Noch ein paar allgemeine Gedanken zu TTIP
Warum man das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP allein wegen des Verfahrens in dem es verhandelt wird, ablehnen muss, habe ich hier bereits ausführlich erläutert. Eine internationale Vereinbarung von einer derartigen Tragweite sollte mindestens so transparent verhandelt und abgeschlossen werden, wie das bei einem Gesetzgebungsverfahren der Fall ist. Vor allen Dingen müssen alle betroffenen gesellschaftlichen Gruppen frühzeitig beteiligt werden. Stattdessen verhandeln bei TTIP Regierungsvertreter und Wirtschaftslobbyisten unter Ausschluss der Zivilgesellschaft hinter verschlossenen Türen. TTIP geht uns alle an, denn es wird sich auf viele, wenn nicht auf alle Bürger auswirken. Informationen zum aktuellen Verhandlungsstand erhält man als Bürger allerdings nur verzögert und auch nur unvollständig. Martin Lindner hat es bei Twitter kurz und knackig auf den Punkt gebracht:
gesetzt den fall, ttip wäre richtig: dann muss man immer noch dagegen sein. so kann man entscheidungen dieser tragweite nicht treffen.
Aber auch inhaltlich stimmt bei TTIP die Marschroute nicht. Bevor man sich mit den Details befasst, gilt es den Grundansatz des Abkommens zu beleuchten. Und der besteht darin, große, weltweit agierende Konzerne zu stärken und zwar zulasten der beteiligten Staaten und damit letztlich zulasten der Bürger. Die Handlungsfähigkeit der Politik und der (nationalen) Gesetzgebung soll beschränkt, die Position großer Konzerne gestärkt werden. Auch wenn TTIP sicherlich eine Reihe von Einzelmaßnahmen enthält, die man für vernünftig und richtig halten kann, bleibt der Grundansatz verfehlt.
TTIP hat aber noch eine ganz andere Dimension. Es verfestigt den Ansatz der westlichen Welt als Closed Shop. Damit wird die Kluft gegenüber Schwellen- und Entwicklungsländern verstärkt, die nicht nur bei diesem Abkommen außen vor bleiben. Das ist gerade angesichts der aktuellen „Flüchtlingskrise“ ein Ansatz den man überdenken sollte. Wer Fluchtursachen bekämpfen und die Situation in den Heimatländern der Flüchtlinge verbessern will, kann nicht gleichzeitig Abkommen wie TTIP befürworten. Vielmehr müssen wir den Blick auf eine gerechtere Weltordnung richten und genau dafür steht TTIP nicht.
Wenn sich TTIP darauf beschränken würde, Standards anzugleichen, die aus traditionellen Gründen unterschiedlich sind, z.B. die Farbe von Pkw-Blinkern, wäre das ja ok. Tatsächlich scheint es aber so zu sein wie Du sagst, dass TTIP die politischen Spielräume der Vertragsstaaten einschränkt und den Investoren Rechte gibt, die eine Korrektur umwelt- und sozialschädlicher Praktiken effektiv verhindern. Z.B. durch Schadensersatz wegen „indirekter Enteignung“ bei Verbot von Raubbau an öffentlichen Gütern.
Comment by Anonymous — 13.10, 2015 @ 14:24
Obwohl sich so viele Menschen gegen TTIP aussprechen, befürchte ich, dass man die größten Verbrecher auf diesem Erdball nicht aufhalten kann. Warum einige unserer Politiker das absegnen wollen, ist mir schleierhaft.
Comment by Reinhold Pomaska — 13.10, 2015 @ 22:26
Die Motivation der Politiker zu solch einem Abkommen bleibt in der Tat rational nicht nachvollziehbar, zumal sie sich hier ja eigentlich selbst abschaffen. Nur Dummheit kann es nicht sein. Was also dann? Ein Schelm, der dabei Böses denkt.
Comment by Angelika Ruhrberg — 16.10, 2015 @ 20:55
In Sachen AKW, BER-Flughafen, VW und WM haben Deutsche sicher volle Kompetenz an den Tag gelegt.
Deutschland geht den Bach runter. Es ist ja fürchterlich, was sich hierzulande abspielt.
Comment by Efren — 17.10, 2015 @ 17:24
Entweder ist den TTIP-Befürwortern unter den Politikern noch gar nicht klar geworden – oder sie verschweigen es bewusst, dass es bei dem Abkommen gar nicht nur um Zölle, Handel und Wirtschaftswachstum geht. Die Großkonzerne beiderseits des Atlantiks produzieren schon längst in den betreffenden Ländern.
Für die Angleichung von technischen Standards und Zulassungverfahren benötigt man keinen „Völkerrechtsvertrag“, der gar unser Grundgesetz ausser Kraft setzen würde.
Es geht hier eindeutig um Machtzugewinn des Kapitals und damit um das der Konzerne. Mit Hilfe der in Rede stehenden „regulatorischen Kooperation“ verschaffen sie sich die Möglichkeit,, den Regierungen aufzuzeigen was sie dürfen und was nicht. Sie entscheiden was Handelhemmnisse sind und unterbinden die Gestaltungsfreiheit der Regierungen und Parlamente. Damit werden demokratisch gewählte Regierungen zu Erfüllungsgehilfen des Kapitals.
Ist das den Parlamentsmitgliedern überhaupt bewusst?
Comment by Horst Sellge — 18.10, 2015 @ 14:48