Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

12.9.14

Die Liste der von der Bundesprüfstelle indizierten Websites ist in erheblichem Umfang unrichtig

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) führt die Liste der jugendgefährdenden Medien und indiziert auch Telemedien (Websites). Die gesetzliche Grundlage dafür ist § 18 Abs. 1 JuSchG der lautet:

Träger- und Telemedien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, sind von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in eine Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen.

Die Liste der indizierten Telemedien wird nach der gesetzlichen Regelung nicht veröffentlicht. Diese Liste soll aber Anbietern nutzerautonomer Filterprogramme zur Verfügung gestellt werden. In der Praxis wird die Liste auch an Suchmaschinen weitergegeben, was ich anderer Stelle bereits als nicht gesetzeskonform kritisiert habe, weil Suchmaschinenbetreiber kaum als Anbieter nutzerautomer Filterprogramme angesehen werden können. Die Aufnahme in die Liste führt jedenfalls dazu, dass die Inhalte nicht mehr von Google & Co. indiziert und durch Jugendschutzprogramme ausgefiltert werden.

Warum das gesamte System der Führung jugendgefährdender Telemedien praktisch überhaupt nicht funktioniert und rechtswidrig gehandhabt wird, zeigt der Fall des Aktivisten Florian Walter.

Die deutsche (!) Domain gameinferno.de wurde 2006 in die Listen jugendgefährdender Telemedien aufgenommen und wird seither dort gelistet. Der Anbieter hat die beanstandeten Inhalte anschließend offenbar vom Netz genommen. In den letzten Jahren waren unter der Domain entweder keine Inhalte am Netz oder jedenfalls nicht solche jugendgefährdender Art. Die Snapshots von archive.org aus dem Jahre 2008 lassen auf den ersten Blick keinerlei beanstandungswürdige Inhalte erkennen.

Die Domain wurde dann irgendwann von dem alten Domaininhaber freigegeben, der Aktivist Florian Walter hat die Domain im Juli 2014 auf sich registriert und ist anschließend in einen Dialog mit der Bundesprüfstelle eingetreten und hat der Behörde u.a. folgende Fragen gestellt:

Überprüfen sie bei Telemedien regelmäßig ob die Gründe welche zur Indizierung geführt haben noch fortbestehen? Wie häufig und in welchen Abständen werden Telemedien einer Überprüfung wie in (der vorangegangenen) Frage beschrieben, unterzogen?

Die Antwort der Bundesprüfstelle lautete:

Nein das darf die BPjM von Gesetzes wegen nicht prüfen. Die BPjM darf hier nur auf Antrag des Anbieters tätig werden, der von dem Verfahren in Kenntnis gesetzt wurde.

Woraus genau diese Gesetzeslage resultieren sollte, ist mir allerdings unklar. Denn in § 18 Abs. 7 JuSchG heißt es:

Medien sind aus der Liste zu streichen, wenn die Voraussetzungen für eine Aufnahme nicht mehr vorliegen.

Die Domain wurde jetzt mit Entscheidung vom 29.08.2014 dann doch noch aus der Liste gestrichen, offenbar auch ohne Antrag.

Der betroffene Aktivist Florian Walter hat die Sache zum Anlass genommen, die aktuelle Liste der jugendgefährdenden Telemedien auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, mit einem erschreckenden Ergebnis. Auf der Liste befinden sich allein ca. 500 Domains die aktuell überhaupt nicht registriert sind. Über die darüberhinausgehende Zahl falscher oder veralteter Einträge, die keine rechtswidrigen Inhalte (mehr) aufweisen, ist damit noch gar nichts ausgesagt. Die Liste der jugendgefährdenden Telemedien ist also nicht nur vereinzelt, sondern in beträchtlichem Umfang schlicht falsch.

Man muss sich insoweit vor Augen führen, dass die Indizierung einer Website durch die Bundesprüfstelle eine Maßnahme der Eingriffsverwaltung darstellt und mithin einen Grundrechtseingriff. Leider wird jedenfalls nach Aufnahme in die Liste nicht in gesetzeskonformer Art und Weise dafür Sorge getragen, dass die Richtigkeit laufend überprüft wird.

posted by Stadler at 09:25  

12 Comments

  1. Schön ist auch, wenn man sich vor Augen führt, wie gut das mit dem „löschen statt sperren“ verfolgt worden ist. Es gibt noch drei weitere .de Domains in der aktuellen Liste, wo scheinbar kein Versuch unternommen wurde, die „jugendgefährdenden“ Inhalte auf legalem Wege auszuschalten.

    Comment by Manuel — 12.09, 2014 @ 10:07

  2. Was will man denn erwarten?
    Das ist alles Neuland.

    Die Papieraktenwälzer kommen mit dem schnellen Wandel nicht klar.
    Es braucht eine nächste Generation in Regierung und Beamtenstuben, die Computer und Internet nativ verstehen, dann werden auch solche Verfahren praktikabel eingerichtet sein.

    Comment by Frank — 12.09, 2014 @ 10:21

  3. „Woraus genau diese Gesetzeslage resultieren sollte, ist mir allerdings unklar.“

    Lt. wikipedia: „Verfahrensbeteiligte können, wenn sich die Sach- oder Rechtslage geändert hat, nach § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit dem Ziel der Listenstreichung stellen.“

    M.E. bietet §21 JuSchG, insb. Ziff (7) ausreichend Auslegungsmöglichkeiten für eine passive Rolle.

    Comment by GustavMahler — 12.09, 2014 @ 11:13

  4. Aus den allgemeinen Regeln des VwVfG folg aber nicht, dass die Bundesprüfstelle nicht auch von Amts wegen tätig werden kann.

    Comment by Stadler — 12.09, 2014 @ 11:25

  5. Das ist interessant. Wenn man sich den Dialog anschauen will und dort drauf klickt, wird die Website beim Arbeitgeber (Bank) geblockt – OK, da ist also der Filter wirksam, das ist verständlich, und so soll es sein.

    Dann aber wird es skurril: versuche ich es auf meinem Smartphone, dann wird die Website nicht gefunden. Das Betriebssystem ist von Google, bekanntlich einem Anbieter von Suchmaschinen, die die Sperrliste erhält und offenbar einsetzt. Ich suche allerdings nicht auf der Suchmaschine danach, sondern gebe sie in der Browserzeile ein. Warum wird die Seite blockiert? Offenbar nutzt sie Google nicht nur für die Filterung seiner Suchergebnisse.

    Ich frage mich, wo diese Liste sonst noch Verwendung findet…

    Comment by Sancho — 12.09, 2014 @ 12:51

  6. @Sancho Es hängt vom verwendeten Browser und der genauen Adresse ab, die du eingegeben hast. Z.B. liefert Chrome auf PC bei mir bei Eingabe von „gameinferno.de“ in die Adresszeile einen Fehler „504 DNS look up failed“, aber das vollständige „www.gameinferno.de“ geht problemlos. Opera 12 wiederum kommt auch mit „gameinferno.de“ zurecht, vermutlich weil der automatisch das „www.“ davorsetzt und ausprobiert.

    Comment by Hackworth — 12.09, 2014 @ 13:20

  7. @Hackworth: Oh, tatsächlich! Dann habe ich nichts gesagt, bzw. ich nehme alles zurück und behaupte hiermit das Gegenteil :)

    Comment by Sancho — 12.09, 2014 @ 14:56

  8. Die Erklärung ist einfach – tätig zu werden ist mit einer Reihe von eklatanten Nachteilen verbunden:
    – man muss den Arxxx hoch bekommen.
    – es kostet Geld. Und Geld ist knapp (sagt Mutti).
    – des hammer noch nie so gmacht.
    – a-ha. Sie wollen also Jugendgefährder schützen.

    (leider kenne ich inzwischen genügend Bundesbehörden von innen, um jede Wette darauf einzugehen, dass zumindest zwei von vier Thesen zutreffen)

    Comment by d. — 12.09, 2014 @ 17:01

  9. Denk doch mal jemand an die Kinder!

    Comment by _Flin_ — 13.09, 2014 @ 01:28

  10. Erklärung zur Problematik mit oder ohne www:
    Aus Sicht der DNS Server ist die Domain http://www.xyz.de
    nicht die selbe wie xyz.de

    Es hängt also davon ab, wie die Zonefile des DNS Servers aussieht. So kann http://www.xyz.de natürlich trotzdem auf die selbe IP wie xyz.de zeigen und auch der Webserver kann den gleichen Inhalt für http://www.xyz.de wie für xyz.de ausliefern, muss er aber nicht.

    Mit Zensur hat das wirklich nichts zu tun, das kann nur der Anbieter entscheiden.

    Comment by Alexander Schwarz — 13.09, 2014 @ 09:30

  11. Dass die Burschen außerstande sind, mit dem Internet klar zu kommen, ist noch das geringere Übel.

    Das größere Übel besteht darin, dass sie frei von wissenschaftlicher Kontrolle oder juristischer Überprüfung, aus dem Bauch heraus, Inhalte vor der Öffentlichkeit vor der Öffentlichkeit verstecken. Kriterium ist der buchstäbliche Zeitgeschmack.

    Siehe dazu Pornoanwalt.de.

    Comment by Wolf-Dieter — 13.09, 2014 @ 19:20

  12. @11.

    Das geht noch weiter….laut den Jugendschützern ist bei der Einstufung eines Mediums im Sinne von „sozialethisch desorientierend“ vom labilen gefährdungsgeneigten Minderjährigen als Maßstab für die Indizierung auszugehen vgl. http://www.bundespruefstelle.de/RedaktionBMFSFJ/RedaktionBPjM/PDFs/BPJMAktuell/bpjm-aktuell-201402-musik-cd-nwa-video-stress-ohne-grund-rechtmae_C3_9Fig-indiziert,property=pdf,bereich=bpjm,sprache=de,rwb=true.pdf

    d.h. es werden Medien auf einem weitaus niedrigen Level indiziert.
    Nur stellt sich da für mich die Frage ob diese Vorgehensweise den nötig ist, einfach aus dem Grund weil bei einem labilen gefährdungsgeneigten Minderjährigen mit hoher Sicherheit schon viele andere Faktoren sozialethisch desorientierend sein dürften und der Medienkonsum mit hoher Wahrscheinlichkeit dort nichts mehr ausmacht….

    bombjack

    Comment by bombjack — 15.09, 2014 @ 07:42

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