fassung des Werks in eine decodierte Fassung.
    – Kopieren des Werks aus dem Bildschirmspeicher auf den Bildschirm.

    Ohne diese Vervielfältigungen würde das Werk nie vom Server auf den Bildschirm gelangen.

    Der Gesetzgeber hat nun entschieden:
    – privater Rundfunk- und Fernsehempfang soll urheberrechtsfrei sein (§ 22 UrhG)
    – ansonsten unterliegen Vervielfältigungen auch im privaten Bereich dem Urheberrecht (§ 2 UrhG) – siehe aber die Schranken für Privatkopie und vorübergehende Vervielfältigungen: die beim Streaming anfallenden Vervielfältigungen sind dennoch frei, sofern der Nutzer weiß oder glauben darf, dass die Quelle legal ist (§§ 53, 44a UrhG).

    Dies betrifft Internet- und Computerrecht.

    Es ist also nicht Willkür des EuGH, dass er beim Streaming von (dem Urheberrecht unterliegenden) Vervielfältigungen ausgeht, sondern technisch vorgegeben und vom Gesetzgeber rechtlich so bewertet. Der EuGH ist daran gebunden.

    Comment by Oberaufseher — 29.04, 2017 @ 20:07

  6. Zum Einwand von „Oberaufseher“ zwei andere Meinungen aus der Fachliteratur:

    §44a knüpft nicht an die Legalität der Quelle, sondern an die der Nutzung an. Der reine Konsum auch eines illegal veröffentlichten Films ist erlaubt (vgl. „Nutzung von Streaming-Portalen – Urheberrechtliche Fragen am Beispiel von Redtube85“ von Peter und Sebastian Hilgert in MMR Heft 2/14.)
    Auch Philipp C. Redlich schreibt in K&R 2/2014, „dass der Gesetzgeber die Freiheit des Werkgenusses – im Gegensatz zur dauerhaften Speicherung und Vervielfältigung – gerade nicht an die Rechtmäßigkeit der verwendeten Quelle geknüpft hat.“

    Der reine Werkgenuss ist keine urheberrechtsrelevante Handlung. Das flüchtige Abspeichern, bei dem – wenn auch nur kurzfristig – eine Vervielfältigung entsteht, ist dagegen sehr wohl eine urheberrechtsrelevante Handlung, die aber auf Grund der Schrankenregelung des § 44a erlaubt sein könnte. Dabei ist es wie z. B. auch bei anderen Schrankenregelungen (z. B. § 57 – unwesentliches Beiwerk) vollkommen egal, ob die Quelle legal oder illegal ist.

    Comment by Schmunzelkunst — 29.04, 2017 @ 20:12

  7. @Schmunzelkunst:
    Streaming besteht aus zwei Nutzerhandlungen:
    a) Auslösen der Vervielfältigungshandlungen (die das Werk aus dem Internet auf den PC und schließlich auf den Bildschirm übertragen) durch Klicken auf ein Icon auf dem Bildschirm
    b) Anschauen/Anhören = reiner Werkgenuss

    Rechtlich werden diese beiden Nutzerhandlungen so bewertet:
    – Der reine Werkgenuss ist immer urheberrechtsfrei
    – Die dazu notwendigen vorgeschalteten Vervielfältigungen unterliegen §§ 3, 53, 44a UrhG.
    Bei § 44a UrhG kommt es nicht auf die Rechtmäßigkeit der Quelle an, sondern auf die Absicht, rechtmäßig zu handeln. Diese fehlt beim Streamen von offenkundig illegalen Quellen.

    Den Fehler bei den von dir zitierten (und umstrittenen) Ansichten sehe ich darin, dass von de beiden beim Streaming stattfindenen Nutzerhandlungen die Vervielfältigungen einfach weggelassen werden und plötzlich nur noch das Konsumieren zählen soll. Diesen Fehler hat der EuGH nicht gemacht.

    Comment by Oberaufseher — 30.04, 2017 @ 11:52

  8. Im Zusammenhang damit hat sich dann wohl auch die Stellungnahme der Bundesregierung, wonach das Streaming unter § 44a UrhG fallen soll, nicht mehr einschlägig.
    https://irights.info/wp-content/uploads/2014/01/KA_Linke_Antwort_Redtube_Abmahnungen.pdf

    Comment by Sebastian — 3.05, 2017 @ 15:53

  9. @oberaufseher
    Besten Dank für die ausführlichen Antworten. Meine Vision von schnellen Internet ohne Zwischenkopien führt in der Tat nicht weiter. Dabei ist die Lösung viel einfacher, wenn man den Erwägungsgrund 33 der InfoSoc Richtlinlie Art 5 betrachtet. Ich zitiere nur den letzten Satz daraus: „(33) … Eine Nutzung sollte als rechtmäßig gelten, soweit sie vom Rechtsinhaber zugelassen bzw. nicht durch Gesetze beschränkt ist.“ Der letzte Teil „bzw. nicht durch Gesetze beschränkt ist“ trifft auch auf das Streamen vom Filmen aus illegaler Quelle zu. Wenn die Nutzung eines des Werks lediglich in der bloßen Betrachtung besteht, sind die flüchtigen Kopien immer erlaubt. Denn die bloße Betrachtung ist urheberrechtsfrei. Sie ist nicht durch Gesetze beschränkt.

    Der EuGH macht – wenn ich das neue Urteil richtig verstehe – ja auch keine Aussage zum Streamen an sich, sondern nur zum Streamen „auf einem multimedialen Medienabspieler wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen“ (also dem holländischen Teufelszeug ;-)).

    Comment by Schmunzelkunst — 4.05, 2017 @ 09:42

  10. @Schmunzelkunst:
    „Wenn die Nutzung eines Werks lediglich in der bloßen Betrachtung besteht …“

    Das eben ist der Fehler in deinen Überlegungen! Beim Streaming besteht die Nutzung nämlich nicht nur aus dem Anschauen / Anhören, sondern vorher muss das Werk vom Webserver in den Computerspeicher und schließlich auf den Bildschirm kopiert werden. Sonst kannst du so viel auf den Bildschirm sehen wie du willst – du wirst nix vom Werk zu sehen bekommen. Auch dieses Kopieren vom Webserver auf den Computer ist Nutzung, und zwar nicht-urheberrechtsfreie Nutzung (wegen § 16 Abs. 1 UrhG).

    Der EuGH beschreibt in Abschnitt 69 seines Urteils 527/15 diese Nutzung beim Streaming als „sich Zugang zu einem Werk verschaffen“.

    Die (Irr)Lehre vom „Werkgenuss als Nutzung“ dürfte sich damit erledigt haben – nicht weil das Anschauen beim Streaming verboten wäre, sondern weil diese Lehre die vorausgehende, nicht-urheberrechtsfreie Nutzung einfach ignoriert.

    Ach ja, selbstverständlich sind die aktuellen Notebooks und Desktop-PCs (nicht nur, aber auch) „multimediale Medienabspieler“! ;-)

    Natürlich wirst du dich nicht von deiner Vision eines Internet, in dem alles ohne Rücksicht auf Urheberrechte zugriffs- und kostenfrei für alle zur Verfügung steht, abbringen lassen. Auch wenn Gesetzeslage und höchstrichterliches Urteil ganz klar anderes besagen. ;-))

    Und damit sollten wir es dabei belassen.

    Comment by Oberaufseher — 6.05, 2017 @ 12:53

  11. @Oberaufseher „Beim Streaming besteht die Nutzung nämlich nicht nur aus dem Anschauen / Anhören, sondern vorher muss das Werk vom Webserver in den Computerspeicher und schließlich auf den Bildschirm kopiert werden.“

    Was aber dem Durchschnittsnutzer oft nicht bewusst und jedenfalls nicht von ihm kontrollierbar ist. Er klickt auf einen Link und sieht ein Video, so er wie auf die Fernbedienung drückt und fernsieht oder heutzutage eben auch auf einen Link klickt und IPTV sieht. Dabei entstand streng genommen schon beim hergebrachten Röhrenfernsehen eine temporäre Kopie, denn nichts anders wird durch die Nachleuchtdauer der Röhre bewirkt, die man ja auch fotografieren oder filmen und damit in eine dauerhafte Kopie überführen kann. Heutzutage bewirkt der Seher durch den bloßen Klick möglicherweise eine Erstellung einer temporären Kopie in irgendeinem Cloudcache im Internet auf einem Rechner, der überhaupt nicht seiner Kontrolle unterliegt.

    Comment by thorstenv — 9.05, 2017 @ 16:01

  12. „Bei § 44a UrhG kommt es nicht auf die Rechtmäßigkeit der Quelle an, sondern auf die Absicht, rechtmäßig zu handeln. Diese fehlt beim Streamen von offenkundig illegalen Quellen.“

    Für die Feststellung, ob dies offenkundig ist, ist aber der Benutzerhorizont entscheidend. Soweit ich die Berichte darüber verstanden habe ist bei dem Abspielgerät aber gerade so, dass es Benutzer es schon so vorkonfiguriert erhält, dass er damit diverse Internetangebote abrufen kann von denen einige illegal sind. Wodurch soll er hier die offenkundige Illegalität erkennen, im Gegensatz beispielsweise zu einem Suchergebnis von Google?

    Comment by thorstenv — 9.05, 2017 @ 16:11

  13. Oberaufseher macht aus technischen Vorgängen (begleitende, flüchtige Zwischenspeicherung) absichtlich angefertigte Kopien. Das ist natürlich absurd deutet auf Absicht: entweder ist er ein Troll oder ein Anwalt für Rechteverwerter.

    Comment by Wolf-Dieter Busch — 9.05, 2017 @ 18:14

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