Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

26.8.14

Verbesserte zivilrechtliche Ahndung von Datenschutzverstößen?

Das geplante „Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts“ sieht die Schaffung einer Verbandsklagebefugnis vor.  Danach sollen alle datenschutzrechtlichen Vorschriften, die für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten eines Verbrauchers durch einen Unternehmer gelten, als Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 Absatz 1 UKlaG gelten. Die Folge ist eine Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden gegen Datenschutzverstöße von Unternehmen.

Die Deutsche Gesellschaft für Recht und Informatik (DGRI) kritisiert das Gesetzesvorhaben in einer Stellungnahme mit dem Argument, Datenschutz sei kein Verbraucherschutz, sondern vielmehr ein grundrechtsgleiches Recht, dessen Überwachung deshalb unabhängigen Kontrollstellen vorbehalten sein muss – also den bereits existenten Datenschutzaufsichtsbehörden – und  nicht Verbraucherschutzverbänden mit kommerziellen und/oder einseitig dem Verbraucherschutz untergeordneten Interessen überlassen werden darf.

Die Kritik erscheint mir zwar im Ansatz zutreffend, aber in ihrer Schlussfolgerung falsch zu sein. Datenschutz ist sicherlich kein Verbraucherschutz. Wenn man ihn allerdings wie die DGRI als grundrechtsgleiches Recht begreift, wofür nicht zuletzt die EU-Grundrechtecharta spricht, dann kann die Forderung eigentlich nur lauten, effektiven Individualrechtsschutz zugunsten der betroffenen Bürger zu schaffen. Vielleicht ist der Staat zum Schutz des Grundrechts geradezu gehalten, Individualrechtsschutz vorzusehen, der Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche umfasst. Die Kontrolle durch unabhängige Aufsichtsbehörden – die es ja bereits gibt – stellt insoweit kein Surrogat dar.

Auch die weitere Aussage der DGRI, die vorhandenen Rechtsinstrumente zur Verfolgung datenschutzrechtlicher Verstöße seien ausreichend und einem behaupteten Vollzugsdefizit können allenfalls durch Verbesserung der Ausstattung der Aufsichtsbehörden begegnet werden, dürfte nicht nur wegen des fehlenden Individualrechtsschutzes diskutabel sein.

Denn die Aufsichtsbehörden haben derzeit (nur) die in § 38 BDSG festgelegten Befugnisse, die in der Praxis häufig keine effektiven Sanktionen ermöglichen. Speziell in diesem Punkt geht die geplante Datenschutzgrundverordnung deshalb zu recht über das bisherige Sanktionssystem hinaus.

Mein Fazit lautet daher, dass eine effektive zivilrechtliche Ahndung von Datenschutzverstößen voraussetzen würde, dass man konkrete Individualansprüche auf Unterlassung- und Schadensersatz schafft. Die Bundesregierung geht mit der Schaffung einer Verbandsklagebefugnis lediglich einen halbherzigen Mittelweg.

posted by Stadler at 21:32  

2 Comments

  1. Noch anzumerken ist, dass die Datenschutzbehörden neben den begrenzten Sanktionsbefugnissen hoffnungslos unterbesetzt sind, d.h. selbst nicht proaktiv sondern lediglich reaktiv handeln. Diese stichprobenartige Kontrolle der Aufsichtsbehörden ist sicherlich kein effektiver Individualrechtsschutz oder die Grundlage dafür „dass die genannten Kontrollstellen ihre Aufgabe, den Schutz des Rechts auf Privatsphäre und den freien Verkehr personenbezogener Daten ins Gleichgewicht zu bringen, erfüllen.“ (EuGH)

    Comment by Oliver — 26.08, 2014 @ 22:47

  2. Persönlichkeitsrechte, die Würde des Menschen, der Wert des Lebens, Liebe, Verantwortung etc. – all das ist kommerzialisiert. Der einzige gesetzlich verankerte Maßstab ist das Geld. Die Rechtsprechung ist nicht anders. Die Pressefereiheit gehört auch dazu. Ausnahmen im Grundgesetz werden durch die EU-Gesetze relativiert.

    Weshalb soll der Datenschutz eine Ausnahme sein?

    Die Kommerzialisierung des Lebens, die Entfremdung der Arbeit ist das zentrale Thema.

    Deswegen der militante Islamismus, der Bürgerkrieg in der Ukraine, die vielen Kriege, die wir in der Welt führen.

    Comment by Rolf Schälike — 28.08, 2014 @ 22:41

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