Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

4.6.13

Künstler Jonathan Meese: Strafbefehl wegen Hitlergruß

Wie mehrere Medien berichten, hat der Künstler Jonathan Meese einen Strafbefehl wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) erhalten, weil er in einem öffentlichen Gespräch in Kassel zum Thema „Größenwahn in der Kunst“ die „Diktatur der Kunst“ gefordert und den Arm zum Hitlergruß gehoben hat.

Meese hatte den Hitlergruß bereits mehrfach öffentlich zum Zwecke der Provokation eingesetzt. Die ZEIT hat sich bereits 2007 kritisch u.a. mit diesem Aspekt auseinandergesetzt. Meese bezieht sich damit offenbar auch auf eines seiner künsterischen Vorbilder Anselm Kiefer, der den Hitlergruß ebenfalls in einem künsterischen Kontext einsetzte.

Bislang haben sich die Staatsanwaltschaften dafür offenbar nicht interessiert, anders nunmehr die Staatsanwaltschaft Kassel. Das Zeigen des Hitlergrußes ist grundsätzlich nach § 86a StGB strafbar, was auch durch die Rechtsprechung des BVerfG bestätigt wurde. Es gibt allerdings eine sog. Sozialadäquanzklausel, die besagt, dass der Tatbestand dann nicht erfüllt ist, wenn die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Kunst oder anderen priviligierten Zwecken dient.

Die Rechtsprechung macht auch dann eine Ausnahme, wenn die konkrete Verwendung dem Schutzzweck des Gesetzes erkennbar nicht zuwiderläuft. Das ist der Fall, wenn das Kennzeichen gerade zum Zweck einer Kritik an der verbotenen Organisation eingesetzt wird oder der Kontext der Verwendung ergibt, dass eine Wirkung auf Dritte in einer dem Symbolgehalt des Kennzeichens entsprechenden Richtung ausscheidet. Das kommt insbesondere bei erkennbar verzerrter, parodistischer oder karikaturhafter Benutzung in Betracht.

Sollte Meese den Strafbefehl nicht akzeptieren, werden die Gerichte zu klären haben, ob Meese den Hitlergruß in künstlerischer oder karikaturhafter Weise eingesetzt hat. Die Absicht der Provokation alleine wird dafür allerdings nicht ausreichend sein. Der Fall erscheint mir juristisch nicht so ganz eindeutig.

posted by Stadler at 10:39  

5 Comments

  1. was wollen wir denn wetten, dass der den strafbefehl nicht akzeptiert … ist doch alles publicity für den, durch einen Prozess vervielfacht … deswegen hat der das doch gemacht!

    Comment by Tim — 4.06, 2013 @ 11:25

  2. Hi,

    könnte es sein, daß Künstler Meese als Künstler (nicht nur von sich selbst) überschätzt wird und daß er als Künstler auch andere karikierend-persiflierende Möglichkeiten hätte (ob mit oder ohne H-Gruß), z.B die Erinnerung an die historische Verballhornung durch die antifaschistische Eiserne Front 1931/31 – HEILT HITLER … oder ist das inzwischen zu viel erwartet, daß sich ein Künstler mit Geschichte beschäftigt?

    Comment by Mike — 4.06, 2013 @ 11:53

  3. Ich empfehle zu diesem Thema das Video

    „Der WahrheitsvermHITLER“ (auf Youtube zu finden).

    Juristisch betrachtet ist der Sachverhalt eindeutig: Ein Mann, der unser System der Individualunterdrückung kritisiert, ist dem Staat natürlich zu gefährlich. Infolgedessen bemühen Staatsvertreter nach eigenem Gutdünken sogar Rechtsklauseln, die nur bei extrem unreflektierter Subsumption und schwarzlöchrigweiter Auslegung greifen. Diese Sachverhaltsbearbeitung durch die Justiz ist nicht nur eine Verschwendung von Steuergeldern, sondern auch zum Schreien dumm.

    Comment by Christoph Kayser — 4.06, 2013 @ 20:26

  4. Wie ich Herrn Meese kenne, wird er den Gerichtssaal genüßlich als Bühne nutzen, denn er wird selbstverständlich dem Strafbefehl widersprechen oder hat es bereits.

    In diesem Land darf man 680 Millionen Euro Steuergelder für Drohnen versenken, aber nicht seinen rechten Arm heben, wenn er schmerzt. Pfui!

    Comment by Wolle — 5.06, 2013 @ 17:53

  5. Lol! Im Spiegel print wieder abgebildet mit dem „deutschen Ex-Gruß“.

    Das kann ja (h)eiter werden.

    Die „Verhandlung“ schaue ich mir an. Das wird ein echtes Vergnügen! Danach ein gutes Weizenbier.

    Comment by Schindler — 7.06, 2013 @ 17:32

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