Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.12.16

Es ist (wieder) riskant, Links zu setzen

In den letzten Tagen wurde eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Hamburg (Beschluss vom 18.11.2016, Az.: 310 O 402/16) heftig diskutiert, die es einem Webseitenbetreiber verboten hatte, auf eine andere Website, die ein urheberrechtlich geschütztes Bild enthielt zu verlinken. Auch wenn das Landgericht Hamburg im Rahmen einer Einzelfallabwägung u.U. auch anders hätte entscheiden können, war die Linie bereits durch ein Urteil des EuGH – das ich hier im Blog kritisch besprochen hatte – vorgegeben.

Der Europäische Gerichtshof vertritt die Auffassung, dass das Setzen von Hyperlinks auf Websites die geschützte Werke enthalten, die ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, dann eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne des Urheberrechts darstellt, wenn der Link mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurde. Wer Hyperlinks in Gewinnerzielungsabsicht setzt, muss sich demnach also vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so der EuGH.

Das Grundproblem resultiert letztlich aus einer nicht nachvollziehbaren Differenzierung des EuGH. Der Gerichtshof geht davon aus, dass ein Link auf Inhalte, die mit Zustimmung des urheberrechtlich Berechtigten im Netz stehen, schon gar keine urheberrechtlich relevante Handlung darstellt, während Links auf Inhalte die urheberrechtswidrig online sind, eine öffentliche Wiedergabe darstellen sollen, wenn schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) verlinkt wird oder der Setzer des Links in Gewinnerzielungsabsicht handelt. Die in objektiver Hinsicht identische Handlung (Setzen eines Links) wird also, abhängig von subjektiven Umständen, einmal als unbeachtlich betrachtet und ein anderes Mal als relevante Nutzungshandlung.

Aus meiner Sicht wäre folgende juristische Betrachtung angebracht: Ausgangspunkt sollte die Prämisse eines Tim-Berners Lee sein, dass das Setzen eines Hyperlinks, auch vor dem Hintergrund der Kontsruktion des WWW, für sich genommen nichts besagt und nur einen Verweis auf eine externe Quelle beinhaltet. Anschließend wäre festzustellen, dass die originäre und relevante Rechtsverletzung dort stattfindet, wo das geschützte Werke widerrechtlich ins Netz gestellt wurde. Der Link steht und fällt mit dieser fremden Rechtsverletzung. Verschwindet das Werk an seiner Quelle, läuft der Link hierauf ins Leere. Derjenige der einen Link setzt, kann natürlich im Sinne einer Beihilfe oder Mittäterschaft diese fremde Rechtsverletzung unterstützen. Der Link auf Inhalte, die bereits frei zugänglich online sind, beinhaltet allerdings keine (erneute) öffentliche Zugänglichmachung/Wiedergabe im Sinne des Urheberrechts und damit keine eigenständige Nutzungshandlung des Linkenden. Es ist also anhand des Linkkontexts im Einzelfall zu prüfen, ob derjenige der den Link setzt, die fremde Urheberrechtsverletztung unterstützt und unterstützen will. Hierbei ist es aus meiner Sicht allerdings gänzlich unerheblich, ob der Link in Gewinnerzielungsabsicht erfolgt oder nicht. Das Urheberrecht ist kein gewerbliches Schutzrecht, so dass ein Handeln im geschäftlichen Verkehr, anders als bei gewerblichen Schutzrechten wie Marken, gerade keine Voraussetzung einer Rechtsverletzung ist.

Alle Portale, Blogs, Webseiten, die in Gewinnerzeilungsabsicht betrieben werden, haften danach, wenn sie auf Fremdinhalte verlinken, die Urheberrechte verletzten. Das Problem ist der EuGH, der das Internet nicht verstanden und zudem eine Entscheidung getroffen hat, die auch in rechtsdogmatischer Hinsicht schwer nachvollziehbar ist. Wir werden abwarten müssen, was andere nationale Gerichte aus der Vorgabe machen und ob der EuGH demnächst die Möglichkeit wahrnimmt, seine Entscheidung abzuschwächen. Die deutschen Gerichte haben aber vorerst wohl nur bei der Frage der Gewinnerzeilungsabsicht Spielraum. Man kann also nur die Frage stellen, ob der Hyperlink unmittelbar in Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden muss oder ob es reicht, dass das verlinkende Angebot als solches in Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.

posted by Stadler at 09:41  

19 Comments

  1. M.E. ergibt das EuGH-Urteil nur Sinn, wenn man eine Fair-Use-Regelung analog den USA hat – also vermutlich überall in Europa ausser in Deutschland. Dazu eine breitere Auslegung des Gewinnerzielungsarguments – blosse Affiliate-Links, vglw. wenig Werbung mit geringer Reichweite, kein Unternehmen hinter der Website – als wir sie in D erleben und das Urteil wäre für jeden einsichtig.

    Da wir aber schon bei nur einem Affiliate-Link oder einer fitzeligen Google-Anzeige als ‚gewinnerzielend‘ eingeschätzt werden können und nur das sehr eng aufgefasste Zitatrecht kennen, funktioniert der EuGH-Spruch bei uns eher einschränkend als öffnend.

    Comment by Dierk — 13.12, 2016 @ 10:07

  2. Was ich nicht verstehe, wie unter diesen Umständen ein „linksetzungs“ Portal wie google noch möglich sein soll.

    Comment by Max Mustermann — 13.12, 2016 @ 10:24

  3. Links sind wichtig und dienen meiner Meinung nach im weitesten Sinne auch einer Meinungsfreiheit.
    Jeder darf und soll eine eigene Meinung haben dürfen und die eigene Meinung darf nicht verboten werden.

    Comment by Nico — 13.12, 2016 @ 10:38

  4. @Dierk:
    Es gibt in der ganzen EU keine Fair-Use-Regelung, noch kann es diese aktuell geben.
    Die möglichen urheberrechtlichen Ausnahmen wurden in der Infosec-Richtlinie harmonisiert, diese sind ein festgeschriebener Katalog.
    Holland und die skandinavischen Länder wollten damals bei der Entstehung der Richtlinie eine Fair-Use-Regelung einführen, scheiterten damit aber. Von der EU-Kommission wurde eine Fair-Use-Regelung abgelehnt weil diese davon ausgeht, dass diese gegen den Drei-Stufen-Test von der Berne Convention & Trips verstößt.

    Comment by Para — 13.12, 2016 @ 10:55

  5. @Max Mustermann
    Für Suchmaschinen (und Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten) gilt das Haftungsprivileg aus § 10 TMG, weil es sich um „fremde Informationen“ handelt. Hier tritt die Haftung erst ab Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information ein.

    Comment by RA Michael Seidlitz — 13.12, 2016 @ 10:59

  6. Eine Frage: Ein Link (eine URL-Adresse) führt ja selten zu einer Website im Allgemeinen, sondern meistens zu einem konkreten Text-Beitrag, einem Bild, einer Graphik etc.. Wenn nun aber die Urheberrechtsverletzung auf der angesteuerten Seite Bilder, Texte, Graphiken etc. betrifft, die von der Verlinkung gar nicht aufgerufen werden, wie kann es sich dann um eine Urheberrechtsverletzung durch Zugänglichmachung handeln? Die Urheberrechtsverletzung gerät doch gar nicht ins Blickfeld von Leuten, die nur auf diesen konkreten Link klicken. Eigentlich kann eine Verlinkung nur dann Urheberrechte verletzen, wenn der Link ganz konkret zu einem Foto, einem Text, einer Graphik etc. führt, an dem der Webseitenbetreiber keine Nutzungsrechte hat. Oder?

    Comment by Wolfgang Michal — 13.12, 2016 @ 11:40

  7. Übrigens, das Landgericht selbst weigert sich übrigens zu erklären, dass seine eigene Webseite frei von Urheberrechtsverletzungen ist. Nachzulesen unter: https://www.heise.de/newsticker/meldung/LG-Hamburg-will-Rechtmaessigkeit-seiner-Online-Inhalte-nicht-rechtsverbindlich-erklaeren-3568292.html

    Comment by Markus — 13.12, 2016 @ 13:03

  8. Das mit der Gewinnerzielungsabsicht ist in der Tat Quatsch. Ein Unrecht wird nicht dadurch legalisiert, dass ich damt keine Gewinnerzielungsabsicht habe. Dazu kommt, wenn ich in meinem Blog Kommentare erlaube, und dort werden Spam-Kommentare mit Gewinnerzielungsabsicht hinterlassen, hafte ich dann plötzlich für Links auf Seiten, deren korrekte Einhaltung des Urheberschutzes ich gar nicht prüfen kann?

    Das mit der Unterstützungsabsicht ist aber auch so eine Sache. Wenn ich einen Link auf eine Seite setze und im Kontext dieses Links auf den Text der verlinkten Seite abhebe, unterstütze ich damit ein eventuell unberechtigt dort gezeigtes Bild, das ich vielleicht dank Imageblocker gar nicht gesehen habe? Einem Gericht wie dem Hamburger LG traue ich nicht zu, hier differenzieren zu können.

    Comment by Siegfried — 13.12, 2016 @ 15:56

  9. Womit die erwähnte Rechtssprechung die Möglichkeit offen lässt, ohne href-Kodierung eine rein beschreibende Text-URL zu verwenden, die keinen Link oder Hyperlink darstellt.

    Comment by Alexander Vollmer — 13.12, 2016 @ 19:16

  10. @ Thomas Stadler

    Sie Scherzkeks Sie! Und ich dachte schon, links zu sein, sei wieder riskant. Na dann ist doch eigentlich alles in Ordnung, oder? Das bisschen Linkhaftung.

    Comment by Fritz — 13.12, 2016 @ 20:21

  11. @Seidlitz

    Danke für die Antwort.

    Was ich weiter nicht verstehe:

    Wenn einmal ein link gesetzt wurde, ist damit ja nicht gesagt, dass der verlinkte inhalt nicht in zukunft geändert wird.

    Muss man sich das auch anrechnen lassen?

    Also nicht nur bei linksetzung kontrollieren sondern auch weiterhin kontrollieren, ob nicht neues material dazugekommen ist?

    Comment by Max Mustermann — 14.12, 2016 @ 00:51

  12. Und noch eine doofe Frage:

    Was ist mit tinyurl?

    Das ist ja ein „indirekter“, der erstmal bei einem „Drittanbieter“ umgewandelt wird.

    Gibt es indirekte links?

    Comment by Max Mustermann — 14.12, 2016 @ 00:55

  13. Wie konnte man die Rechtsprechung auch ausgerechnet Leuten überlassen, die Jura studiert haben?!

    Comment by Tim — 14.12, 2016 @ 09:06

  14. Erinnert mich an den ultimativen Richterwitz: Angela Marquardt wurde vor vielen Jahren angeklagt, weil sie eine Zeit lang auf ihrer HP eine Internetseite verlinkt hatte, die später (notabene: NACH Entfernen dieses Links!) eine Bauanleitung für sog. Molotow-Cocktails veröffentlicht hatte. Vorwurf: Aufruf zur Gewalt oder so.
    Ihr Verteidiger argumentierte unter anderem, dass man eine solche Bauanleitung [Wer braucht die eigentlich?] jederzeit viel einfacher über eine Suchmaschine wie Google finden könne. Entgegnung des Richters: „Wenn man weiß, dass es sowas gibt.“

    Comment by Deti — 14.12, 2016 @ 10:44

  15. Am liebsten verlinke ich auf eigene Seiten, ganz ohne Gewinnerzielungsabsicht.
    Zum Beispiel den Schlusssatz hier:
    http://www.schmunzelkunst.de/saq2.htm#plagiate
    „Solche komplizierten Fälle zeigen, dass die Gerichte und auch der Gesetzgeber mit dem Urheberrecht überfordert sind. Wahrscheinlich ist die vollständige Abschaffung, wie im Buch „No Copyright“ von Joost Schmiers und Marieke van Schijndel gefordert, der beste Weg.“ Der Hinweis wird ja wohl erlaubt sein.

    Comment by Schmunzelkunst — 14.12, 2016 @ 13:00

  16. Ich bin immer wieder fasziniert, wie inkompetent Gerichte sind, wenn es um dieses „Internet“ geht.

    Selbst wenn man der Argumentation von Stadler folgen möchte, stellt sich noch die Frage, ob sich der verlinkte Inhalt zwischenzeitlich geändert hat. D.h. wer Beihilfe leisten würde, dem muss nachgewiesen werden, dass zum Zeitpunkt der Verlinkung unter dem jeweiligen Link bereits urheberrechtlich geschütztes Material zu finden war. Kann dies nicht nachgewiesen werden, reicht ggf. noch für „Fahrlässigkeit“, wenn man nachweisen kann, dass der „Verlinkende“ gar nicht geprüft hat, ob das verlinkte Objekt urheberrechtlich geschützt war.

    Desweiteren stellt sich die Frage, wie oft jemand seine Links überprüfen müsste, um nicht im Zweifel wegen „fahrlässiger Beihilfe“ haften zu müssen?

    Beide Beweisführungen halte ich für nahezu unmöglich zu führen. Und damit müsste verlinken – auch urheberrechtlich geschützter Inhalte – immer(>99,99%) mit einem Freispruch enden.

    Irgendwie macht diese ganze Rechtsprechung keinen Sinn. Ich verstehe auch nicht, warum dt. Provinzrichter an die Idiotie aus Brüssel gebunden sein sollten? Dummes Zeug wird nicht besser, wenn der Verfasser in Brüssel arbeitet.

    Comment by maSu — 14.12, 2016 @ 13:14

  17. Eine Prüfung der verlinkten Inhalte ist, wie der Heise-Verlag eindrucksvoll demonstrierte, praktisch unmöglich, da der Webseitenbetreiber, in dem Fall war es das LG Humbug, an keine Erklärungspflicht gebunden ist.
    Neuland eben.

    Comment by Bender — 14.12, 2016 @ 14:49

  18. Um die Wirkung des Beschlusses des LG Hamburg in der Praxis beurteilen zu können, sollte man sich auch konkrete Änderungen, die sich daraus ergeben haben anschauen, zum Beispiel http://www.bvb-forum.de/index.php?id=1383119 . Hier verbietet zum Beispiel der Forumsbetreiber eines Fussballclubs das setzen von Links in Forumsbeiträgen und begründet seine Entscheidung mit dem Beschluss des LG Hamburg. Der Beschluss entfaltet seine Wirkung nicht deshalb, weil er fälschlicherweise als juristisch “korrekt” wahrgenommen wird, sondern weil er Rechtsunsicherheit schafft.

    Comment by Gerhard Eiche — 14.12, 2016 @ 14:59

  19. @Alexander Vollmer

    Die Frage diskutieren wir z.Z. auf
    https://irights.info/artikel/wann-verletzen-links-urheberrechte-es-bleibt-kompliziert

    Siehe dort die Kommentare 7ff. Ich hatte zunächst – wie dort auch David P. – gedacht, dass die reine Textwiedergabe einer URL auf einer Internetseite unproblematisch sei, bekam aber dann Bedenken, weil ja beim Lesen einer Textseite in einem Internetbrowser das Kopieren und Einfügen (copy and paste) einer URL fast genauso schnell und leicht zum Ziel führt wie das Anklicken eines Links. Aber seht bitte selbst.

    Comment by Schmunzelkunst — 16.12, 2016 @ 19:36

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