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Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

29.4.15

BVerfG: „FCK CPS“ kann von Meinungsfreiheit gedeckt sein

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 26. Februar 2015  (Az.: 1 BvR 1036/14) eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung aufgehoben, die darauf gestütztwar, dass die Beschwerdeführerin einen Sticker und ein T-Shirt mit der Aufschrift „FCK CPS“ getragen hatte.

Das BVerfG stellt klar, dass die Aufschrift die für Fuck Cops steht, in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fällt und allenfalls dann als Beleidigung zu bewerten ist, wenn sich die Aussage konkret gegen eine überschaubare und abgegrenzte Personengruppe (von Polizeibeamten) bezieht. Andernfalls bringt die Aufschrift bzw. der Aufdruck FCK CPS eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck und damit eine Meinungsäußerung die grundsätzlich in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 GG fällt.

Im Beschluss des BVerfG heißt es dazu u.a.:

Die strafrechtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin greift in die Freiheit der Meinungsäußerung ein. Das Tragen des Ansteckers mit der Aufschrift „FCK CPS“ fällt in den Schutzbereich des Grundrechts. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten sein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen (BVerfGE 93, 266 <289>). Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>). Der Aufdruck „FCK CPS“ ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG. Die an die Äußerung anknüpfende strafrechtliche Verurteilung greift in das Grundrecht ein.

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern unterliegt nach Art. 5 Abs. 2 GG den Schranken, die sich aus den allgemeinen Gesetzen sowie den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre ergeben. § 185 StGB ist als allgemeines Gesetz geeignet, der freien Meinungsäußerung Schranken zu setzen (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 f.>).

Der Eingriff in die Meinungsfreiheit ist nicht gerechtfertigt, weil die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung und Auslegung des § 185 StGB als Schranke der freien Meinungsäußerung nicht gewahrt sind.

Allerdings findet die Meinungsfreiheit in den allgemeinen Gesetzen und der durch diese geschützten Rechte Dritter ihre Grenze. Dies ist der Fall, wenn eine Meinungsäußerung die Betroffenen ungerechtfertigt in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der durch sie geschützten persönlichen Ehre verletzt. Dabei kann eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, unter bestimmten Umständen auch ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein (vgl. BVerfGE 93, 266 <299>).

Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht. Auf der imaginären Skala, deren eines Ende die individuelle Kränkung einer namentlich bezeichneten oder erkennbaren Einzelperson bildet, steht am anderen Ende die abwertende Äußerung über menschliche Eigenschaften schlechthin oder die Kritik an sozialen Einrichtungen oder Phänomenen, die nicht mehr geeignet sind, auf die persönliche Ehre des Individuums durchzuschlagen (BVerfGE 93, 266 <301 f.>). Es ist verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet (vgl. BVerfGE 93, 266 <302 f.>).

Diesen Vorgaben wird das Urteil des Amtsgerichts nicht gerecht. Es fehlt an hinreichenden Feststellungen zu den Umständen, die die Beurteilung tragen könnten, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht. Es reicht nach den dargelegten Maßstäben nicht aus, dass die Kräfte des örtlichen Polizeikommissariats eine Teilgruppe aller Polizisten und Polizistinnen sind. Vielmehr bedarf es einer personalisierenden Zuordnung, für die hier nichts ersichtlich ist. Es kann nicht angenommen werden, dass die dem Anstecker zu entnehmende Äußerung allein durch das Aufeinandertreffen der Beschwerdeführerin mit den kontrollierenden Polizeibeamten einen objektiv auf diese konkretisierten Aussagegehalt gewonnen hat. Auch die Feststellung des Amtsgerichts, die Konkretisierung sei wegen des Vorfalls einige Wochen früher eingetreten, ist nicht tragfähig. Es liegen keinerlei Feststellungen dazu vor, dass sich die Beschwerdeführerin vorsätzlich in eine Situation begeben hätte, in der sie damit rechnen musste, mit einiger Sicherheit auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen. Der bloße Aufenthalt im öffentlichen Raum reicht nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Benennung der Umstände nicht aus, die eine aus dem Wortlaut einer Äußerung nicht erkennbare Konkretisierung bewirken.

Die Entscheidung dürfte auch für andere einschlägige Abkürzungen wie A.C.A.B. gelten. Es kann im Einzelfall natürlich gleichwohl sein, dass sich die Aussage auf eine konkrete Gruppe von Polizisten bezieht. Hierzu muss das Strafgericht aber konkrete Feststellungen treffen. Das bloße Tragen eines T-Shirts im öffentlichen Raum reicht nicht. Wer sich allerdings gezielt in eine Situation begibt, in der er damit rechnet, auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen, würde diese Beamten dann auch in strafrechtlich relevanter Weise beleidigen.

posted by Stadler at 12:19  

8 Comments

  1. Ich finde es eher beleidigend das man mit einem ACAB Shirt zu einer Demo geht und einem niemand, erst recht nicht die uniformierten Schlä… äh Menschen dort die geforderten Acht Cola und Acht Bier bringen. Servicewüste Deutschland.

    1) Ist streitig ob mit ACAB, FCK CPS, … wirklich beleidigende Worte gemeint sind – genug Menschen kennen die Bedeutung ihrer T-Shirt-Aufdrucke eben nicht.

    2) Ist streitig ob es, selbst wenn es eine Beleidigung ist, wirklich so an die Menschen gerichtet ist.

    3) Ist streitig, ob Blickkontakt oder der Kontakt mit DEN BESTIMMTEN Beamten absichtlich erfolgt ist.

    4) IN DUBIO PRO REO

    5) So etwas dürfte NIEMALS zu Verurteilungen oder Sanktionen führen. Jene Polizisten, die sich auf die ACAB-Shirts stürzen und dann völlig abdrehen, die sind doch erst der Grund, dass die ACAB-Shirts getragen werden ….

    Comment by maSu — 29.04, 2015 @ 17:20

  2. Überhaupt sollte sich in Deutschland mal einer wagen, mit einem Shirt „Wenn ich Bullen sehe, kriege ich das Kotzen“ auf die Straße wagen und auf eine Streife treffen.

    Erst dann zeigt sich, daß Deutschland kein Rechtsstaat ist, denn diese Person wird einkassiert und bekommt auf der Wache was auf die Schnauze, was sich später natürlich als „Eigenverletzung“ oder „Verletzung bei der Festnahme aufgrund Widerstand“ herausstellen wird.

    Bullen sind für mich ein rotes Tuch, also lassen wir das Thema besser. Die deutsche Polizei halte ich für kriminell, nazidurchseucht und korrupt.

    Comment by Justus — 30.04, 2015 @ 21:46

  3. Fallbeispiel aus 2014:

    Beamter sagt vor Zeugen, dass man Bimbos vergasen soll oder in den Zoo stecken.

    Strafanzeige, Dienstaufsichtsbeschwerde.

    Ergebnis? Eine mündliche Rüge im Dienst, Staatsanwaltschaft hält diese Aussage nicht für so gravierend, einen Strafbefehl auszustellen.

    Der Nazi ist im Dienst.

    Das zu unseren netten ….. (kotz) und unserem Rechtsstaat.

    Comment by Justus — 30.04, 2015 @ 22:26

  4. Erstaunlich, die Polizei schafft es nicht die Bürger vor bsp. Einbruch zu schützen, Diebstahl, alltgl. Kleinkriminalität zu bekämpfen, aber fürs beleidigtsein sind Resourcen auf jeder Ebene vorhanden

    Comment by Christian — 1.05, 2015 @ 07:37

  5. Entgegen des Hetzers Gewerkschafts-Wendt, der ständig mehr Bullen möchte, haben wir genug davon.

    Was gebraucht wird, ist kein Mehr von diesen, sondern ein paar wenige, die halbwegs fähig sind. Die kann man mit der Lupe suchen.

    Und jetzt geht mir weg mit dieser Brut.

    Comment by Justus — 2.05, 2015 @ 16:30

  6. „in der er damit rechnet, auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen“ Das ginge ja nur, wenn derjenige nachweislich Wissen vom Einsatzplan der Polizei hat.

    Comment by Heinz Handtuch — 2.05, 2015 @ 23:26

  7. @Heinz Handtuch

    Oben war schon das Beispiel einer Demo genannt, mir ist eine Verurteilung in Erinnerung, wo es um eine Hose mit ACAB-Aufdruck ging, getragen in einem Fußballstadion, hier wurde die begrenzte Anzahl von betroffenen Personen auf Grund des abgeschlossenen Bereiches bejaht

    Comment by alex — 17.05, 2015 @ 11:38

  8. Unglaublich, was in Deutschland alles erlaubt ist. Der Staat macht sich lächerlich. In anderen Ländern wird man ausgepeitscht, wenn man was kritisches sagt. Bei uns darf man Dieter Nuhr jetzt offiziell „Hassprediger“ nennen.

    Comment by RA Hechler — 24.05, 2015 @ 19:03

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