Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.9.13

Was liefert der deutsche Verfassungsschutz an die NSA?

Die Süddeutsche titelte in ihrer Wochenendausgabe  „Verfassungsschutz beliefert NSA„. Die grundsätzliche Nachricht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen an US-Dienste weiterleitet, ist wenig sensationell und sicherlich nichts, wofür man eine Snowden-Enthüllung gebraucht hätte.

Denn die Übermittlung personenbezogener Daten auch an ausländische Stellen ist gesetzlich vorgesehen. Absatz 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) lautet wie folgt:

Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf personenbezogene Daten an ausländische öffentliche Stellen sowie an über- und zwischenstaatliche Stellen übermitteln, wenn die Übermittlung zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Wahrung erheblicher Sicherheitsinteressen des Empfängers erforderlich ist. Die Übermittlung unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland oder überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Die Übermittlung ist aktenkundig zu machen. Der Empfänger ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürfen, zu dem sie ihm übermittelt wurden, und das Bundesamt für Verfassungsschutz sich vorbehält, um Auskunft über die vorgenommene Verwendung der Daten zu bitten.

Die spannende Frage ist insoweit eher, welche konkreten Daten der Verfassungsschutz liefert und ob er sich an den gesetzlichen Rahmen hält, insbesondere überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen beachtet. Nachdem mittlerweile offenkundig ist, dass die parlamentarische Kontrolle der Dienste nicht ansatzweise funktioniert, kann allerdings niemand diese Frage zuverlässig beantworten. Und selbst die besser kontrollierten Polizeibehörden fallen immer wieder durch rechtswidrige Maßnahmen auf. Ein Vertrauen auf überwiegend rechtmäßiges Behördenverhalten wäre deshalb wohl eher naiv.

Wenn es allerdings stimmt, dass das BfV für eine Nutzung des Programms XKeyscore im Regelbetrieb die Verpflichtung eingegangen ist, im Gegenzug alle seine Erkenntnisse mit der NSA zu teilen, so wäre zumindest das klar rechtswidrig. In diesem Punkt ist also kaum zu erwarten, dass das Amt den Zeitungsbericht bestätigen wird.

Der Präsident des Berliner Verfassungsschutzes Bernd Palenda hat auf einer Podiumsdiskussion der taz am vergangenen Samstag auf die Frage, welche Daten der Verfassungsschutz an die NSA liefert, ausweichend geantwortet. Er betonte, seine Behörde würde selbst nichts an die NSA liefern, sondern nur an das Bundesamt. Ob das BfV Daten an die NSA weiterleitet, wisse er nicht konkret. Gleichzeitig verwies er allerdings auf die bestehenden gesetzlichen Übermittlungsvorschriften.

posted by Stadler at 15:59  

5 Comments

  1. Aber wir können beruhigt sein: Versicherte doch bereits am Freitag der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, dass alles nach Recht und Gesetz abläuft. Auch würden die parlamentarischen Gremien „umfangreich informiert“.
    Er sagte nicht „vollständig informiert“! Also die übliche Vorgehensweise: Mit belanglosem Material zukippen, damit niemand merkt, dass das Wesentliche fehlt und sich eine Hintertür offen halten.

    Comment by Michael — 16.09, 2013 @ 17:24

  2. Dieses ständige nicht wissen wollen ist mehr als unerträglich. Für mich als Rechtslaien stellt sich eigentlich nur noch die Frage, warum wir a) nicht sofort sämtliche Geheimdienste und geheimdienstähnliche Strukturen auflösen/abschaffen und b) warum die Bundesanwaltschaft nicht wegen Landesverrats in mehreren Fällen durch Regierung und Behörden tätig wird.

    Die Antwort ist natürlich genauso schnell zu geben, aber ich finde diesen Zustand wenig befriedigend. Wann haben wir eigentlich die Kontrolle über unser Land abgegeben? (Die gleiche Frage sollte sich auch Bürgern in nahezu allen anderen Ländern stellen, denn dort sieht es ja nicht besser aus.) Es ist erschreckend, wie nah die Realität an Dystopien vergangener Tage herangekommen ist oder diese bereits „überflügelt“ hat.

    Comment by Drizzt — 16.09, 2013 @ 20:32

  3. Warum wäre es klar rechtswidrig, wenn das Bundeamt alle seine Erkenntnisse an die NSA übermittelt? Weil vor der Übermmittlung keine Prüfung der Verbotstatbestände erfolgt (weiß man das?), oder weil die Norm nur Übermittlungen im Einzelfall erlaubt (woraus ergibt sich das?)? Für einige klärende Worte wäre ich dankbar.

    Comment by Volker — 16.09, 2013 @ 23:00

  4. @Volker: Wenn man ausnahmslos alles übermittelt, dann kann man die durchaus erheblichen gesetzlichen Einschränkungen nicht mehr beachten.

    Comment by Stadler — 17.09, 2013 @ 08:32

  5. Ihr habt noch nicht begriffen, daß sich sowohl deutsche, als auch ausländische Geheimdienste jeder Kontrolle entzogen haben. Sie machen ihr eigenes Ding. Wenn was hochkocht, wird es durch die Politik nur deshalb alles kleingeredet, weil sie in der Tat, TATSÄCHLICH, gar keine Ahnung hat, was abläuft. Die Geheimdienste kontrollieren die Politik und die Politiker. Diese sind mittlerweile erpressbar.

    Die Geheimdienste sind aus dem Ruder gelaufen, sie sind abzuschaffen und ggf. neu aufzubauen.

    Hier nutzt kein Arzt, der am Tumor schnibbelt, das Geschwulst muß vollständig entfernt werden, dann Chemo, danach Bestrahlung, später Rea, wenn überhaupt.

    Comment by Marlies — 19.09, 2013 @ 19:31

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