Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.4.15

Wie sinnvoll ist der geplante Straftatbestand der Datenhehlerei?

Der Kollege Bernhard Freund hat in einem lesenswerten Blogbeitrag den geplanten Straftatbestand der Datenhehlerei kritisch beleuchtet. Freund fürchtet, dass die sehr weit gefasste Vorschrift vor allen Dingen die Gefahr mit sich bringt, dass Journalisten und Whistleblower kriminalisiert werden. Im Zusammenhang mit den von Justizminister Maas letzte Woche vorgestellten Leitlinien zur Vorratsdatenspeicherung wurde vom BMJ ebenfalls mitgeteilt, dass ein neuer Straftatbestand der „Datenhehlerei“ geschaffen wird.

Der bislang vorliegende Gesetzesentwurf des Bundesrates sieht die neue Vorschrift des § 202d StGB mit folgendem Wortlaut vor:

(1) Wer Daten im Sinne von § 202a Absatz 2, die ein anderer ausgespäht oder sonst durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, an deren Nichtweiterverwendung der Berechtigte ein schutzwürdiges Interesse hat und die nicht aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können.
(3) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 202a, 202b, 202d, 263 bis 264, 267 bis 269, 303a oder 303b verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
4) Der Versuch ist strafbar.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung gesetzlicher Pflichten durch Amtsträger oder deren Beauftragte dienen. Die Absätze 1 bis 4 gelten ebenfalls nicht für Handlungen von Amtsträgern oder deren Beauftragten, um Daten ausschließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zuzuführen.
(6) In den Fällen des Absatzes 3 ist § 73d anzuwenden.

Der Einwand von Freund ist nicht von der Hand zu weisen. Während der Gesetzgeber das Handeln von Amtsträgern ausdrücklich ausnimmt – dies dient u.a. der Privilegierung des Ankaufs der vieldiskutierten Steuer-CDs – gibt es keinerlei Ausnahmen für Zwecke der Berichterstattung. Das bringt Journalisten, Blogger und Whistleblower in eine gefährliche Lage, wenn sie sich Daten verschaffen oder gar veröffentlichen, die ein anderer sich zuvor rechtswidrig beschafft hat. Dass die im Tatbestand geforderte Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht nicht ausreichend ist, um diese Fälle von der Strafbarkeit auszuschließen, zeigt bereits der Umstand, dass der Gesetzgeber für Amtsräger zusätzlich die Vorschrift des Abs. 4 geschaffen hat. Aus verfassungsrechtlichen Gründen stellt sich aber zudem die Frage, ob diese Ausnahme nicht auch auf Zwecke der Berichterstattung ausgeweitet werden muss, weil dies zum Schutz der Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit geboten ist.

Freund geht sogar davon aus, dass  der Betrieb von Whistleblowing-Portalen durch die Regelung zur Datenhehlerei praktisch unmöglich gemacht wird.

Den Regelungsbedarf, der sich auf die Annahme von Strafbarkeitslücken stützt, stellt Freund ebenfalls in Frage.

posted by Stadler at 14:56  

6 Comments

  1. Die Regelung ist natürlich sehr sinnvoll, wenn es in Wahrheit darum geht, Whistleblowing und investigativen Journalismus zu kriminalisieren.

    Wer könnte denn daran ein Interesse haben? Eventuell korrupte Politiker und ihre Lobbyfreunde mit den schwarzen Geldköfferchen, Herr Schäuble?

    Da kann man nur die Hoffnung darauf setzen, dass spätestens das Bundesverfassungsgericht mithilfe des Verweises auf die Pressefreiheit den Anwendungsbereich des § 202d StGB-E stark einschränken würde. Zumindest für die Journalisten; Whistleblower wären trotzdem die Dummen. Aber mein Vertrauen in Karlsruhe ist in den letzten Jahren ebenfalls gesunken.

    Alles in allem also der Entwurf eines wunderbaren Demokratieverhinderungsgesetzes.

    Comment by Kinki — 21.04, 2015 @ 15:35

  2. Verstehe ich das richtig, dass auch illegal beschaffte Exploits und andere Hintertürchen, um Verschlüsselung etc zu umgehen, dann auch legal von Geheimdiensten gekauft werden können?

    Comment by Eregan — 21.04, 2015 @ 16:12

  3. Mir sind in letzter Zeit vermehrt Forderungen untergekommen, ein Verwertungsverbot für rechtswidrig erlangte Beweismittel zu schaffen, ähnlich dem, das es in den USA gibt (Frucht des verbotenen Baumes).
    Dass hier der Absatz 5 so explizit ausformuliert wird zeigt deutlich gegensätzliche Tendenzen.
    Nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass die Forderungen nach einem Verwertungsverbot mehrheitlich aus dem Bereich der Bürgerrechtler kommen.

    Mein erster Gedanke beim Lesen von Abs. 1 war „ist ja nicht so schlimm, Bereichern oder Schädigen ist bei Whistleblowern selten Zweck“, aber der Abs. 5 zeigt deutlich, in welche Richtung das zielt.
    Ganz schlimm.

    Comment by Tak — 21.04, 2015 @ 17:48

  4. @ Tak: Die Sache mit dem verbotenen Baum ist halt auch sehr heikel. In manchen Fällen kann sie eben auch in völlig unverhältnismäßiger Weise ein Ermittlungsverfahren völlig lahmlegen.

    Ich baue jetzt mal ein einfaches Beispiel: Der Polizist am Tatort tütet eine gefundene Patronenhülse ein, notiert Ort und Uhrzeit darauf, vergisst jedoch zu unterschreiben. Die Hülse führt zur Tatwaffe, mit der Tatwaffe konfrontiert gesteht der Verdächtige und führt die Polizei zum Leichenversteck, an der Leiche werden weitere forensische Beweise gefunden.

    Situation in den USA: Von der Hülse über das Geständnis bis zu den Leichenspuren ist alles unverwertbar.

    Kann das das richtige Ergebnis sein?

    Ich würde mich auch als Bürgerrechtler bezeichnen, aber ich würde nicht so weit gehen, Straftäter aufgrund derartig minimalistischer Flüchtigkeitsfehler laufen lassen zu wollen. Natürlich muss man sich fragen, wo dann die Grenze liegt, und diese Frage stellt sich ja auch der BGH von Fall zu Fall immer wieder.

    Was den geplanten Absatz 5 angeht, so geht es wohl weniger um Beweisverwertungsverbote, sondern um den weiterhin geplanten Ankauf von Steuer-CDs, ohne eben den Staat in die Nähe der Datenhehlerei rücken zu wollen. Ich kritisiere diese Praxis, aber das sind natürlich rein fiskalische Gründe für diesen Absatz.

    Comment by Kinki — 22.04, 2015 @ 09:49

  5. Absatz5: Bundestrojaner müssen doch legal werden. Wo kämen wir denn sonst hin, wenn Gesetze für alle gelten würden… tz tz tz tz….

    Was ist eigentlich mit dem Gesetz, wenn man zB Hörbücher so umwandelt, dass man den Kopierschutz entfernt und diese einem Bekannten kopiert?
    1) es sind geschützte Daten
    2) man umgeht eine Sicherungsmaßnahme
    3) man verschafft anderen unberechtigten Menschen Zugang
    4) keine allgemein zugängliche Quelle (Onlineshop nur mit entsprechenden Account erreichbar usw)
    5) gewerbsmäßig wird schon bei kleinsten „Raubmordkopierern“ angenommen

    Und die Quelle ist spätestens dann illegal, wenn man das Hörbuch illegal heruntergeladen hat :p

    Ansonsten ist das Gesetz ein typischer Maas:
    Unnötig, ungeeignet, einem Rechtsstaat unwürdig, …

    Comment by maSu — 22.04, 2015 @ 11:27

  6. kinki, da bin ich bzgl Beweisverwertungsverbot / fruit of the poisoned tree-Doktrin ganz Deiner Meinung.
    Ich glaube aber nicht, dass TAK oder andere Bürgerrechtler so weit gehen wollen. Da geht es in erster Linie um rechtswidrig erlangte Beweise. Das Aufsammeln von Patronenhulsen ist aber per se nicht rechtswidrig und wird das auch dann nicht, wenn man die Unterschrift vergisst.
    Das mag im den USA so sein, aber man muss ja nicht alles komplett Kopieren, sondern kann sich aussuchen, was sinnvoll ist.

    Comment by jos — 22.04, 2015 @ 16:39

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