Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.11.13

Sollten wir uns vor den Geheimdiensten nackig machen?

Richard Gutjahr hat vor einigen Tagen in seinem Blog sein Erbgut der Öffentlichkeit zum Download bereitgestellt, begleitet mit einem „Vorwort“ von FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher. Zur Erklärung dieser bemerkenswerten Aktion schreibt Gutjahr:

Die Geheimdienste außer Kontrolle, gewählte Regierungen untätig weil ohnmächtig. Heute wage ich den Angriff nach vorn, mache mich nackt bis auf die Knochen und noch weit darüber hinaus: DNA for NSA – mein Erbgut als Public Download. Der Gedanke: In einer Welt ohne Geheimnisse haben die Geheimdienste keine Macht mehr über mich.

Ich habe mir jetzt ein paar Tage lang die Frage gestellt, ob er das wirklich ernst meint, oder ob es sich nur um eine bewusst absurde Form der Provokation handelt, die Aufmerksamkeit erregen will und zum Nachdenken anregen soll. Wenn das nicht die primäre Intension Gutjahrs sein sollte, dann verstehe ich ihn nicht. Der Text Schirrmachers, der gewohnt dystopisch gehalten ist, trägt ebenfalls nichts zur Erhellung bei.

Wieso sollte die Macht der Geheimdienste schwinden, wenn jeder ihnen freiwillig alles auf dem Silbertablett liefert? Widerstand durch vorauseilenden Gehorsam ist letztlich doch wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Oder wird Richard am Ende doch nur versuchen darzustellen, wie wichtig es ist, höchstpersönliche Informationen zu schützen, allen Post-Privacy-Propheten zum Trotz? Mir stellen sich bislang eigentlich nur Fragen, aber ich bin gespannt, worauf  das als Experiment angekündigte G-Nome Projekt von Richard Gutjahr hinauslaufen soll und wird.

posted by Stadler at 21:38  

23 Comments

  1. Hallo Herr Stadler,

    meine Theorie über Gutjahrs Vorhaben: Mög die NSA doch dran ersticken. Dann geben die vielleicht auf.

    Comment by Henning Uhle — 10.11, 2013 @ 22:01

  2. Die Beiträge von Gutjahr und Schirrmacher zeigen, daas sie keine konkreten, politischen Vorschläge habe, wie wir die Geheimdienste weltweit in einem globalen Medium regulieren können.

    Deshalb gilt auch hier:Jedem Zirkus seinen Augsut. Oder: die beiden machen sich zum Hofnarren der Entarteten.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 10.11, 2013 @ 23:15

  3. Den Gedanke von Frank Schirrmacher finde ich richtig.

    Auch ich sehe als den einzigen Weg, den Geheimdiensten ihre Bedeutung und ihren Einfluss zu nehmen, in der vollständigen Öffnung von allem Privaten, allen Betriebsgeheimnissen etc.

    Die Mächtigen, die Herrschenden besitzen und sammeln im immer größeren Maße Informationen über alle und alles. Sie bekommen auch alle Informationen, offiziell, gesetzlich zulässig oder geheim, gesetzwidrig. Das ist unausweichlich.

    Der offizielle verlogene Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre erzeugen damit ein Ungleichgewicht zu Gusten der Herrschenden, der Monopole, der Kriminellen. Der Rechtsstaat entwickelt sich zu einer Diktatur von Wenigen, den am besten Informierten.

    Das Gleichgewicht, die Achtung alle Menschen kann nur über die vollständige Öffnung aller Informationen hergestellt werden.

    Das verändert selbstsverständlich grundsätzlich alle gesellschaftlichen Strukturen, Beziehungen, Entwicklungen etc. und kann deswegen nicht von heute auf morgen erfolgen.

    Comment by Rolf Schälike — 11.11, 2013 @ 06:42

  4. Zu (3) Rolf Schälike,

    würden die Geheimdienste Mühelos alle Daten bekommen, wäre sie in der mächtigsten Position überhaupt.

    Für viele Informationen gibt es Interessenten, die dafür bezahlen würden.

    Schon heute ist die USA die Industriespionage Größe Nummer 1 auf der Welt weit weit größer als China.

    Welchen Sinn sollte es machen Betriebsgeheimnisse freiwillig an Datendiebe herauszugeben?

    Comment by yah bluez — 11.11, 2013 @ 07:06

  5. Welt ohne Geheimnisse, ok. Dann sollen aber bitte auch alle Informationen der NSA öffentlich sein, einschließlich der DNA aller NSA-Mitarbeiter.

    Comment by W — 11.11, 2013 @ 09:24

  6. Intension != Intention

    Musste die Stelle 5x lesen und bin mir immer noch nicht Sicher, was „Intension“ an der Stelle genau bedeuten sollte bzw. wie es in den Kontext passen könnte.

    Comment by maSu — 11.11, 2013 @ 09:54

  7. Wie ich hier schon einmal schrieb: Die Idee erscheint verlockend, dass in einer Welt ohne Geheimnisse niemand Macht über niemanden habe. Nur hat die Sache mind. zwei Denkfehler: 1. Wenn Gutjahr sich nackig macht, tun das nicht automatisch auch die Mächtigen, Das ist die Logik des kleinen Kindes, das sich die Hände vor die Augen hält und sagt, man könne es jetzt nicht mehr sehen. 2. Selbst wenn auch die Mächtigen per Gesetz gezwungen würden, sich auch nackig zu machen, man also dahingehend Symmetrie herstellte, haben die Mächtigen weiterhin mehr Macht, z.B. die Daten aller anderen auszuwerten, z.B. weil sie grössere Rechenzentren bauen können. Ebenso mehr Macht, sich dem Gesetz irgendwie zu entziehen. Alle Gesetze haben Lücken.

    Comment by Ein Mensch — 11.11, 2013 @ 10:46

  8. Klassischer Fall von Verharmlosung nach dem Motto: Wer nichts zu verbergen hat (sich nackig machen), hat auch nichts zu befürchten.

    Meine These: Nach Jahrzehnte langem Bespitzeln bestehen doch schon längst Dossiers über JEDEN.

    Bei Bedarf werden gezielte „Indiskretionen“ gestreut, z.B. über Absprachen, Steuerhinterziehungen oder sexuelle Vorlieben – also Erpressungspotential!

    Comment by nachdenklich — 11.11, 2013 @ 11:34

  9. Erpressung setzt voraus, dass man erperssbar ist. Erpressbar ist man, wenn man etwas verheimlicht.

    Hat man keine Geheimnisse, dann ist man nicht durch Offenleguung von Informationen erpressbar.

    Erpressung setzt auch voraus, dass die Menschen bei Kenntniserlangung bzw. Publikmachen von Geheimnissen, den „Entlarvten“ verurteilen.

    Keine Geheimnisse besitzen bedeutet, dass viele Taten, Handlungen und Denkweisen nicht mehr so geächtet werden wie heute. Die Macht der Wissenden (der Geheindienste und deren Nutznießer) schwindet.

    Comment by Rolf Schälike — 11.11, 2013 @ 11:56

  10. Ich halte es für großen Kokolores, sich selber nackig zu machen und alles wird gut. Es gibt Dinge in meinem (und in jedermanns) Privatleben, die gehen die Öffentlichkeit nichts an, beispielsweise ob ich mit der Nachbarin im Bett war. Da ich nicht will, dass meine Frau das erfährt, will ich das natürlich nicht öffentlich machen. Na klar könnte man sagen „dann steig halt mit Deiner Nachbarin nicht in die Kiste“ aber a) geht das außer meine Frau, mich, die Nachbarin sowie ggf. ihren Mann andere Leute einen Scheiß an und b) führt das im Sinne der Selbstzensur (https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstzensur) höchstens zu dem von RAStadler beschriebenden vorauseilenden Gehorsam. OK, wenn keiner mehr an der Nachbarin mehr herumfummelt, dann brauchen wir ja die Dienste auch nicht mehr. Schöne neue Welt. Leider geht das nur, wenn _alle_ sich dieser Selbstzensur unterziehen, und wie realistisch diese Hoffnung ist, mögen sich die Postprivacy-Spacken selber überlegen.

    Ich bin dann mal weg.

    Comment by Flurry Man — 11.11, 2013 @ 12:22

  11. Ich VERMUTE folgende Intention:
    in einer Welt in der jeder nackig ist, ist es eben kein Skandal mehr. Ist es aber kein Skandal mehr, so kann darüber auch kein Druck auf Personen ausgeübt werden.

    Damit verlören Geheimdienste ihre Macht die eher in subtilen Aktionen liegt.

    Anders gesagt: eine absolut tolerante Gesellschaft bräuchte keinen Datenschutz aber wir sind eben nicht absolut tolerant, keiner von uns.

    Comment by Trollfresser — 11.11, 2013 @ 13:05

  12. @Trollfresser: wie gesagt, eine höchst hypothetische Idee, bar jeder Praktikabilität.

    Comment by Flurry Man — 11.11, 2013 @ 13:12

  13. Vorweg, ich bin beruflich im Geheimen tätig. Meine höhere Position erlaubt es mir, Ihnen einen kleinen Einblick in unsere Welt zu geben.

    Für uns in der Intelligence Community könnte es derzeit nicht besser laufen. Sicherlich hat Edward Snowden mit seinen Enthüllungen etwas Unruhe bei uns ausgelöst und wir mussten die Desinformationsaktivität signifikant erhöhen. Aber letztendlich sind Edward Snowdens Enthüllungen langfristig ein Geschenk für unser Metier.

    Nun wissen wir endgültig, dass wir mit keinem nennenswerten Widerstand aus dem Volk rechnen müssen. Die kleine Minderheit von Bürgerrechtlern und Datenschützern haben wir dank elektronischer Aufklärung, verdeckter Agenten und Zersetzungsmaßnahmen sehr gut im Griff. Darüber hinaus schwächt sich diese Gruppe von freiheitlich Gesinnten hinreichend selbst, wie die Selbstzerfleischungsdebatten um Post-Privacy belegen.

    Die große Masse der Menschen ist Gott sei Dank derart naiv, unkritisch und obrigkeitshörig, dass uns das die Arbeit sehr erleichert. Wir können uns darauf verlassen, dass einfachste Propaganda zuverlässig Wirkung zeigt. Ob Terrorgefahr, Organisierte Kriminalität, KiPo oder Ausländerkriminalität, in jeder Situation funktioniert eine dieser Rechtfertigungen, um unsere Macht zu sichern und immer weiter auszubauen. Zusätzlich können wir uns auf treue Multiplikatoren vor allem bei der Springer Presse verlassen. Diese sogenannten Journalisten lassen sich in Hintergrundgesprächen bereitwillig auf Linie bringen und betreiben in unserem Sinne manipulative Pressepropaganda.

    Zum Abschluss möchte ich den Diskutanten hier noch etwas mit auf den Weg geben:

    Jeder von Ihnen sollte sich rechtzeitig überlegen, wie weit er mit seinem Widerstand oder Ungehorsam gehen will. Jeder sollte sich entscheiden, auf welcher Seite er stehen will.

    Denn jeder von Ihnen hat etwas zu verlieren. Im unwahrscheinlichen Fall, dass wir nichts Kompromittierendes bei Ihnen finden, um Sie bei Bedarf zu erpressen oder zu diskreditieren, dann schieben wir Ihnen entsprechendes Belastungsmaterial unter. Wir hinterlassen keine Spuren. Wir sind Profis. Kein Richter wird Ihnen glauben, dass die KiPo-Dateien auf Ihrem Computer nicht von Ihnen stammten. Ihre Existenz ist dann ruiniert; Ihr Leben zerstört. Unter der Brücke schlafen oder der Strick, das sind dann Ihre Alternativen.

    Sie haben übrigens keinen Einfluss darauf, wie Ihre Datenspuren interpretiert werden und Sie werden keine echte Chance haben, sich erfolgreich zu verteidigen.

    Ihre Aufgabe als einfacher Bürger ist es, zu funktionieren: Arbeiten, Konsumieren, Gehorchen. Scheren Sich nicht aus der Reihe. Passen Sie sich an. Seien Sie Mitläufer. Machen Sie alles mit. Fallen Sie nicht auf. Schwimmen Sie nicht gegen den Strom. Das hilft Ihnen zwar nicht auf Dauer weiter, weil unsere Rasterfahndung immer falsche Positivtreffer erzeugt, aber Sie können wenigstens daran glauben, dass Sie harmlos seien und nichts zu befürchten hätten.

    So sieht es aus. Wir haben gewonnen. Es wird kein neues 1989 geben. Das haben wir aus der Geschichte gelernt. Die moderne Technik hilft uns dabei. Es sind goldene Zeiten für die Mächtigen. Deshalb sind wir über jede Person erfreut, die uns freiwillig durch Datenstriptease die Kontrolle erleichtert.

    PS: Noch ein kleiner Tip. Der Feudalismus wurde letztlich nicht dadurch abgeschafft, dass sich die Untertanen den Fürsten freiwillig unterworfen haben. Denken Sie mal darüber nach.

    Comment by Christian Deutschmann — 11.11, 2013 @ 13:16

  14. Lieber Rolf Schälike, möchten Sie gerne an der nächsten Straßenecke von durchgeknallten Salafisten gesteinigt werden, nur weil Sie glauben, weil Sie die Unzucht mit der Nachbarin öffentlich gemacht haben, nicht mehr erpressbar zu sein? Zu glauben, mehr Offenheit würde zu mehr Toleranz gegenüber sozialen Abweicheungen führen ist doch reines Wunschdenken. Und selbstverständlich würde die Macht der Geheimdienste nicht schwinden, denn Macht hätte dann derjenige, der die Zeit (und das Geld) hat, alle verfügbaren Informationen auszuwerten. Und das werden weder Sie noch ich sein, oder haben Sie die Zeit, täglich 3 Zeitungen vollständig zu lesen und dann noch 8 Stunden zu arbeiten?

    Comment by martinf — 11.11, 2013 @ 13:23

  15. @Christian Deutschmann
    „Für uns in der Intelligence Community könnte es derzeit nicht besser laufen.“

    Für die „Intelligence Community“ vielleicht.
    Für sie nicht.

    Comment by Christian Deutschmann — 11.11, 2013 @ 14:38

  16. Für mich ist der Kernsatz: „Aber nur dann, wenn es gelingt, Autor des eigenen Lebens zu bleiben.“.

    Sie meinen vermutlich etwas wie:

    Ich bestimme, wer oder was ich oder mein Avatar ist. Nicht Facebook, Google, die NSA oder die Schufa, keine Regierung, keine Datenbank und keine Macht der Welt. Der Datenmissbrauch hat zwar durchaus reale Auswirkungen auf unser Leben, etwa bei einem Terrorverdacht. Doch die Auswirkungen erzwingen sie mit einer „nie dagewesener Totalität“.

    Das ist ihr Preis: die Totalität, mithin die Vernichtung unserer und ihrer demokratischen Grundordnung. Sie töten sich oder besser ihre Legitimation selbst.

    Was mich nicht davon abhalten kann mein Leben zu „erzählen“ und zu gestalten. Wer soll es denn sonst tun? Soll ich es mir aus der Hand nehmen lassen? Man muss mich schon zwingen. Wenn sie das wirklich tun, dann gibt es „mächtig Ärger“. Dann sind wir so oder so, früher oder später, das Problem los.

    Bis dahin gilt: Der Gestalter bin ich. Dagegen kann niemand, nicht einmal eine totale Unwahrscheinlichkeit, etwas tun. Das ist die Nachricht. Man kann mich vernichten, doch man kann nicht die Wirklichkeit leugnen. Aus den erschnüffelten Daten erkennen oder sogar generieren, kann man eine Wirklichkeit schon gar nicht. Denn sonst könnte man die Welt in einem Computer simulieren.

    Die Nachricht ist nicht sich auszuziehen und damit angreifbar zu machen. Die Nachricht ist einfach NEIN zu den dreisten Übergriffen auf Leben.

    Es ist ein Aufruf zu Selbstbestimmung und Gestaltung. Wenn wir das alle täten und nicht wie die Schafe alles mit uns machen ließen, dann haben sie keine Chance mehr gegen die Wirklichkeit. Entweder Realität oder das verzerrte totalitäre Abbild im Computer, wir haben die Wahl.

    Ich bestimme über mich – und wenn die Schnüffler sich vor Wut in der Luft zerreißen. Eine andere Wirklichkeit gibt es nicht. Punkt.

    Anmerkung: Merkel, Bild und RTL (und Co) gibt es dennoch. Es ist unter dieser Sicht vollständig ungeklärt, warum das so ist. Möglicherweise verhindern Bier, Medien, soziale Situation, vielleicht auch Trägheit die notwendige Selbstverwirklichung.

    Comment by Joachim — 11.11, 2013 @ 15:43

  17. @14 matinf.

    Ich schreibe doch eindeutig: Nicht von heute auf morgen.

    Mich interessiert die Perspektive, die Strategie, die Tendenz, um endlich aus dem Zeitalter der Barbarei, in dem wir noch immer leben, herauszukommen

    Nebenbeibemerkt: Salafisten bereiten mir keinen konkreten Schaden. Das taten aber die deutschen verurteilten Mörder Werle, Lauber, Hößl und Körppen samt RA Dr. Alexander Stopp. Schaden tut mir immer noch RA Prof. Dr. Christian Schertz und der kriminell anmutende RA Dominik Höch mit seinem kriminellen Mandanten Markus Frick.

    Nicht zu vergessen RA Dr. Sven Krüger mit seinen strafrechtlich verurteilten Mandanten Dr. Nikolaus Klehr und Ulrich Marseille. Ulrich Marseille betreibt Altersheime, klagt aber gern, wenn er z.B. als „Chef“ bezeichnet wird oder, wenn bekannt wird, wie er früher hieß.

    Inzwischen versucht auch Ulrich Marseille mich in den Knast zu bringen. So „entsorgt“ er sich seiner Kritiker, zumindest zum Teil.

    Durchgeknallte Salafisten können in Deutschland steinigen, weil unseres Rechtssystem durchgeknallt ist. Unsere geschäftstüchtigen Juristen arbeiten sich an den Falschen ab.

    Sollten die Salafisten bei uns niemanden steinigen, dann liegt das nicht an unserer Zensur.

    Comment by Rolf Schälike — 11.11, 2013 @ 18:16

  18. @16 Anmerkung: Merkel, Bild und RTL (und Co) gibt es dennoch. Es ist unter dieser Sicht vollständig ungeklärt, warum das so ist. Möglicherweise verhindern Bier, Medien, soziale Situation, vielleicht auch Trägheit die notwendige Selbstverwirklichung.

    Der Boulevard bindet Macher und Konsumenten. Würde es keinen Boulevard geben, würden die Macher des Boulevards in die Geheimdienste und Parteien gehen und die Boulevard-Konsumenten würden sich ergötzen an deren Taten in den Geheimdiensten und Parteien.

    Insofern ist der Boulevard ein gegenwärtig notwendiger Blitzableiter.

    Comment by Rolf Schälike — 11.11, 2013 @ 18:21

  19. @18 Rolf Schälike. Da ist schon etwas dran ;-)

    Was mich aber wundert ist, dass keine Kritik zu 16 kommt. Ich würde einwenden, dass Gutjahrs und Schirrmachers Sicht recht elitär ist. Menschen haben andere Probleme wenn z.B. in EU-Land jeder 4. Jugendliche, teilweise über 50% arbeitslos ist. Da Selbstbestimmtheit zu fordern ist zynisch.

    Es ist verdammte Aufgabe der Regierungen diesen Schnüffel und Überwachungsirrsinn abzuschaffen und uns nicht mit Nebelbomben wie Deutschlandnetz oder ein No Spy Abkommen zu blenden (…)

    Wenn die Geheimdienste Recht haben und alles ist streng nach Gesetz verlaufen – ich will das einfach mal voraussetzen, dann gibt es nur eine Konsequenz: Das Gesetz ist falsch.

    Statt das zu korrigieren ruft die Regierung nach Vorratsdatenspeicherung und mehr Überwachung. Das hält man doch wirklich im Kopf nicht aus.

    Comment by Joachim — 12.11, 2013 @ 10:24

  20. @19 Joachim

    Ich gehe davon aus, dass Datensammlung durch Geheimdienste, den Staat und die Konzerne, welche inzwischen fast Staatsrechte genießen, nicht zu vermeiden ist. Damit ist auch deren Missbrauch nicht zu vermeiden.

    Der Einzige Ausweg, die einzige Möglichkeit eines effektiven Widerstandes ist der Verzicht auf Geheimnisse, auf die Privatsphäre etc. Damit einher müssen Toleranz, Flexibilität, die zulässige Pluralität noch ernorm wachsen an Bedeutung gewinnen.

    Gegenwärtig entspricht das Handeln der Geheimdienste dem Handeln der Menschen. Jeder auf seine Ebene, jeder mit seinen Möglichkeiten. Insofern kein Grund, empört zu sein, zu jammern. Wir verlangen von den Geheimdiensten etwas, zu was wir selber nicht bereit sind und auch nicht immer fähig sind. Die Geheimdienste arbeiten im Rahmen ihrer Aufgaben, einschließlich Missbrauch. Jeder Mensch handelt mit seinen Geheimnissen im Rahmen seiner Möglichkeiten und ebenfalls, einschließlich des Missbrauchs.

    Comment by Rolf Schälike — 12.11, 2013 @ 14:53

  21. @20, RolfSchälke
    jetzt habe ich ein Problem. Ich bin nicht Deiner Meinung. Ich meine bei allem notwendigem Respekt(!):

    – der Missbrauch durch Geheimdienste ist vermeidbar.

    a) könnten Geheimdienste besser kontrolliert werden und es könnten Regeln geschaffen werden, die Grundrechte schützen. Grundrechte sind absolut und bilden besonders Schutz vor dem Staat.

    b) Zeigen Verschlüsselungsmethoden und z.B. Tor, dass es technisch möglich ist der Überwachung etwas entgegenzusetzen. Das muss Dau-tauglich gemacht werden und (sowieso) ein Prinzip der Softwareentwickelung werden.

    – Wer wie in die „einzige Möglichkeit eines effektiven Widerstandes ist der Verzicht auf Geheimnisse“, Alternativlosigkeit behauptet, hat andere Interessen (Politiker?) oder einfach keine Perspektive (auch Politiker).

    Etwas, das ich nicht sage oder in begründetem Vertrauen weitergebe, das bleibt definitiv geheim und das hat nichts damit zu tun, dass Toleranz und Pluralität müssen ohnehin wachsen müssen. Das Brechen von Geheimnissen ist eine Form von Gewalt – die dem Staat nur unter bestimmten und genau definierten Bedingungen zusteht. Das Menschen falsch handeln ist keine Rechtfertigung für falsches Handeln.

    – Das Handeln der Geheimdienste entspricht nur bedingt oder gar nicht dem Handeln der Menschen.

    a) kennt man das Sprichwort vom Lauscher an der Wand, der seine eigene Schande hört und drückt damit aus, dass Schnüffelei nicht in Ordnung ist.

    b) sind Geheimdienste von Menschen geschaffene Institutionen, die menschlicher Kontrolle unterliegen. Hier ist keinesfalls „menschliches“ Verhalten erlaubt. Es ist sich besonders streng an Gesetze zu halten. Behörden haben zu dienen.

    – Wenn Merkel über Spionage jammert, dann sehe ich durchaus einen Grund empört zu sein und selbst „zu jammern“. Mehr noch, ich ziehe meine Konsequenzen. Leider ist dazu nicht jeder technisch in der Lage.

    – Was ich von Geheimdiensten verlange und was die von den überwachten Menschen verlangen, das unterscheidet sich fundamental. Wenn ich Geheimdienste derart ausspionieren würde oder auch nur eines ihrer Geheimnisse verrate, dann werde ich weltweit gehetzt und kann mein Leben vergessen. Deine Aussage ist klar unrichtig. Für diesen Skandal habe ich keinerlei Verständnis.

    – Behörden sind keinesfalls zu Missbrauch und Gesetzesverstoß berechtigt. Das untergräbt jeden Rechtsstaat.

    Zuletzt, ich bitte wirklich um Nachsicht und um Objektivität:

    Wenn die post privacy Idee so begründet wird, dann ist das nicht nur ein Zeichen von Ohnmacht. Es ist vielmehr ein (ungewollter) Terror der Transparenz, der Aufruf sich nackt gegenüber den Gewalten und eine Obrigkeit zu machen und die Idee der einer undemokratischen Technokratie.

    Undemokratisch, weil das Wissensgefälle zwischen Staat und Bürger unberechenbare Macht der Regierung über Bürger bedeutet. Der Artikel Art. 20. (2) des Grundgesetzes ist damit unwirksam.

    Denn Wahlen sind ohne möglichst objektive Information über die potentielle Regierung sinnlos. Schließlich würfeln wir den Bundeskanzler nicht aus. Da steht nicht, man müsse Regierungen vertrauen. Regierungen und nicht der Bürger sind in der Rechtfertigungspflicht. Regierungen sind also zur Transparenz verpflichtet.

    Und für die post privacy Befürworter: es gibt genügend sinnvolle oder diskussionswürdige Gründe für post privacy. Jedoch gehören weder Ohnmacht, man könne nichts tun noch eine Diktatur der Transparenz dazu.

    Comment by Joachim — 13.11, 2013 @ 13:18

  22. „Wieso sollte die Macht der Geheimdienste schwinden, wenn jeder ihnen freiwillig alles auf dem Silbertablett liefert? “ [Stadler Post]

    Man sollte nicht vergessen, dass es Fromen von Geheimnissen gibt, die _absolut_ notwending sind und ohne diese würde die Welt von heute nicht _möglich_ wäre. Diese Formen sind unter anderem Passwörter, physikalische Schlüssel, Bitcoins etc..
    All diese Sachen funktionieren ohne Geheimnisse nicht. Diese Geheimnisse dienen nicht nur dazu etwas zu verstecken. Sie werden auch verwendet um sich zu Schützen (Verschlüssselung von Internetverkehr um Fälschungen zu verhindern).
    Sie werden aber auch zur Identifkation verwendet und die ohne Gehemnisse nicht möglich wäre.

    Wie will man seinen Account im Internet schützen, wenn man keine Art von Passwort verwenden kann?
    Auf das beste hoffen?

    Wie will man Passwörter schützen, wenn man keine Gehemnisse hat? Wenn der Gehemndienst alles weiss,
    dann kennt er auch deine Passwörter, sonst könntest du einige Geheimnisse dort verstecken, wo deine Passwörter sind, und wir wären am Anfangspunkt.

    Comment by Martins — 13.11, 2013 @ 22:39

  23. Das mit den Geheimnissen sehe ich philosophisch, nicht technisch.

    Praktisch wird der Mensch gegenüber den Mächtigen immer gläserner. Da nutzen keine Gesetze, keine Verschlüsselungen, keine Tors etc.

    Auf Geheimnisse verzichten, d.h. einen Schritt nach vorn begehen, schwächt den Geheimnisgebrauch.

    Ich erinnere nur das das Schwulsein. Früher konnte man damit erpressen. Man musste verheimlichen, schwul zu sein.

    Ähnlich geächtet wurden uneheliche Kinder, außereheliche Beziehungen.

    Es lohnt sich zu überlegen, wo die Welt und wie sich hinentwickeln würde, wenn maximal viel Geheimes preisgegeben werden würde: privat, geschäftlich,. Politisch etc.

    Hätte Wulff nicht versucht einiges zu verheimlichen bzw. zu verteidigen, so wäre er wahrscheinlich noch Präsident geblieben. Es hätte mit der Erpressung weniger geklappt. Wir beobachten das auch bei Höneß.

    Comment by Rolf Schälike — 14.11, 2013 @ 00:27

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