Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.11.14

BGH zur Berichterstattung über den Inhalt rechtswidrig beschaffter E-Mails

Der BGH hält die Berichterstattung über den Inhalt von E-Mails die der frühere Brandenburger Ministers Rainer Speer mit seiner Ex-Geliebten gewechselt hatte, für zulässig, obwohl die Mails rechtswidrig beschafft wurden. Über die Entscheidung hatte ich hier bereits ausführlich berichtet. Nunmehr liegt das Urteil im Volltext vor.

Wichtig an der Entscheidung des BGH ist zunächst die Feststellung, dass auch die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst ist. Das bedeutet, dass in diesen Fällen dann immer auch eine Abwägung des von der Presse verfolgten Informationsinteresses und ihres Rechts auf Meinungsfreiheit mit dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit vorzunehmen ist.

Der BGH betont dann einen für die Abwägung in solchen Fällen stets als zentral anzusehenden Aspekt:

Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG kommt dagegen umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Äußerung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr in Verfolgung eigennütziger Ziele abgegeben wird.

Der BGH führt anschließend aus, dass die Veröffentlichungsbefugnis im Falle von rechtswidrig beschafften Informationen durchaus eingeschränkt ist, insbesondere wenn die Informationen durch Täuschung erlangt wurden:

In Fällen, in denen der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Absicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, die der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Das wird in der Regel dann nicht der Fall sein, wenn die in der dargelegten Weise widerrechtlich beschaffte und verwertete Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbart, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind; denn dies deutet darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht.

Im konkreten Fall des Ex-Ministers Speer hat der BGH einen hohen Öffentlichkeitswert der Informationen bejaht und dies wie folgt begründet:

Abgesehen davon haben die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte und deren Wahrheit er nicht in Frage stellt, einen hohen „Öffentlichkeitswert“. Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Die der Beklagten zu 1 zugespielte E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Kläger und Frau G. belegt, dass sich der Kläger, der von 1994 bis zu seinem Rücktritt im Jahre 2010 herausgehobene öffentliche Ämter bekleidete, über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter E. entzogen hat. Er hat seine ehemalige Geliebte dadurch in die Situation gebracht, für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Anspruch zu nehmen, und es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass sie Leistungen bezog, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren.

Speer habe, so der BGH weiter, die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind aus Eigeninteresse  auf den Steuerzahler abgewälzt. Ein derartiges Verhalten sei, so der BGH, für die Beurteilung der persönlichen Eignung Speers als Finanz- und Innenminister und Landtagsabgeordneter von maßgeblicher Bedeutung.

Letztlich kann also bei einer Person des öffentlichen Lebens ein hohes Informationsinteresse der Allgemeinheit auch eine Beeinträchtigung der Privatssphäre überwiegen und zwar selbst dann, wenn die Informationen rechtswidrig beschafft worden sind.

posted by Stadler at 10:36  

Ein Kommentar

  1. Heißt das jetzt, dass ich als Verleger rechtswidrig beschaffte Informationen des MfS über die Bundeskanzler der BRD problemlos veröffentlichen kann.

    Comment by Igel — 23.11, 2014 @ 11:30

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.