Warnung vor eBay-Verkäufer im Rahmen einer Bewertung unzulässig?
Das Amtsgericht Bonn hat mit Urteil vom 09.01.2013 (Az.: 113 C 28/12) entschieden, dass die Aussage
„Vorsicht!!!! beide Steuergeräte defekt. Vorsicht lieber woanders kaufen!!!!!!“
im Rahmen einer Bewertung auf eBay unzulässig sei, obwohl der Käufer offenbar tatsächlich defekte Ware geliefert hatte.
Dieses Urteil zeigt einmal mehr, wie wenig sich die Instanzgerichte in äußerungsrechtlichen Streitigkeiten an der ständigen Rechtsprechung des BVerfG und des BGH orientieren.
Das Gericht erörtert die Frage, ob es sich bei der ausgesprochenen Warnung um eine in den Schutzbereich des Art. 5 GG fallende Meinungsäußerung handelt, mit der Folge, dass eine Abwägung vorzunehmen wäre, überhaupt nicht. Auch der Umstand, dass sich ein Unternehmer nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich auch eine scharfe und polemische Kritik an seiner gewerblichen Leistung gefallen lassen muss, bleibt unerörtert.
Die ausgesprochene Warnung beruht auf einer Wertung, die m.E. unzweifelhaft in den Schutzbereich des Art. 5 GG fällt.
Wenn jemand aber tatsächlich mangelhafte Ware liefert, dann wird er sich auch die auf einer Wertung beruhende Empfehlung eines Käufers gefallen lassen müssen, dort nicht zu kaufen. Schließlich ist nach der Rechtsprechung selbst ein Boykottaufruf nicht ohne weiteres unzulässig, sondern kann von der Meinungsfreiheit gedeckt sein.
Das Urteil des AG Bonn ist also weder im Ergebnis noch in der Begründung überzeugend.
Dann wäre die Frage, ob man solch eine Aussage nicht einfach anders formulieren müsste:
„Habe zwei defekte Steuergeräte erhalten. Ich kaufe jetzt woanders“
Oder:
„Beide Steuergeräte waren defekt. Habe woanders funktionierende erhalten“
Das hätte im Grund zwar die gleiche Aussage, der Boykottaufruf liegt zwischen den Zeilen. Zwei defekte Steuergeräte erhalten zu haben lässt sich sicher beweisen und wäre keine falsche Aussage.
Andererseits steht ja auch ein Verkäufer in der Pflicht, bei defekter Ware einen Ersatz zu leisten. Die Reklamation über einen Defekt ist nicht erfolgt. Für diese Fälle bietet ebay ja einen Klärungsfall an, was wohl in diesem Fall nicht genutzt wurde.
Insofern hatte der Verkäufer keine Möglichkeit, seinen Vertrag durch eine Ersatzlieferung korrekt zu erfüllen.
Nun bleibt die Frage offen: wäre obige Aussage dann korrekt, wenn dem Verkäufer eine Möglichkeit auf Ersatz eingeräumt wurde und dieser keinen funktionierenden Ersatz hätte liefern können oder wollen.
Comment by dokape — 20.02, 2013 @ 14:55
Ich schüttel nur den Kopf über was und wie Gerichte entscheiden.
Gibt es nur noch Lebensferne Entscheidungen von dummen Gerichten?
Comment by Troll — 20.02, 2013 @ 17:13
Man fragt sich, wie solche Richter jemals auch nur die Anfängerübung im Staatsrecht bestanden haben.
So viel zu § 9 DRiG: „n das Richterverhältnis darf nur berufen werden, wer … die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt.“
Comment by kmhgw — 20.02, 2013 @ 17:30
Tatsache ist, dass es Richter gibt, die in der mündlichen Verhandlung fragen: „Wie funktioniert das denn da? Ich kenne mich mit dem Internet ja nicht so aus.“ …
Comment by Chris — 21.02, 2013 @ 09:51
@Chris: Was ja nicht weiter schlimm ist. Ein normal intelligenter Mensch sollte den Sachverhalt dann erklären können, und ein normal denkender Mensch sollte mit der Erklärung dann etwas anfangen können. Bzw. in dem Fall mit den beiden Erklärungen der Parteien, die vermutlich teilweise übereinstimmen und teilweise voneinander abweichen.
Comment by Jens — 21.02, 2013 @ 11:44
Hab letztens gelesen das ein großer Prozentanteil der Urteile bei Amtsgericht handwerkliche Fehler beinhalten soll (Rechtswissenschaftler). Wird es nicht mal langsam Zeit, von politischer Seite eine entsprechende Reform einzuleiten?
Comment by Burger — 28.02, 2013 @ 11:28
Hm, die Situation war ja wohl so: Der Käufer hat den Verkäufer NICHT über den vermeintlichen Defekt informiert.
Der Verkäufer konnte also gar nicht nachbessern oder austauschen.
Letzten Endes kann es sich sogar um einen Bedienungsfehler des Käufers gehandelt haben.
Die Situation ist hier einfach unklar.
Unter diesen Umständen ist zumindest der Appell, woanders zu kaufen, sehr fragwürdig.
Der Verkäufer war ein sogenannter „Powerseller“ mit 4000 Aktionen pro Jaht. kaum vorstellbar, dass der systematisch betrügen sollte.
Bedenken muss man bei solchen Bewertungen ja auch, dass sie nicht nur von gebildeten, intelligenten Zeitgenossen gelesen werden, die die Bewertung einordnen können, sondern auch von Leuten, die solche Texte für bare Münze nehmen.
Also, ich denke: Das Urteil ist im Ergebnis richtig.
Leo
Comment by Leo — 28.02, 2013 @ 13:35
Hm,
es heißt: „obwohl der Käufer offenbar tatsächlich defekte Ware geliefert hatte“.
Es ist zwar wohl jedem klar, dass wohl der Verkäufer gemeint ist, aber korrigiert gehört es trotzdem, oder nicht ?
Das „Hm“ kommt daher, dass keiner der Kommentatoren auf diesen Fehler eingeht, sondern ihn als „Gott gegeben, wir schon jeder verstehen“ hinnimmt.
Ist zwar alles Offtopic, aber trotzdem nicht unwichtig.
Zum Topic: sorry, aber wir sind hier schon bei Dingen wie „Abmahnanwälte“. Wenn ich heute bei Tante Emma einen Regenschirm aufmache und ihn kaufen möchte weil er mir gefällt, Tante Emma mir dann einen Regenschirm frisch verpackt (also nicht den getesteten) gibt und der ist defekt, dann gehe ich zu Tante Emma und tausche ihn um, und Tante Emma wird das gerne tun.
Wenn wie in diese Fall jemand ein Paket von jemand bekommt dessen Inhalt defekt ist und dann sagt „Männer sind alles Schweine“ bevor er prüft ob das Paket nicht von einer „Sau“ kam und den Irrtum korrigieren lässt, dann ist es einfach nicht richtig, wenn er sagen darf: „die Männer sind alle nur Schweine“. Wofür haben wir denn die ganzen Gesetze für Umtausch und Rückgabe ? Ist der „Mann“ nicht bereit für seinen Irrtum gerade zu stehen ist das wieder was anderes. Aber jemand einen Fehler ohne Korrekturmöglichkeit diffamierend anzukreiden kann es ja wohl auch nicht sein.
Immer auch mal an der eigenen Nase ziehen, dann entscheiden „Hand ab“ oder nicht.
Einer der ganz zufällig über das Thema gestolpert ist und noch Senf übrig hatte. Sorry.
Comment by MyHugole — 28.02, 2013 @ 22:30
Mir ging es schon selbst so, daß ich über eBay Ware gekauft habe die trotz vorheriger Nachfrage per Mail dann *nicht* die in der Mailantwort zugesagten, für die Kaufentscheidung wesentlichen, Eigenschaften erfüllte. Da es sich um einen Fall von verhältnismäßig niedrigem wirtschaftlichem Schaden handelte habe ich einfach *keine* Bewertung abgegeben, obwohl ich über die Reklamationsmeldung von eBay die Falschlieferung angemeldet hatte. Dort bestell‘ ich einfach nicht mehr. Und meine Lust über eBay & Co. etwas zu ordern tendiert sowieso gegen Null. Vor Ort kann ich einem Händler einfach leichter auf die Füße steigen … Zum Urteil: Als so daneben – wie hier einige schreiben – betrachte ich das Urteil nun doch nicht. Solange keine Nachbesserung eingefordert wurde *und* der Händler in der Nachbesserung *nicht* versagt hat sollte man die Kirche doch lieber im Dorf lassen, oder? (Kant läßt grüßen, oder habe ich da was falsch verstanden?)
Comment by Joachim — 28.02, 2013 @ 23:21
Sehr geehrter Herr Stadler,
ist das Urteil rechtskräftig ?
Comment by Harald — 27.03, 2013 @ 10:06