VG Media will das Leistungsschutzrecht wahrnehmen, nur wie?
In den letzten Tagen wurde berichtet, dass die Verwertungsgesellschaft VG Media das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse für zwölf Verlage wahrnehmen wird, darunter Springer, Burda, Funke (WAZ, Hamburger Abendblatt) und der Münchener Zeitungs-Verlag (Münchner Merkur). Die Verlage übernehmen dabei offenbar gleich 50 % der Anteile der Verwertungsgesellschaft. Andere renommierte Blätter/Verlage wie die FAZ, Süddeutsche, Spiegel, ZEIT oder Heise beteiligen sich an dieser Allianz derzeit allerdings nicht.
Seitdem der Bundestag dieses Leistungsschutzrecht beschlossen hat, gab es dazu auch eine ganze Reihe rechtswissenschaftlicher Veröffentlichungen, weshalb hier nochmals der juristische Diskussionsstand zusammengefasst werden soll.
Ganz allgemein wird in der rechtswissenschaftlichen Diskussion darauf hingewiesen, dass die Bestimmung des Schutzgegenstandes und des Schutzumfanges Schwierigkeiten bereitet und das Gesetz sich insgesamt als leere Hülle entpuppen könnte (Peifer, GRURPrax 2013, 149). Überwiegend wird angenommen, dass das Leistungsschutzrecht nur dann eingreift, wenn längere Textpassagen oder ganze Artikel übernommen werden ( so z.B. Kahl, MMR 2013, 348). Insoweit wird sogar die Ansicht vertreten, dass die vom Schutzbereich ausgenommenen kleinsten Textausschnitte einen Unfang von bis zu 250 Zeichen umfassen dürfen, was zu einem faktischen Leerlauf der gesetzlichen Neuregelung führen müsste (Kühne, CR 2013, 169). Auch in kartellrechtlicher Hinsicht wird die Auffassung vertreten, dass Google nicht zwingend zahlen muss, sondern berechtigt ist, diejenigen Verlage, die ihr Leistungsschutzrecht geltend machen, auszulisten und deren Inhalte nicht mehr anzuzeigen (Kersting/Dworschak, NZKart 2013, 46).
Entscheidend ist letztlich, wie man den unbestimmten Rechtsbegriff “kleinste Textausschnitte” auslegt. Ausgehend vom Wortlaut, muss es sich dabei jedenfalls um mehr als um einzelne Wörter handeln, andererseits aber um weniger als um kleine Textausschnitte. An dieser Stelle muss dann allerdings die Frage erlaubt sein, wie man überhaupt noch zwischen kleinen und kleinsten Textausschnitten differenzieren soll. Ich halte es für naheliegend, sich an die Rechtsprechung des BGH in der Perlentaucherentscheidung anzulehnen. Danach genießen sehr kleine Teile eines Sprachwerkes – wie einzelne Wörter oder knappe Wortfolgen – zumeist keinen Urheberrechtsschutz. Wenn man also “kleinste Textauschnitte” und “knappe Wortfolgen” synonym betrachtet, würde der Schutz des Leistungsschutzrechts regelmäßig dort beginnen, wo auch der originäre urheberrechtliche Schutz einsetzt. Damit ist für die Verlage freilich nichts gewonnen.
Suchmaschinen dürften von der Neuregelung also nicht betroffen sein. Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Ansicht in der juristischen Literatur. Bei News-Aggregatoren wird es auf die Länge des Textausschnitts ankommen, wobei auch hier jede Menge Auslegungsspielraum und damit Rechtsunsicherheit besteht. Je nach Auslegung könnte ein Dienst wie Google-News insoweit durchaus kritisch sein, wobei dies im Lichte der Rechtsprechung eigentlich bereits nach dem bislang geltenden Urheberrecht so war.
Ob die VG Media aber überhaupt etwas wahrzunehmen hat, wird auch davon abhängen, ob sich beispielsweise Google dazu entschließt, die Inhalte von Verlagen wie Springer oder Burda bei Google-News oder gar in der Suchmaschine einfach nicht mehr anzuzeigen. Das wäre vermutlich zunächst für die Verlage ein größereres Problem als für Google.
Ich habe für dieses Blog jedenfalls entschieden, auf die Verlinkung von Verlagen, die ihr Leistungsschutzrecht wahrnehmen, komplett zu verzichten.
Um bei Google News gelistet zu werden ist es zwingend erforderlich sich dort selbst anzumelden.
Wer nicht will das Google Interessenten via google news zu seiner news Seite schickt kann das leicht erreichen indem er sich da nicht anmeldet.
Comment by yah bluez — 19.02, 2014 @ 18:15
„Ich habe für dieses Blog jedenfalls entschieden, auf die Verlinkung von Verlagen, die ihr Leistungsschutzrecht wahrnehmen, komplett zu verzichten.“
Jawoll! Damit zeigen Sie es den gierigen Verlagen richtig! Vor so viel geballter Meinungsmacht werden die bald einen Rückzieher machen! Hoffe, Sie finden vielen Nachahmer.
Comment by NSA — 19.02, 2014 @ 20:03
Der Inhalt und Umfang des Leistungsschutzrechtes und damit auch des Begriffes der kleinen Textausschnitte hat sich an den europarechtlichen Vorgaben, der Richtlinie 2001/29/EG, zu orientieren. Der Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte ist im Grundsatz vollharmonisiert.Ich halte es für durchaus fraglich, wie eine für die Verleger sinnvolle Auslegung z. B. mit den Artikeln 2 bis 5 der Richtlinie in Einklang zu bringen sein soll. Der EuGH wird hierbei ein Wort mitzureden haben; der BGH wird bei der Auslegung einzelner Begriffe an den Vorgaben des EuGH nicht vorbeikommen und bei der ersten Streitfrage vorlegen müssen.
Comment by Jabberwocky — 19.02, 2014 @ 20:20
Nach dem Vorbild Belgiens, dürften sich nach einer gewissen Schamfrist auch deutsche Verlage bei google anmelden.
Die Verleger oder deren Berater verstehen das System nicht. Jeder Taxifahrer würde sich weigern, mich mitzunehmen, wenn ich ihn am Ziel unsere gemeinsam verbrachte Zeit in Rechnung stelle.
Warum sollte google anders handeln?
Comment by Wolf — 19.02, 2014 @ 20:23
Heist das eigentlich das das betreiben eines Online RSS Agregators wie feedly hierzulande nicht möglich wäre. Denn in den RSS Feeds von Zeitungen sind die Auszüge ja teilweise deutlich länger. Oder vielleicht gilt das ja sogar für eMail Provider denn die Artikel kann man sich ja auch per Mail Abonnieren und zuschicken lassen.
Comment by mark — 19.02, 2014 @ 22:41
Ich werde es auf meinem Blog so machen, das ich solche Inhalte einfach weglasse. Zu mal ich auch keinen Bock habe die Verlage mit meinen Links zu stärken. Außerdem finde ich es eh besser wenn man in seinem Blog seine eigenen Gedanken und Nachrichten verbreitet.
Comment by Knut Richter — 20.02, 2014 @ 17:39
Habe ich das richtig verstanden? Sie, als Anwalt, kritisieren, dass jemand sein Recht wahrnimmt? Das Formulieren von Texten ist eine eigenständige geistige Leistung, die Zeit und Mühe kostet. Ich finde es mehr als verständlich, dass Autoren und die sie vertretenden Verlage nicht möchten, dass das Ergebnis dieser Mühe (=die Texte) ohne Honorar übernommen werden kann.
Comment by Schnaki — 20.02, 2014 @ 20:48
Ich möchte vor diesem Hintergrund auf den Koalitionsvertrag der großen Koalition hinweisen. Dort heißt es auf Seite 134 im Absatz 3 des Abschnitts „Medien“:
„Die Koalition will faire Wettbewerbschancen für alle Medienanbieter.
Deshalb wollen wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen privatwirtschaftlicher
Medienproduktion stärken. Sie setzt sich für das Prinzip der Plattformneutralität ein,
d. h. bei Distributionsplattformen für Rundfunk und Telemedien insbesondere bei
marktbeherrschenden Plattformbetreibern sind eine diskriminierungsfreie Informationsübermittlung
und der neutrale Zugang zu Inhalten sicherzustellen.“
Es gehört nicht viel Phantasie dazu, hier eine Absicht der Verpflichtung zum Listing von Verlagsinhalten gesetzlich festzuschreiben.
Mir scheint, dass die Strategie der Verlage hier ist, über – gerade bei CDU/CSU und SPD erfolgreiches – Lobbying ein Gesetz zu schaffen, um einerseits Google dazu zu zwingen, die eigenen Angebote diskriminierungsfrei aufführen zu müssen, um dann über das Leistungsschutzrecht kassieren zu können.
Comment by _Flin_ — 21.02, 2014 @ 11:25
@7
Warum nutzen dann die Verlage nicht die technischen Möglichkeiten? Authentifizierter (ggf. gegen Bezahlung) Zugang, robots.txt usw.
Nein, jede noch so kleine Belanglosigkeit (u.U. nur kopiert von anderen Meldungen) ist „schutzwürdig“
Man kann nur hoffen, dass die ganzen Verlage aus den News verschwinden und auch in der Suche nicht mehr gelistet werden. Dann wird das heulen groß sein.
Comment by Christian — 22.02, 2014 @ 09:19
Ich betreibe selbst eine Nachrichtensuchmaschine (nasuma.de). Dort werden zur Zeit nur Quellen genutzt, deren Anbieter ihr Einverständnis erklärt haben, dass ihre Inhalte dargestellt werden dürfen.
Es wäre natürlich gut, wenn man – wie in dem Artikel an einer Stelle angemerkt – als Betreiber einer Nachrichtensuchmaschine Textanrisse mit bis zu 250 Zeichen darstellen könnte (100-150 wären auch schon ganz ok).
Ein Problem dieses Gesetzes ist die große Rechtsunsicherheit, die es mit sich bringt.
Ich könnte mich beispielsweise der Auffassung anschließen, dass ich für die Darstellung von Textanrissen von bis zu 250 Zeichen keine Genehmigung brauche bzw. dafür nicht zahlen muss. Aber sicher kann ich mir da nicht sein und für gewisse Kläger wäre das natürlich die ideale Gelegenheit, hier ein Exempel zu statuieren, denn sie müßten sich nicht mit Google anlegen und hätten sich über einen vermeintlich leichten Gegner ein wegweisendes Urteil besorgt (Vorrausgesetzt, sie bekommen Recht. Aber wer ein Gesetz kaufen kann, schafft es wohl auch, Recht zu bekommen.).
Da nun in absehbarer Zeit Geldforderungen kommen werden, wird sich bald die Frage stellen, ob ich diese Suchmaschine zumache oder mich der Auffassung anschließe, dass die Textanrisse nicht unter das sogenannte Leistungsschutzrecht fallen, und weiterhin die Suchmaschine in der gewohnten Form betreibe.
Eine alternative Überlegung wäre, dass man die Suchmaschine ja statt mit deutschen Quellen mit englischen oder anderen internationalen Quellen füllen könnte (hatte ich schon einmal in vereinfachter Form), damit die hineingesteckte Arbeit nicht für die Katz war.
Leider kommt einem hier auch wieder das LSR in die Quere, denn es gilt ja nicht nur für Quellen aus Deutschland. Ich finde es wichtig, diesen Aspekt anzusprechen, der irgendwie bei allen juristischen und nicht-juristischen Betrachtungen dieses Gesetzes außen vorgelassen wird.
Es ist also so, dass das Gesetz in Deutschland gilt. D.h. es gilt für alle deutschen Suchmaschinenanbieter, die Sprache der Nachrichten ist egal. Würde ich eine englischsprachige Nachrichtensuchmaschine anbieten, könnten mich Guardian, New York Times, Washington Post, BBC und co. theoretisch abkassieren. Auch die Nachrichtenanrisse österreichischer oder schweizer Anbieter kann man übrigens nicht einfach so nutzen, nur weil deren Anbieterverlage sich im Ausland befinden.
Umgekehrt bliebe ein Nachrichtensuchmaschinenbetreiber, der seine Suchmaschine vom Ausland aus (in Deutsch oder einer anderen Sprache) anbietet, völlig unbehelligt. Google ist nur deshalb betroffen, weil es eine deutsche Niederlassung hat bzw. in Deutschland als juristische Person aktiv ist.
Das LSR richtet sich gegen jeden Nachrichtensuchmaschinenbetreiber in Deutschland. Es ist völlig unerheblich, welche Sprache die dargestellten Nachrichtenanrisse haben. Genauso ist völlig unerheblich, ob der Verlag in Deutschland beheimatet ist. Selbst wer die Einverständnis aller deutschen Verlage hat, ist nicht vor dem LSR sicher.
Comment by Jens — 22.02, 2014 @ 14:12
So sieht es aus, wenn ein Buchautor das Leistungsschutzrecht ernst nimmt.
Toll gemacht Verlage.
http://www.andreaseschbach.de/quotes/quotes.html
Comment by Troll — 22.02, 2014 @ 14:13
Off Topic
kann nach lesen gerne durch Herr Stadler gelöscht werden.
Verstößt so etwas nicht gegen das Urheberrecht/Markenrecht?
Vor allem mit dem Hintergrund, das so ein Auftritt als Werbung genutzt wird (politische Werbung)
http://www.spiegel.de/panorama/leute/fastnacht-in-franken-soeder-als-shrek-beckstein-als-roth-verkleidet-a-955022.html
Mich würde da eine rechtliche Einschätzung interessieren.
Danke
Comment by Troll — 22.02, 2014 @ 14:15
„…darunter Springer, Burda, Funke (WAZ, Hamburger Abendblatt) und der Münchener Zeitungs-Verlag (Münchner Merkur). Die Verlage übernehmen dabei offenbar gleich 50 % der Anteile der Verwertungsgesellschaft. Andere renommierte Blätter/Verlage wie die FAZ, Süddeutsche, Spiegel, ZEIT oder Heise beteiligen sich an dieser Allianz derzeit allerdings nicht.“
Dazu kann ich nur schreiben, daß ich die Erstgenannten auf dem Markt sowieso nicht sehen möchte, die Zweitgenannten immer kaufe/bezahle/anklicke/lese, daher ist es für mich persönlich eine Bestätigung meiner Wahl der Lektüre, egal ob print oder online. Sie sind es wert.
Frei nach Grimm: Die Schlechten ins Kröpfchen, die Guten ins Töpfchen.
Comment by Belsen — 22.02, 2014 @ 15:18
@Jens: Notfalls bliebe noch die IP sperre für deutsche Kunden. Spätestens dann dürfen sich deutsche Gerichte doch nicht mehr zuständig fühlen. Ärgerlich ist es trotzdem.
Comment by mark — 23.02, 2014 @ 15:38
Als YACY-Peer Betreiber (eine dezentrale Open Source Suchmaschiene) habe ich schon seit langer Zeit als Konsequenz alle Webseiten der beteiligten Verlage zu sperren. Als Informatiker ist das Gesetz für mich mehr als unnütz, denn das Internet wird nun mal technisch und nicht juristisch weiterentwickelt. Technologien zum Schutz gab es bereits (robots.txt, Logins, …), da muss keiner ein Gesetz für stricken.
Die Verlage wollen offensichtlich (wie im Artikel beschrieben) alle Vorteile abgreifen:
1. Bei Google wegen ihren Inhalten (vorne) gelistet werden
2. Geld von Google
Man merkt diese Doppelzüngigkeit schon daran, dass Googlebots oft durch Paywalls kommen und sich Seiten als offen präsentieren, welche es für Leser dann auf einmal nicht mehr sind….
Comment by MM — 25.06, 2014 @ 21:31