Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.6.12

Landgericht Berlin: Filmen verboten

Was falsche BGH-Entscheidungen anrichten, wenn sie dann auch noch von Instanzgerichten exzessiv ausgelegt werden, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Berlin (Urteil vom 10.05.2012, Az.: 16 O 199/11), durch die das Filmen in Berliner U-Bahnhöfen untersagt wird,  mit der Begründung, dass dadurch das Eigentumsrecht der Berliner Verkehrsbetriebe verletzt würde.

Selbst wenn man in derartigen Fällen eine Eigentumsverletzung in Betracht zieht, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der Filmende im öffentlichen Raum bewegt und sich zudem auf das Grundrecht aus Art. 5 GG – hier: Kunst- und Meinungsfreiheit – berufen kann. Die Güterabwägung, die das Landgericht insoweit vornimmt, beschränkt sich auf die Aussage, dass sich die Kunstfreiheit von vornherein nicht auf die eigenmächtige Beeinträchtigung fremden Eigentums erstrecken würde.

Die Entscheidung des BVerfG auf die sich das Landgericht Berlin bezieht, betrifft einen Fall, in dem eine unmittelbare Substanzbeeinträchtigung in Form einer Sachbeschädigung gegeben war.

Das dürfte auf Fälle, in denen eine Substanzbeeinträchtigung nicht stattfindet, weil beispielsweise nur in einem öffentlich frei zugänglichen Bereich gefilmt wird, kaum übertragbar sein. Hinzu kommt, dass die Berliner Verkehrsbetiebe ein öffentlich-rechtliches Unternehmen sind, das selbst der Grundrechtsbindung unterliegt. Es erscheint mir deshalb eher naheliegend, wertungsmäßig auf eine Abwägung zurückzugreifen, wie sie das BVerfG in der Fraport-Entscheidung vorgenommen hat. Dort wurde der Versammmlungsfreiheit nämlich auch Vorrang vor dem Haus- und Eigentumsrecht der Flughafengesellschaft eingeräumt. Ebenso wenig, wie der Frankfurter Flughafen ein generelles Hausverbot gegenüber Demonstranten aussprechen darf, kann es einem Unternehmen des öffentlichen Rechts gestattet sein, ein Verbot der Anfertigung von Filmaufnahmen in einem öffentlich zugänglichen Bereich ohne weiteres auf das Hausrecht bzw. das Eigentumsrechts zu stützen.

Die Auslegung des Landgerichts Berlin – wie auch die des BGH – wird der der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 5 GG nicht ansatzweise gerecht. Die Entscheidung des Landgerichts führt zu Ende gedacht letztlich dazu, dass weder Rundfunk noch Presse im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs überhaupt noch Film- oder Fotoaufnahmen anfertigen dürfen, weil das Eigentums- und Hausrecht der Verkehrsbetriebe dem generell im Wege stehen würde.

Diese Rechtsprechung schreit förmlich nach einer Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht.

posted by Stadler at 17:18  

8 Comments

  1. Die BVG pocht auf ein Hausrecht, das das Fotografierverbot noch nicht einmal in der Hausordnung verankert hat. Das Urheberrecht verschafft Christo Urheberrechte für den verhüllten Reichstag, in Sanssouci gilt mal wieder das Hausrecht, beim ICE 3 ist das Fotografieren wegen Geschmacksmuster des Zuges verboten und Streetview hat Probleme mit dem Persönlichkeitsrecht der Häuser, die möglicherweise seelische Störungen durch Aufnahmen aus falschem Blickwinkel erleiden könnten.

    Nicht vergessen wollen wir Prinzessin Carolin von und zum Prügelprinzen, die es nicht dulden muss, falls man sie in einer Kneipe bei einem Gespräch aufnimmt, da das Gespräch angeblich privat und nicht geschäftlich gewesen sei.

    Früher, als man in der BRD (also ohne Eingemeindung der SED und MfS) den Bürgern Demokratie noch glaubwürdig vorspielte, da gab es auch eine Abwägung zwischen den Grundrechten und keine obrigkeitshörige Gerichtsbarkeit, die willfährig jedem Mitglied der herrschenden Klasse die gewünschten Urteile spendierte.

    Heute hat der Privatmann, wie auch der Journalist, praktisch immer die Arschkarte gezogen, falls er sich nicht mit seinesgleichen, sondern mit dem Staat und seinen Organen anlegt. Die alten SED-Schergen und Stasis sind mittlerweile beim Kammergericht als Richter gelandet und treiben dort ihr böses Spiel.

    Wer obsiegen will, der sollte zuerst das richtige Parteibuch beschaffen und dann die entsprechenden Seilschaften kennenlernen – das hilft in Berlin und Brandenburg ungemein.

    Comment by Niedermeyer — 13.06, 2012 @ 17:37

  2. Das Problem ist hier (wieder einmal) die unsägliche Verquickung, wohl aus Gründen des allumfassenden Rundumschlags, der Pressefreiheit, welche gemäß Art. 5 Abs. 2 GG den dort niedergelegten Schranken unterfällt, und der absolut, also gegen jedweden Eingriff in den Werk- und Wirkbereich geschützten Kunstfreiheitsgarantie. So schaffen es Anwälte immer wieder, die Gerichte zu animieren, der Kunstfreiheit alberne Schranken anzudichten, denen sie gar nicht unterliegt. Mephisto und Anachronistischer Zug? Interessieren die »unabhängigen« Richter nicht. Aber es gibt ja noch die Verfassungsbeschwerde und Präsidialrat Hiegert wird sich über eine erneute unzulässige Ablehnung und irgendein Anwalt über mind. 7.000 Euro für eine wertlose Verfassungsbeschwerde freuen.

    Wann lernen die Künstler und ihre Anwälte eigentlich, dass die Kunstfreiheit – als Antwort auf den Umgang mit »entarteter Kunst« unter dem NS-Regime – abschließend im Grundgesetz geregelt, frei ist, sondern nicht das Leben und die Gesundheit von Personen gefährdet ist?

    Comment by I. Wengel — 13.06, 2012 @ 18:07

  3. Sorry, gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG beträgt der Gegenstandswert mind. 4.000 Euro, wonach die reinen Erstellungskosten bei ca. 850 € liegen dürften.

    Comment by I. Wengel — 13.06, 2012 @ 18:14

  4. Die Zeit wird kommen, dass die Rechte des Einzelnen derart beschnitten werden, die Angst wird ja jetzt schon immer größer, das sämtliche kritischen Inhalte(nicht nur im Netz)per se kriminalisiert sind.

    Comment by Publicviewer — 13.06, 2012 @ 23:35

  5. Manche Advokaten können einem wirklich Leid tun. Jeden Tag mit diesem Wahnsinn konfrontiert zu sein, ist unmenschlich.

    Comment by Besucher — 14.06, 2012 @ 00:34

  6. Man sollte sich vll schon mal fragen, warum sie vorrauseilend, das filmen in U-Bahnen verbieten wollen !?
    Was soll in Zukunft verboten sein, zu filmen ?
    Abtransporte ins Gefangenenlager ?
    Wer weis was auf uns zukommt ?

    Noch können wir handeln, dazu brauchen wir ein Konzept und ergänzende Ideen untereinander, nicht Revalität !

    Das Lager wird für uns alle das Selbe sein, mit den gleichen Qualen !

    Comment by Sundance — 14.06, 2012 @ 06:22

  7. „Die Entscheidung des Landgerichts führt zu Ende gedacht letztlich dazu, dass weder Rundfunk noch Presse im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs überhaupt noch Film- oder Fotoaufnahmen anfertigen dürfen, weil das Eigentums- und Hausrecht der Verkehrsbetriebe dem generell im Wege stehen würde.“

    Bei Ihnen heißt „konsequent weiterdenken“ offenbar: alle Begründungen und Einschränkungen aus der Entscheidung hinwegzudenken (d.h. hier insbesondere die auf S. 11f. des Umdrucks zu findende Argumentation der Gerichts, die auf die Strafbarkeit des gezeigten Verhaltens abstellt).

    Das hat mit seriöser Juristerei nichts zu tun und dient nur zur Manipulation der rechtsunkundigen Leserschaft, die dann wieder was von „Schandurteil“ schwafelt.

    Comment by Gast — 16.06, 2012 @ 23:23

  8. Die meisten der in dem beanstandeten Szenen snd nicht in öffentlich zugänglichen Bereichen, sondern in Tunneln, Abtellanlagen und Betriebswerkstätten aufgenommen worden. Gezeigt werden zahlreiche Sachbeschädigungen am Eigentum der Berliner Verkehrs-Betriebe. Somit liegt der Ausgangsbeitrag wohl falsch.

    Comment by Anonymous — 18.06, 2012 @ 21:42

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