Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.9.15

Was taugt Blendle?

Blendle, eine Art Onlinekiosk für digitale journalistische Inhalte ist seit einer Woche offiziell auch in Deutschland am Start, nachdem das Projekt in den Niederlanden bereits sehr erfolgreich läuft.

Ich habe am Samstag auf der DJV-Fachtagung „Besser Online“ einen Vortrag von Blendle-Gründer Marten Blankesteijn darüber gehört, was Blendle ist und wie es funktioniert und mich dann entschlossen, den Dienst einfach mal zu testen.

Blendle bietet die Möglichkeit, einzelne Artikel beispielsweise aus dem SPIEGEL, der ZEIT oder der SZ online zu lesen, ohne gleich die komplette Zeitung/Zeitschrift kaufen zu müssen. Blendle bietet als Testanreiz ein Startguthaben von 2,50 EUR an. Sein Guthaben kann man dann immer wieder per Kreditkarte, PayPal oder Sofortüberweisung aufladen. Beim erstmaligen Aufladen spendiert Blende nochmals EUR 2,50 an zusätzlichem Guthaben.

Man kann außerdem online in den einzelnen Zeitungen und Zeitschriften blättern und sich beispielsweise neue Artikel nach Themengebieten wie Politik, Kultur, Sport, Medien u.a. anzeigen lassen.

Die Preisgestaltung wird nach der Aussage von Blankesteijn von den Verlagen vorgegeben und variiert deutlich. Während SZ und SPIEGEL mit stolzen 79 bzw. 75 Cent pro Artikel hinlangen – die Titelstory des SPIEGEL kostet gar 1,99 (!) – zahlt man für Artikel der FAZ – soweit für mich ersichtlich – im Normfall 45 Cent und für Texte aus anderen durchaus renommierten Blättern wie WELT oder Tagesspiegel häufig nur 25 Cent. Gleichzeitig gibt es aber auch die Möglichkeit, die Gesamtausgabe zu erwerben. Die Gesamtausgabe der heutigen SZ kostet beispielsweise 1,99 EUR, die der FAZ 1,71 EUR. Wenn man zuerst einen einzelnen Artikel kauft und anschließend noch die Gesamtausgabe, wird der Preis des einzelnen Artikels abgezogen. Einmal gelesene Artikel bleiben unter „Mein Archiv“ weiterhin aufrufbar und können beliebig oft geöffnet werden.

Das Angebot von Blendle ist bereits beim Start recht beeindruckend. Mit SZ, FAZ, SPIEGEL, ZEIT, Stern, Focus, Welt, BamS, Wirtschaftswoche und Handelsblatt sind viele Flaggschiffe bereits dabei. Hinzu kommen einige regionale Tageszeitungen sowie Boulevard- und Special-Interest-Titel wie Kicker, Gala, 11Freunde, SportBild, Chip, Brigitte, Journalist, Cicero und Neon. Angekündigt sind u.a. Münchener Merkur, NZZ, Freitag, Wired, AutoMotorSport, Audio, Connect, GQ und RunnersWorld. Internationale Titel sind bislang noch eher schwach vertreten, aber zumindest hat man die Washington Post und das Wall Street Journal im Programm, die New York Times ist angekündigt.

Eine große Schwachstelle stellt aus meiner Sicht aber die App dar, die ich mir für iOS angeschaut habe und die leider nicht annähernd die Usability der Website erreicht.

Auch wenn einzelne Verlage wie SPIEGEL oder Süddeutsche sicherlich noch darüber nachdenken sollten, ob ihre Artikelpreise nicht deutlich zu hoch sind, ist das Angebot von Blendle insgesamt interessant und zukunftsweisend. Zumal die aktuellen Gesamtausgaben immer zum Normalpreis verfügbar sind, so dass es sich durchaus anbietet, diese bei Blendle zu kaufen.

posted by Stadler at 12:31  

9 Comments

  1. Die Preisgestaltung ist meiner Ansicht nach nicht realistisch. Wenn man bedenkt wie viele Hundert Artikel in einer Zeitung stehen und diese dann als Gesamtes 2 € kostet macht es keinen Sinn 75 ct für einen einzigen Artikel zu zahlen. Als sinnvoll würde ich Preise zwischen 2 und max. 10 ct pro Artikel erachten. Ich denke die Verlage haben hier kein großes Interesse an dem Erfolg der Plattform, da sie sonst aggressiver an die Preise herangehen würden.

    Comment by Arno — 21.09, 2015 @ 12:39

  2. @Arno ich vermute eher, das hier die „was würde ein einzelner Artikel im Print kosten“ Preise 1:1 übernommen wurden. Ohne zu berücksichtigen, das beim Online-Artikel z.B. keine Kosten für den Druck und deutlich niedrigere Kosten für die Distribution anfallen.

    Comment by Heiko — 21.09, 2015 @ 13:16

  3. @Arno. Ich glaube eher, dass die Verlage sich nach wie vor nicht ganz davon verabschiedet haben, ihr Produkt Zeitung als Ganzes verkaufen zu wollen.

    Blendle ist aber auch wegen des Konzepts des One-Stop-Shops interessant. Wenn ich mir heute die Digitalausgabe der SZ, morgen die der FAZ und am Wochenende den neuen SPIEGEL kaufen will, dann kann ich das bei dieser einen Anlaufstelle recht bequem machen.

    Comment by Stadler — 21.09, 2015 @ 13:59

  4. Ich habe kein Interesse daran, dass jetzt auch noch aufgezeichnet wird, welche Artikel ich mir im Internet ansehe und bezahle. Das wird alles von mir unbekannten Einbettern aufgezeichnet und gespeichert. Ich werde auch niemals meinen Fernseher ans Internet anschließen, ebenfalls aus den genannten Gründen. Es gilt der Grundsatz der Datensparsamkeit. Online so wenig Spuren wie möglich hinterlassen, das ist mein Ehrgeiz, wenn ich online gehe. Ich hinterlasse meine Adresse und Vorlieben auch nicht in jedem Laden, in dem ich heute bereits persönlich eingekauft habe. Ich zahle bar und gehe.

    Comment by Rupert — 21.09, 2015 @ 18:02

  5. Nachtrag:
    Der deutsche Qualitätsjournalismus liegt im Sterben. Es ist das letzte Aufbäumen, der letzte Versuch, irgendwie noch an Kohle ranzukommen. Die Verlagshäuser bangen um ihre Vormachtstellung.

    Deren Zeiten sind vorbei. Die Zukunft gehört den Bloggern.

    Comment by Rupert — 21.09, 2015 @ 18:45

  6. @ Rupert

    Und wenn es nur dazu diente, Ihre abschliessende Prophezeiung zu widerlegen, wäre eine Nutzung von Blendle bereits sinnvoll.

    Der Ersatz von anspruchsvollem (nicht: irgendeinem) Journalismus durch Blogging ist keiner.

    Auch Mischformen wie Focus Online, wo jede Menge interessierte Laien mitschreiben dürfen, sind leider sehr unzuverlässige Informationsquellen.

    Gute, unaufgeregte, sauber recherchierte Berichterstattung sollte unterstützt werden. Sie ist auch eine Säule eines demokratischen Rechtsstaates.

    Comment by Christian — 22.09, 2015 @ 10:44

  7. @Christian,

    können Blogger nicht „sauber recherchieren“? Der antiquierte sogenannte Qualitätsjournalismus hat sich z.B. in der Ukrainekrise nicht mit Ruhm bekleckert. Sind Blogger nur für Stimmungsmache und Verschwörungstheorien zuständig? Für mich sind das alles Vorurteile, die den Tod von Print nicht aufhalten werden.

    Comment by fernetpunker — 22.09, 2015 @ 17:41

  8. @Fernetpunker: Welcher Blogger recherchiert denn? In Blogs lese ich grundsätzlich Meinngsäußerungen, nicht aber auf Recherchen basierende Reportagen.

    Comment by BrainBug2 — 23.09, 2015 @ 22:11

  9. Hallo,

    die Preisbeispiele in dem Posting sind extrem.

    In meiner Stadtbücherrei kann ich für eine geringe jährliche Gebühr Spiegel, WirtschaftsWoche, Brand eins, DIE ZEIT, usw. als ePaper für eine Woche digital ausleihen. Ich erhalte das Magazin und nicht nur einen einzelnen Artikel.

    Wenn mir ein Buch digital ausleihe – sehe ich auch eben auch unter den Magazinen mal nach.
    Meiner Meinung nach ist die Reichweite für ein Magazin / Artikel wichtig…. Jeff Bezos zum Beispiel krempelt die „Washington Post“ zurzeit um.

    Comment by r23 — 30.09, 2015 @ 16:31

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