Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

3.12.14

Warum funktioniert die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste nicht?

Was der NSA-Untersuchungsausschuss zu den Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) zutage fördert, belegt, was man schon immer vermuten musste. Die parlamentarische Kontrolle der (deutschen) Geheimdienste funktioniert nicht nur nicht gut, sie funktioniert überhaupt nicht. Es handelt sich um ein rechtsstaatliches Placebo, das als Korrektiv vollständig versagt hat. Der verfassungsrechtliche Sündenfall beginnt bereits mit Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG der lautet:

Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

Diese Regelung im Grundgesetz wurde 1968 durch die sog. Notstandsgesetze eingefügt. Sie schränkt den effektiven Rechtsschutz den Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet, ein und stellt meines Erachtens neben der Asylregelung der 90’er Jahre die wesentliche freiheitsfeindliche Einschränkung des Grundrechtsschutzes gegenüber der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes dar.

Dennnoch verfügt das Parlament im Grunde über alle notwendigen gesetzlichen Instrumentarien um die Dienste effektiv zu kontrollieren. Allein die Abgeordneten machen davon keinen Gebrauch. Das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) gibt dem Parlament weitreichende Möglichkeiten. § 4 Abs. 1 PKGrG besagt:

Die Bundesregierung unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium umfassend über die allgemeine Tätigkeit der in § 1 Absatz 1 genannten Behörden und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Auf Verlangen des Parlamentarischen Kontrollgremiums hat die Bundesregierung auch über sonstige Vorgänge zu berichten.

Es kommt aber in § 5 Abs. 1 und 2 PKGrG noch besser:

Soweit sein Recht auf Kontrolle reicht, kann das Parlamentarische Kontrollgremium von der Bundesregierung und den in § 1 genannten Behörden verlangen, Akten oder andere in amtlicher Verwahrung befindliche Schriftstücke (…) herauszugeben und in Dateien gespeicherte Daten zu übermitteln sowie Zutritt zu sämtlichen Dienststellen der in § 1 genannten Behörden zu erhalten.
Es kann Angehörige der Nachrichtendienste, Mitarbeiter und Mitglieder der Bundesregierung sowie Beschäftigte anderer Bundesbehörden nach Unterrichtung der Bundesregierung befragen oder von ihnen schriftliche Auskünfte einholen.

Bereits die Lektüre dieser gesetzlichen Vorschriften zeigt, dass die Parlamentarier jede Menge Möglichkeiten haben, bis hin zu Zutrittsbefugnissen bei den Diensten.

Wie die Wirklichkeit aussieht, möchte ich anhand der aktuellen Praxis der TK-Überwachung durch den BND erläutern. Der BND erhebt Meta-Daten und Inhalte von E-Mails in großem Stil. Wer daran bislang noch zweifelte, wird nicht nur durch die Aussagen von BND-Mitarbeitern im NSA-Untersuchungsausschuss widerlegt, sondern auch durch eine aufschlussreiche Passage in einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.05.2014.

Im Urteil (Rn. 24) wird beschrieben, dass der vom BND verpflichtete TK-Betreiber den gesamten Telekommunikationsverkehr an den BND ausleitet. Der TK-Verkehr wird also nicht erst anhand von Suchbegriffen erfasst, wie es die gesetzliche Regelung in § 5 Abs. 2 G-10-Gesetz an sich vorsieht. Vielmehr dienen die Suchbegriffe nur der Durchsuchung eines zuvor vom BND bereits erfassten und gespeichterten Datenpools.

Der BND speichert also Metadaten und Inhalte von E-Mails in großem Umfang und wertet diese anschließend aus. Obwohl bereits dies einen Eingriff in Art. 10 GG darstellt, findet man in der jährlichen Unterrichtung des Bundestages durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) dazu rein gar nichts. Das BVerwG hat unlängst klargestellt, dass jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten eines Bürgers in den Schutzbereich von Art. 10 GG eingreift. Die Existenz dieses riesigen Datenpools, der auf einem Grundrechtseingriff von enormem Ausmaß basiert, wird in der jährlichen Unterrichtung des Bundestages schlicht verschwiegen. Der jährliche Bericht suggeriert vielmehr, dass nur einige Millionen E-Mails pro Jahr ausgewertet werden. Diese Darstellung verharmlost und verzerrt das tasächliche Ausmaß der TK-Überwachung durch den BND vollständig.

Die Bundesregierung und der BND informieren das Parlament über das tatsächliche Ausmaß der TK-Überwachung durch den BND also nicht. Die fast zynische Haltung der Bundesregierung wird deutlich, wenn man sich ihre Antworten auf eine kleine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion ansieht:

Frage: Hält die Bundesregierung weiterhin an ihrer Aussage fest, dass Bundesbehörden keine einzelnen Metadaten in großen lnternetknoten wie DE-CIX filtern, obwohl dies vom Abhördienstleister und Zulieferer deutscher Behörden Utimaco berichtet wird?

Antwort: Der Bundesregierung ist eine solche Aussage nicht bekannt.

Frage: Falls die Bundesregierung nicht an ihrer Aussage festhält, inwiefern und auf welche Weise werden der Internetknoten DE-CIX bzw. andere entsprechende Schnittstellen von Glasfaserkabeln durch welche Bundesbehörden überwacht?

Antwort: Auf den VS-Geheim eingestuften Antwortteil gemäß Vorbemerkung wird verwiesen.

Zusammengefasst sagt die Bundesregierung also folgendes: Wir haben doch nie behauptet, dass der BND am DE-CIX und anderen Internetnoten keine Metadaten ausfiltert. Was der BND genau macht und in welchem Umfang Metadaten erfasst werden, sagen wir aber nicht, da geheimhaltungsbedürftig.

Warum aber lässt sich das Parlament von Bundesregierung und BND derart am Nasenring durch die Manege führen? Der Umstand, dass die jeweilige Bundesregierung auch immer die Bundestagsmehrheit hinter sich hat, ist als Begründung naheliegend, aber nicht ausreichend. Wir haben es insgesamt mit einem politischen System zu tun, das sich mehrheitlich de facto nicht (mehr) vorrangig an den Vorgaben der Verfassung orientiert und an den Interessen der Bürger. Dieses politische System ist deshalb schon gar nicht willens, die Geheimdienste effektiv zu kontrollieren und die Einhaltung der rechtsstaatlichen Vorgaben zu gewährleisten.

Es bleibt daher vermutlich einmal mehr nur die Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht, zumal der öffentliche Druck in diesen Fragen zwar da ist und auf einem gewissen (niedrigen) Level auch anhält, aber nicht ausreichend sein dürfte, um letztlich die rechtsstaatlich gebotene Eindämmung der Massenüberwachung durch die Geheimdienste zu bewirken.

posted by Stadler at 11:16  

1.12.14

Sind Adblocker wettbewerbswidrig?

Derzeit läuft beim Landgericht München I ein wettbewerbsrechtliches Verfahren, das sich gegen den Hersteller des bekannten Adblockers „AdBlock Plus“ richtet. Kläger sind Pro Sieben Sat 1, RTL Interactive und Axel Springer. Nach einem Bericht von Horizont wurde Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf den 17.12.2014.

Der BGH hat zwar in einer älteren Entscheidung den Fernsehwerbeblocker „Fernsehfee“ wettbewerbsrechtlich nicht beanstandet. Im Falle von AdBlock Plus bestehen allerdings einige Besonderheiten, die eine abweichende Entscheidung naheliegend erscheinen lassen.

Der BGH hatte die fehlende Wettbewerbswidrigkeit seinerzeit auch darauf gestützt, dass die Fernsehsender damals nicht darlegen konnten, dass ihnen durch den Werbeblocker tatsächlich Einnahmen entgehen. Diese Darlegung könnte im Hinblick auf Adblocker durchaus gelingen. Denn anders als Fernsehwerbeblocker, die ja erst eine nachträgliche Ausblendung der Werbung aus einer Aufzeichnung ermöglichen, sorgen Adblocker dafür, dass die Werbung im Browser des Nutzers erst gar nicht angezeigt wird. Adblocker sind außerdem durchaus verbreitet, während Werbeblocker im Fernsehbereich eher selten benutzt werden.

Außerdem könnte ein weiteres Feature dem Hersteller von AdBlock Plus zum Verhängnis werden. Denn AdBlock Plus blendet nicht jegliche Werbung aus, sondern lässt sog. akzeptable Werbung durch. Laut einem Bericht von Heise zahlen große Unternehmen wie Google und United Internet erhebliche Summen an den Hersteller des Adblockers, um auf die White-List der akzeptablen Werbung zu gelangen.

Nachdem der BGH für die Frage, ob eine Markt- oder Mitbewerberbehinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG vorliegt, eine Gesamtabwägung aller maßgeblichen Umstände verlangt, dürfte die Wettbewerbsverzerrung die durch diese White-List hervorgerufen wird, dazu führen, das Browser-Plugin Adblock Plus als wettbewerbswidrig zu qualifizieren. Denn anders als beim Fernsehblocker bleibt es in diesen Fällen nicht allein dem Nutzer überlassen, ob er Werbung ausblenden will oder nicht. Vielmehr entscheidet der Hersteller über seine White-List in dieser Frage mit und verdient hiermit offenbar auch noch gutes Geld. Damit dürfte AdBlock Plus zumindest in dieser Ausgestaltung nicht mehr wettbewerbskonform sein.

posted by Stadler at 17:29  
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