Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.5.16

Urheberrechtsverletzung durch Tweet?

Das OLG Köln hat mit Urteil vom 08.04.2016 (Az.: 6 U 120/15) eine Berufung eines Verlages zurückgewiesen, der geltend gemacht hatte, durch die Übernahme des Untertitels eines Buches in einem Tweet (auf Twitter) sei in seine urheberrechtlichen Nutzungsrechte eingegriffen worden. Konkret ging es darum, dass der Satz „Wenn das Haus nasse Füße hat“, der in einem von der Klägerin verlegten Buch als Untertitel diente, von der Beklagten in einer Kurznachricht bei Twitter verwendet worden war.

In seiner Urteilsbegründung führt das Oberlandesgericht aus, dass der Ausdruck „Wenn das Haus nasse Füße hat“ nicht als Sprachwerk im Sinn des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG schutzfähig sei, weil es an der notwendigen Schöpfungshöhe fehle. Konkret heißt es dazu in der Urteilsbegründung:

Sprachliche Mitteilungen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützt, wenn sie entweder ihrer Darstellungsform nach oder wegen ihres Inhaltes eine persönliche geistige Schöpfung beinhalten. Nach der Rechtsprechung führt eine durch die individuelle Gedankenführung geprägte sprachliche Gestaltung ebenso zum Urheberrechtsschutz wie eine individuelle Auswahl oder Darstellung des Inhalts (BGH, GRUR 1997, 459, 460 – CB-Info Bank I; Senat, GRUR-RR 2003, 265 ff. – Wanderführer; Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 48). Je länger ein Text ist, desto größer sind die Gestaltungsmöglichkeiten, so dass umso eher eine hinreichende eigenschöpferische Prägung erkannt werden kann (Senat, ZUM-RD 2012, 35 = juris Tz. 3). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass, je kürzer der Text ist, umso höhere Anforderungen an die Originalität zu stellen sind, um noch eine eigenschöpferische Prägung annehmen zu können. Auf diese Weise wird zugleich sichergestellt, dass einfache Redewendungen der Alltagssprache für den allgemeinen Gebrauch freigehalten werden.

Nach diesen Maßstäben kommt dem Ausdruck „Wenn das Haus nasse Füße hat“ kein Urheberrechtsschutz zu. Eine besondere sprachliche Gestaltung weist er nicht auf, sondern ist eine schlichte, auch in der Alltagssprache mögliche Konstruktion. Er ist daher nicht mit dem Zitat von W „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut” vergleichbar, auf das die Klägerin verwiesen hat und das vom LG München aufgrund seiner „Wortakrobatik“ als schutzfähig angesehen worden ist (GRUR-RR 2011, 447). Entgegen der Ansicht der Klägerin vermittelt der Ausdruck auch keinen besonders originellen gedanklichen Inhalt, insbesondere handelt es sich nicht um einen Aphorismus. Ein Aphorismus ist ein prägnant-geistreicher, in sich geschlossener Sinnspruch in Prosa, der eine Erkenntnis, Erfahrung oder Lebensweisheit vermittelt (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 8. Aufl. 2015, s. v.). Der Ausdruck „Wenn das Haus nasse Füße hat“ vermittelt demgegenüber keinen eigenständigen gedanklichen Inhalt. Es handelt sich nicht um einen vollständigen Satz, so dass er inhaltlich offen ist. Denkbar sind Fortsetzungen wie „… ist das nicht weiter schlimm“ oder andererseits „…sollte etwas dagegen getan werden“. Als Untertitel eines Buches, das sich mit Mauertrocknung und Kellersanierung befasst, mag der Ausdruck über ein gewisses Maß an Originalität verfügen, ist aber im Kern eine beschreibende Inhaltsangabe. Titel, die keine reinen Fantasietitel sind, sondern sich auf den Inhalt des Werks beziehen, können aber grundsätzlich keinen Urheberrechtsschutz beanspruchen (Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl. 2015, § 2 Rn. 110 m. w. N.). Daran ändert auch der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat näher dargelegte „Schöpfungsprozess“ (Vergleich von durchnässten Schuhen mit einer feuchtigkeitsgeschädigten Wand) nichts, der zwar seinerseits eine gewisse Originalität beanspruchen kann. Maßgeblich ist aber das Ergebnis dieses Prozesses, und dieses stellt eben, wie dargelegt, keine ausreichend individuelle geistige Leistung dar.

Das bedeutet allerdings nicht, dass kurze Texte nie eine ausreichende Schöpfungshöhe im urheberrechtlichen Sinne erreichen. Ob und unter welchen Voraussetzungen Tweets urheberrechtlich schutzfähig sein können, habe ich vor einigen Jahren bereits erläutert.

posted by Stadler at 16:55  

Ein Kommentar

  1. Bin gespannt, wenn sich mehr Erdogans melden und ihre Persönlichkeitsrechte in Deutschland einklagen. Bisher habe ich nur einen Minister aus Russland und einen mafiösen Bürgermeister aus dem Baltikum, welche erfolgreich in Hamburg klagten und die Presse wg. mangelnder Recherche bzw. fehlenden Beweisen einknickte.
    Was passiert mit unseren westlichen rechtsstaatlich geschützten Werten, wenn es in China, Indien, Südamerika und anderswo mehr Patente gibt, als in der westlichen Gemeinschaft, und der wirtschaftliche Druck von Ost nach West umkippt?‏ Was wird, z.B., Monsanto machen?
    Bei den Urheberrechten wird es in Zukunft nicht anders aussehen. Die Besitzer von Urheberrechten werden betteln, gelesen, gesehen, zur Kenntnis genommen zu werden.
    .

    Comment by Rolf Schälike — 6.05, 2016 @ 20:05

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