Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

15.10.15

Datenhehlerei: Eine Anti-Whistleblower-Regelung

Im Zuge der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung wird der Bundestag voraussichtlich nebenbei auch noch den Straftatbestand der „Datenhehlerei“ neu einführen. Zu diesem Vorhaben habe ich bereits im Frühjahr gebloggt. Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, hat das Gesetzesvorhaben in Gastbeiträgen für die SZ und für Heise deutlich kritisiert und als Gefahr für die Pressefreiheit bezeichnet.

Die Vorschrift wird folgenden Wortlaut haben:

§ 202d
(1) Wer Daten (§ 202a Absatz 2), die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.
(3) Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Dazu gehören insbesondere
1. solche Handlungen von Amtsträgern oder deren Beauftragten, mit denen Daten ausschließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen, sowie
2. solche beruflichen Handlungen der in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Personen, mit denen Daten entgegengenommen, ausgewertet oder veröffentlicht werden.

Der bereits im Vorfeld geäußerten Kritik ist das BMJ insofern nachgekommen, als man für Journalisten (in § 53 Abs. 1Nr. 5 StPO genannte Personen) eine Privilegierung eingeführt hat. Das Privileg gilt allerdings nur für berufliche Handlungen von Journalisten, was beispielsweise dazu führen wird, dass die meisten Blogger sich nicht auf die Privilegierung berufen können. Ganz konkret würde ich mich hier als Blogger strafbar machen, wenn ich geleakte Informationen, die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, auch nur entgegennehme, geschweige denn veröffentliche.

Anstatt also das Whistleblowing zu privilegieren, damit Missstände leichter aufdeckt werden können, pönalisiert der Gesetzgeber im Gegenteil bereits diejenigen, die Informationen von einem Whistleblower nur entgegennehmen. Das Tucholsky-Zitat

Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.

beansprucht damit weiterhin Geltung.

Ob man sich selbst als klassischer Journalist auf das enge Privileg einer beruflichen Handlung berufen kann, bleibt letzlich im Einzelfall unklar und führt zu Rechtsunsicherheit. Gerade dieser, gegen die Meinungs- und Pressefreiheit gerichtete Abschreckungseffekt, könnte politisch gewollt sein und die eigentliche Intention der geplanten Regelung darstellen.

posted by Stadler at 14:15  

14 Comments

  1. Beim Presserecht, den Pressekammern, genauer dem Zensurrecht, den Zensurkammern ist es doch heute de facto so. Beweisanträge werden verworfen mit der Begründung der unerlaubten Ausforschung. In Zukunft wird man sich nun offenbar strafbar machen, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass die Herkunft von Beweisen mit keiner möglichen Straftat verbunden ist.

    In Deutschland Heute kann jede Handlkung als Straftat bewertet werden. Die Gesteze lassen alles zu. Die Rechtsporechung kann wes hinbiegenh, wie gerade gewünscht.

    Comment by RolfSchaelike — 15.10, 2015 @ 14:40

  2. Es sind Fälle konstruierbar, in denen ein Blogger gutgläubig geheime Dokumente veröffentlcht.

    Ich frage mich, ob diese Regelung nicht konkret verfassungswidrig ist in dem Sinn, dass es mit Aussicht auf Nicht-Abweisung beim BVerfG niedergeklagt werden kann.

    Comment by wdb — 15.10, 2015 @ 17:59

  3. Nachtrag, mit der Regelung werden die Risiken eines Geheimnisträgers dem Normalbürger aufgehalst.

    Comment by Wolf-Dieter — 15.10, 2015 @ 18:15

  4. Erstmal ist es gesetzlich nicht festgelegt, wer oder was ein Journalist ist. Die Berufsbezeichnung ist frei.

    Zweitens haben mittlerweile alle seriösen und namenhaften Online-Blätter den anonymen Briefkasten eingerichtet, daher ist man auf Blogger erstmal nicht angewiesen.

    Drittens haben sich Politik und Justiz bereits einmal die Finger verbrannt bei netzpolitik.org.. Auch Dumme sind lernfähig und gehen nicht in eine Wiederholung.

    Viertens wird gegen die VDS ein Eilantrag erfolgen, der das Gesetzesvorhaben auf Eis legt, genauso, wie wir es damals gemacht haben.

    Comment by Efren — 15.10, 2015 @ 18:27

  5. @Efren – du hast gesegnetes Gottvertrauen. (Nicht persönlich nehmen, bitte.)

    Comment by Wolf-Dieter — 15.10, 2015 @ 19:10

  6. Nö, habe ich nicht. Ich bin Atheist. Ich wollte den Gläubigen nur den Weg weisen. ;-)

    Comment by Efren — 15.10, 2015 @ 19:46

  7. Ps. Habe aber keine Angst. Wir beschützen das Web. Glaube mir, niemand führt die VDS in Deutschland ein. Sei ganz vertrauensvoll, wir machen das schon. Wir sind sehr zuversichtlich.

    Comment by Efren — 15.10, 2015 @ 20:06

  8. Pps. Und jetzt holen wir Julian aus GB raus. Der sitzt seit 2012 bei den Inselaffen fest, aus Angst, an die USA ausgeliefert zu werden über Schweden (deren Hinterküsserei bezüglich der USA in zahlreichen Fällen bekannt ist). Doch bald ist es geschafft.

    Er wird befreit.

    Comment by Efren — 15.10, 2015 @ 20:28

  9. Ich hätte eine Frage dazu!

    Angenommen ich bin ein Aktivist, der recherchiert mit Talent Daten aufzufinden, die entweder durch Schlamperei von Administratoren oder durch hacker im Internet für fast die ganze Welt (Ausnahmen China teilweise, Iran, Saudi Arabien, Nordkorea aufgrund von Filtern derer Regierungen) öffentlich sichtbar gemacht wurden. Ich veröffentliche teilweise diese Daten weiter im Netz oder verlinke auf die Quelle.

    Ich selber hacke nicht (mehr) und breche auch in kein Computer System ein oder verschaffe mir sonst unberechtigt Zugang.

    Ich folge auch einer gewissen Ethik und gebe keine militärisch brisanten Dinge weiter, nur politische.

    Besteht auch entfernt nur die Möglichkeit, dass ich mich aufgrund der neuen Gesetzeslage strafbar mache?

    Comment by Heinrich Elsigan — 16.10, 2015 @ 10:11

  10. Ich hätte eine Frage dazu!

    Angenommen ich bin ein Aktivist, der recherchiert mit Talent Daten aufzufinden, die entweder durch Schlamperei von Administratoren oder durch hacker im Internet für fast die ganze Welt (Ausnahmen China teilweise, Iran, Saudi Arabien, Nordkorea aufgrund von Filtern derer Regierungen) öffentlich sichtbar gemacht wurden. Ich veröffentliche teilweise diese Daten weiter im Netz oder verlinke auf die Quelle.

    Ich selber hacke nicht (mehr) und breche auch in kein Computer System ein oder verschaffe mir sonst unberechtigt Zugang.

    Ich folge auch einer gewissen Ethik und gebe keine militärisch brisanten Dinge weiter, nur politische.

    Besteht auch entfernt nur die Möglichkeit, dass ich mich aufgrund der neuen Gesetzeslage strafbar mache?

    Um es noch genauer zu spezifizieren, 90% der weiter veröffentlichten Daten werden von mindestens 2 legalen Suchmaschinen (z.B. Google und Yahoo bzw. Google und Bing, etc.) auch bei normalen Suchabfragen von Benutzern gefunden.
    100% aller Daten zumindest von einer Suchmaschine.

    Comment by Heinrich Elsigan — 16.10, 2015 @ 10:23

  11. Die von Dir genannten Daten sind von Dritten illegal beschafft worden. Es ist unerheblich, ob sie mittels einer Suchmaschine gefunden werden können oder nicht. Kinderpornos findet man auch über Suchmaschinen. Wer illegale Daten kopiert und weiter verbreitet, macht sich strafbar. Bei der Verlinkung gibt es unterschiedliche Urteile. Man darf aber davor warnen, rechtswidrige Inhalte zu verlinken, denn man wird sofort in den Kreis der Verdächtigen aufgenommen. Die nächste Hausdurchsuchung kommt bestimmt. Das ist aktuell so und hat mit VDS nichts zu tun. Dir ist sicher auch nicht bekannt, dass es sich die Online-Blätter niemals geleistet haben, auf die Straftäter/Quellen-Seite zu verlinken. Die werden sich hüten, alleine schon zum Schutz ihrer Leserschaft.

    Comment by Efren — 17.10, 2015 @ 16:06

  12. Zitat Herr Stadler „Ganz konkret würde ich mich hier als Blogger strafbar machen, wenn ich geleakte Informationen, die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, auch nur entgegennehme, geschweige denn veröffentliche.“

    Dann möchte ich jetzt von Herrn Stadler wissen, warum er meint, er sei ein Blogger und kein Journalist. Und wenn er sich nicht für einen Journalisten hält, warum nicht? Und inwieweit unterscheiden sich seiner Meinung nach bloggende Journalisten von Bloggern, die Journalismus betreiben?

    Vielen Dank.

    Comment by Efren — 17.10, 2015 @ 16:39

  13. Nachsatz zu Stadlers „Das Tucholsky-Zitat
    Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.“

    Das ist bis heute so geblieben. Man liebt den Verrat, aber nicht den Verräter.

    Doch das Netz kennt viele Wege. Und viele Wege führen nach Rom.

    Comment by Efren — 17.10, 2015 @ 17:11

  14. Tja, der Gesetzentwurf ist halt ein genuiner SPD-Entwurf: rechts ueberholen ohne einzuholen.

    Comment by h s — 19.10, 2015 @ 11:29

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