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2.7.15

Robenpflicht in Augsburg: Eine Anmerkung zum Augsburger Landrecht

Nachdem das Sommerloch naht, ist es auch in diesem Blog an der Zeit, über ein insoweit einschlägiges Thema zu berichten. Das Landgericht Augsburg hat mit Urteil vom 30.06.2015 (Az.: 031 O 4554/14) entschieden,  dass ein Rechtsanwalt vor dem Amtsgericht Augsburg in Zivilsachen eine Robe tragen muss, was sich aus Gewohnheitsrecht ergeben würde. Der Anwalt ohne Robe wurde nicht als Prozessbevollmächtigter zugelassen.

Als ich vor 18 Jahren meinen ersten Termin vor dem Amtsgericht München wahrgenommen und mir natürlich eine Robe übergeworfen hatte, wurde ich von der Richterin dahingehend belehrt, dass das in München nicht üblich sei. Auch an den Amtsgerichten im Münchener Umland gibt es keine durchgehende Gewohnheit eine Robe zu tragen.

Das Landgericht Augsburg meint jetzt, es würde ein Gewohnheitsrecht geben, das Gegenstand des Gerichtsverfassungsrechts sei, wie es in der Pressemitteulung des Gerichts heißt. Nun ist das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) bekanntlich ein Bundesgesetz. Das heißt, es müsste sich ein Bundesgewohnheitsrecht herausgebildet haben, dem eine bundesweite, lange andauernde und allgemeine tasächliche Übung zugrundeliegt, wonach vor den Amtsgerichten in Zivilsachen bundesweit Robe zu tragen ist.

Angesichts der bayern- und bundesweit sehr unterschiedlichen Praxis, muss man die Existenz eines solchen einheitlichen Gewohnheitsrechts bezweifeln.

Die sich anschließende Frage ist dann aber immer noch die, welche Sanktionen verhängt werden können, wenn der Anwalt nicht in Robe erscheint. Denn schließlich hatte das Amtsgericht Augsburg den Anwalt nicht als Prozessbevollmächtigten zugelassen. Das ist eine sitzungspolizeiliche Maßnahme im Sinne von § 176 GVG.

Ein solche Maßnahme hat das Bundesverfassungsgericht gebilligt, bei einem Strafverteidiger, der keine Krawatte anhatte. In dieser Entscheidung wird allerdings darauf hingewiesen, dass aufgrund der Regelung in § 20 BORA regelmäßig Einvernehmen über die „Berufstracht“ eines Rechtsanwalts hergestellt worden ist. § 20 S. 2 BORA besagt aber ausdrücklich:

Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

Wenn also § 20 BORA Einvernehmen über die Berufstracht des Anwalts herstellt, dann müsste man auch gerichtsverfassungsrechtlich folgern, dass keine Pflicht zur Berufstracht vor dem Amtsgericht in Zivilsachen besteht.

posted by Stadler at 15:06  

10 Comments

  1. Der größte Witz ist doch, dass am Amtsgericht noch nicht mal Anwaltspflicht herrscht. Robenpflicht ohne Anwaltspflicht finde ich regelrecht abwegig.

    Comment by ako — 2.07, 2015 @ 15:16

  2. Da muss ich Sie korrigieren, Herr Kollege. Zumindest am AG Ebersberg, also im Münchner Umland, ist Robe tragen üblich. Außer dem AG München in Zivilsachen fällt mir kein Gericht ein, wo dies nicht so wäre.

    Comment by RA Fuschi — 2.07, 2015 @ 15:29

  3. Immer wieder diese formalen juristischen Argumente. Die bringen nichts, außer Ärger.

    Es geht darum, ob ein Richter das Recht hat, auf einer Robe beim Anwalt zu bestehen. D.h. darf ein Richter Mittelalter verlangen, wenn ihn danach zumute ist. Wohl ja. Da besteht konsens., nicht nur wegen der Gewohnheit.

    Ähnliche Fragen entstehen bei Verkündung des Urteils. Muss die Zuhörerschaft in Zivlverfahren stehen?

    Es gibt Amtsrichter, die bestehzen darauf. Mauck aus Berlin besteht darauf, wenn ihm die Zuhörerschaft als dumm erscheint. Ich darf sitzen, stehe nur mit auf, wenn Mauck das von anderen verlangt.

    In Hamburg braucht niemand aufzustehen, auch nicht beim OLG.

    Comment by Rolf Schälike — 2.07, 2015 @ 15:44

  4. Zur Frage Bundesgewohnheitsrecht: Nach Art. 72, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG hat der Bund auf dem Gebiet des Gerichtsverfassungsrechts lediglich eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. In diesem Bereich schließt Bundesrecht Landesrecht (einschließlich Landesgewohnheitsrecht) nur soweit aus, als der Bundesgesetzgeber Regelungen erlassen hat. Das Nichterlassen von Regelungen (hier: zur Amtstracht) steht einer Regelung gleich, wenn die übrigen Regelungen nach den Vorstellungen des Bundesgesetzgebers eine Sperrwirkung haben sollen. Das ist für die Frage der Amtstracht gerade nicht der Fall, wie das BVerfG im Beschluß vom 18.02.1970 – 1 BvR 226/69 – herausgearbeitet hat. Es ist in diesem Fall sogar selbst zu dem Ergebnis gekommen, daß damals in Baden-Württemberg die Robenpflicht für Anwälte auf Landesgewohnheitsrecht beruhte.

    Mit Inkrafttreten des baden-württembergischen AGGVG vom 16.12.1975 ist dieses Gewohnheitsrecht durch geschriebenes Recht ersetzt worden. Im ursprünglichen § 21 Abs. 1 AGGVG (https://dejure.org/gesetze/AGGVG/21.html) waren unter den „Robenpflichtigen“ auch die Anwälte aufgezählt. Durch Änderung vom 17.12.2011 sind sie gestrichen worden (können aber wohl durch eine Rechtsverordnung verpflichtet werden, § 21 Abs. 2 AGGVG).

    Die Argumentation, die Frage der Amtstracht sei nur Standesrecht und nicht auch Gerichtsverfassungsrecht, hat das BVerfG in der genannten Entscheidung ausdrücklich abgelehnt. Dann kann es aber auch jetzt nicht für die Reichweite einer gerichtsverfassungsrechtlichen Pflicht darauf ankommen, in welchem Umfang neuerdings die BORA von einer Robenpflicht absieht.

    So weit das Verfassungsrecht. Ob es tatsächlich in Bayern oder Augsburg ein solches Gewohnheitsrecht gibt, ist eine andere Frage. Erst recht, ob es nicht andere Probleme gibt, als ein solches durchzusetzen. Wahrscheinlich kann ein solcher Fall nur in der „Justizhölle Augsburg“ spielen.

    Comment by O. García — 2.07, 2015 @ 16:32

  5. In Baden-Württemberg ist es relativ üblich, dass – auch vor dem LG – im Dienstzimmer des Richters verhandelt wird. Ohne Robe.

    Robenpflicht besteht eigentlich nur dann, wenn im Saal verhandelt wird…

    Comment by SH — 3.07, 2015 @ 10:25

  6. @RA Fuschi: Meines Wissens ist auch am AG und sogar am LG Bremen (in Zivilsachen) das Tragen einer Robe so unüblich, daß man auswärtige Anwälte treffsicher an der Robe erkennt.

    Comment by RA Müller — 3.07, 2015 @ 10:36

  7. Ganz abgesehen davon, dass im Zivilverfahren vor dem AG keine Anwaltspflicht herrscht und jedermann als Beistand auftreten darf. Selbst wenn der Anwalt ohne Robe vor dem AG Augsburg also kein Anwalt im Sinne des GVG ist, hätte er als Beistand zugelassen werden müssen.

    Comment by Marc B. — 3.07, 2015 @ 12:10

  8. „Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Verpflichtung des Rechtsanwalts zum Tragen einer Robe vor dem Arbeitsgericht besteht. Jedenfalls ist ein Ausschluss des Rechtsanwaltes von der mündlichen Verhandlung wegen des Nichttragens einer Robe unzulässig.“

    Landesarbeitsgericht Niedersachsen 16. Kammer, Beschluss vom 29.09.2008, 16 Ta 333/08

    Comment by Dr Marc Mewes — 3.07, 2015 @ 13:14

  9. Ich weiß nicht, wie es Euch gesundheitlich geht, aber die „Kittel-Diskussion“ gibt es auch unter der Ärzteschaft. Dazu frage ich KH-Ärzte immer, ob sie als Krebspatient, der schwach und ängstlich im Bett liegt, bei einer Chef-Visite Ärzte in Badehose, Badelatschen und Sonnenbrille erwarten, im T-Shirt mit Tennissocken und Schweißband um die Stirn. Niemand möchte das erleben.

    Es gibt bei gewissen Berufen eine Kleidung, die was mit Würde zutun hat. Daher stimme ich für eine Robenpflicht.

    Das neue Hobby von ambulanten Ärzten, in Freizeitkleidung zu agieren, lehne ich ab. Hoffentlich ist es noch so, dass sich diese Typen wenigstens bei den Eingriffen in keimfreie Einwegkleidung hüllen. Ich habe da meine Zweifel.

    Comment by Tront Olsen — 3.07, 2015 @ 16:58

  10. Es gibt Studien, die klar zeigen, dass ein Angeklagter im schwarzen Anzug in 96% der Fälle milder verurteilt wird, als einer im Shirt.

    Sicher aber nicht, wenn dessen Anwalt in Ballonseide auftritt und seine Tennissocken in Sandalen darbietet. 8-)

    Comment by Tront Olsen — 3.07, 2015 @ 17:04

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