Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.1.15

Wann darf sich ein Rechtsanwalt als Spezialist bezeichnen?

Bislang waren die Instanzgerichte davon ausgegangen, dass man sich als Anwalt auf Rechtsgebieten, auf denen eine Fachanwaltsbezeichnung existiert, nicht als Spezialist bezeichnen darf. Dieser Rechtsansicht hat der BGH (Urteil vom 24.07.2014, Az.: I ZR 53/13) nunmehr eine Absage erteilt, die er wie folgt begründet:

Bezeichnet sich ein Rechtsanwalt als Spezialist auf einem Rechtsgebiet, ist dies eine dem Informationsinteresse und der Orientierung des rechtsuchenden Verkehrs dienende nützliche Information. Wie sich aus der Begründung der Änderungen des § 7 Abs. 1 BORA ergibt, hat der Satzungsgeber ausdrücklich die Angabe von qualifizierenden Zusätzen wie „Spezialist“, „Spezialgebiet“ oder „Experte“ für zulässig angesehen. Die Verwendung solcher Zusätze wird jedoch davon abhängig gemacht, dass der entsprechend werbende Rechtsanwalt seine Angaben rechtfertigende theoretische Kenntnisse besitzt und auf dem betreffenden Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen ist. Je intensiver der Rechtsanwalt Teilbereiche seiner Berufstätigkeit werbend herausstellt, desto fundierter müssen seine Kenntnisse und praktischen Erfahrungen sein (BRAK 2006, 212).

Die Selbstbezeichnung als Spezialist ist auch für den Rechtsanwalt sachdienlich. Er kann damit die Inanspruchnahme in sonstigen Materien weit-gehend abwehren, weil Rechtsuchende bei ihm nur unter besonderen Umständen Rechtsrat auf anderen Feldern nachfragen werden.

Eine entsprechende Interessenlage besteht bei der Führung von Fachanwaltsbezeichnungen. Die gesetzlichen Regelungen zur Fachanwaltschaft in der Bundesrechtsanwaltsordnung wurden damit begründet, dass die Beschäftigung des Rechtsanwalts mit Rechtsfragen außerhalb eines Kernbereichs, vor allem des Straf- und Zivilrechts, einer nachdrücklichen Einarbeitung in das betreffende Rechtsgebiet bedürfe, die sich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten häufig nur dann lohne, wenn die einmal erlangten Kenntnisse in ständiger Beschäftigung mit dem Gebiet weiter angewandt und ausgebaut werden könnten. Viele Rechtsanwälte hätten sich daher Spezialgebieten zugewandt. Ihre beruflichen Interessen träfen sich mit dem Verlangen der Rechtsuchenden nach einer möglichst hohen Befähigung der Rechtsanwälte, die sie beraten und vertreten sollen (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechts-ausschusses, BT-Drucks. 11/8307, S. 19). Der Rechtsanwalt, der eine Fachanwaltsbezeichnung führt, weist damit das rechtsuchende Publikum auf Spezialkenntnisse hin, über die er im Unterschied zu anderen Rechtsanwälten verfügt, die keine Fachanwaltsbezeichnung führen dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 1990 AnwZ (B) 4/90, BGHZ 111, 229, 231; Urteil vom 25. November 2013 AnwZ (B) 44/12, NJW-RR 2014, 751 Rn. 11).

Angesichts der vom Berufungsgericht festgestellten Verwechslungsgefahr zwischen den Bezeichnungen „Spezialist“ und „Fachanwalt“ ist es im Hinblick auf die Interessenlage des rechtsuchenden Publikums und der Anwaltschaft gerechtfertigt, von einem sich selbst als Spezialisten bezeichnenden Rechtsanwalt zumindest die Expertise eines Fachanwalts zu erwarten.

Wer sich selbst als „Spezialist“ bezeichnet, muss also zumindest über dieselben theoretischen Kenntnisse und dieselbe praktische Erfahrung wie ein Fachanwalt verfügen und hat dies im Streitfall auch nachzuweisen. Wie man das genau macht, dürfte allerdings spannend sein. Was die praktische Erfahrung angeht, müsste vermutlich eine Fallliste vorgelegt werden können, die den Vorgaben der Fachanwaltsordnung entspricht. Die theoretischen Kenntnisse dürften allerdings noch schwieriger nachzuweisen sein, nachdem das theoretische Wissen des Fachanwalts in Klausuren nachgeprüft wird. Vergleichbaren Prüfungen hat sich der „Spezialist“ ja nicht unterzogen.

Da der BGH zurückverwiesen hat, wird das OLG im konkreten Fall jetzt zu prüfen haben, ob der klagende Anwalt tatsächlich über entsprechend ausreichende Spezialkenntnisse verfügt. Wir dürfen gespannt sein, anhand welcher Kriterien das Berufungsgericht diese Feststellungen treffen wird.

posted by Stadler at 16:47  

6 Comments

  1. Bei den Fachanwälten im Medienrecht handelt es sich formal um einen „Fachanwalt im Medien- und Urheberrecht“. Einen reinen „Fachanwalt im Medienrecht“ bzw. „Fachanwalt im Urheberrecht“ gibt es von der Bezeichnung her nicht.

    Viele Fachanwälte im Medien- und Urheberecht haben aber sehr wenig Ahnung im Medienrecht und fallen bei Käfer&Buske schnell auf die Schnauze.

    Insofern ist die Bezeichnung Fachanwalt irreführend gegenüber den Mandanten.

    Bachbezeichnungen dienen hauptsächlich der Werbung (PR) ums Geld. Ob ein Anwalt gut oder schlecht ist, hägt von ganz anderen Faktoren ab.

    Berufsbezeichnungen, erst recht bei Anwälten, sind Relikte des Stilstandes, der Fixierung des Status qou.

    Comment by Rolf Schälike — 27.01, 2015 @ 16:58

  2. Man sollte also die Bezeichnung
    Spezialist vermeiden, es sei denn,
    es handelt sich um Gebiete, die
    außerhalb des Fachanwaltsbereichs
    liegen, etwa Immobilienrecht in
    Spanien, oder Bankrecht in Belize.

    Comment by Arne Rathjen RA — 27.01, 2015 @ 18:26

  3. Wieder mal eine Juristenposse. Aus den täglichen Reaktionen und Fallbeispielen im Netz könnte eine Nachschulung weder Fachanwälten, noch selbsternannten Spezialisten schaden.

    Wer Schaden von sich abwehren möchte, bildet sich selber und lässt die Finger von allen Juristen, es sei denn, zu deren Einsatz wird man aufgrund der Gesetzeslage gezwungen.

    Comment by Conny — 30.01, 2015 @ 17:54

  4. Mich irrititiert, dass der gemeinen Bevölkerung (Abiturquote nunmehr
    50%) nicht zugetraut wird, die fraglichen Begriffe auseinander zu .
    Den meisten Leuten ist wohl klar,
    dass ein Jahrzehnt Arbeit nötig ist,
    um sich mit Fach-XY zu schmücken.
    Spezialist kann sich jeder nennen.
    Eigentlich, wäre da nicht der BGH im
    Himmel der Begriffsjurisprudenz.
    i

    Comment by Arne Rathjen RA — 30.01, 2015 @ 20:43

  5. Fachanwalt kann möglicherweise zur Schulkung von Richtern Bedeutung haben. Z.B. beim Misstrauch des fliegenden Girichtsstandes durch die Fachanwälte, denen Amtrihvtzer in der Provinz juristischen Glauben schenken.

    So klagte z.B. Prof. Prinz beim Amtsgericht Ahrensburg für die Prinzessin von Schweden.

    Der Ahrensburger Amtsrichter war nicht nur stolz, zu Gunsten einer solche Prominenz urteilen zu dürfen. Der AG-Richter, falls kein allzu doofer, war bereit, sich vom Fachanwalt für Medienrecht, noch dazu einem Professor, schulen zu lassen.

    Fachanwalt für Medien- und Urheberrecht Gernot Lehr aus Köln schulte sogar Käfer und Buske sowie mehr als 50 Hamburger Richter im Rahmen einer Jahrentagung der Hamburger Juristen.

    http://bit.ly/1CXrDOj

    So entshenen rechtsstaatliche Mafiagebilde.

    Comment by Rolf Schälike — 31.01, 2015 @ 16:53

  6. Bevor jemand einen Anwalt einschaltet, empfehle ich internet-law.de, wo die Themenfelder rechts schön aufgelistet sind. Ich vermute sogar, daß man nach eingehender Studien der Texte selber das erste Staatsexamen locker hinlegen kann. :-)

    Comment by Ned — 1.02, 2015 @ 13:23

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