Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

4.7.11

Internet-Enquete hat Zwischenbericht zum Urheberrecht beschlossen

Wer den Live-Stream zur absatzweisen Abstimmung der Berichtstexte der Projektgruppe Urheberrecht der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft verfolgt hat, dürfte selbst dann Probleme gehabt haben, der Abstimmung zu folgen, wenn er den Text vor sich liegen hatte. Von den Aspekten die ich behalten konnte, sind zwei abgelehnte Textpassagen besonders erwähnenswert.

Die m.E. progressiv und zukunftsorientiert formulierten Handlungsempfehlungen (Zeile: 655)

Die Enquête-Kommission empfiehlt daher, bei der Ausgestaltung des Urheberrechts den Interessenausgleich zwischen Urhebern, Nutzern und Verwertern als Zielformulierung in den Mittelpunkt zu stellen Sie empfiehlt zu prüfen, ob und wie, den Urheberinnen und Urhebern ein Recht auf wirtschaftliche Beteiligung unabhängig von den Urheberpersönlichkeitsrechten einzuräumen und eine Entkoppelung von Urheberpersönlichkeits- und Verwertungsrechten zu ermöglichen ist. Sie regt an, zu prüfen, welche Spielräume die Vorgaben der internationalen Verträge im Urheberrecht bieten.

und (Zeile 778)

Die Enquête-Kommission empfiehlt daher, von repressiven Rechtsdurchsetzungsmethoden abzusehen. Sie empfiehlt dem Deutschen Bundestag, die Anwendbarkeit von Pauschalvergütungen für verschiedene Fälle der nichtkommerziellen Internetnutzung zu prüfen, bzw. die Regelungen zur Privatkopie auch für Downloads anzuwenden.

haben keine Mehrheit gefunden und wurden abgelehnt. Das bedeutet, dass man mehrheitlich weiterhin auf das tradierte Urheberrechtsmodell setzen will und selbst diese Enquete-Kommission nicht bereit ist, insoweit auf die grundlegend veränderten Rahmenbedingungen zu reagieren.

Die Urheberrechtsgesetzgebung wird damit wie gehabt ermutigt, das bestehende Modell mit immer stärkeren Schutzmechanismen zugunsten der Rechteinhaber zu verteidigen.

Update:
In der offiziellen Pressemitteilung liest sich das dann so.

posted by Stadler at 12:13  

4.7.11

Vodafone müsste für Vorratsdatenspeicherung Überwachungsinfrastruktur aufbauen

Das ZDF-Hyperland berichtet über einen interessanten Aspekt der von der Union geforderten Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung.

Telefongesellschaften wie Vodafone müssten hierfür nämlich eine aufwendige und neue Überwachungsinfrastruktur errichten, um beispielsweise die Verbindungsdaten der Internettelefonie erfassen und speichern zu können. Das ist bislang, zumindest von politischer Seite, immer anders dargestellt worden.

Wenn man andererseits Web-Mail-Dienste und Voice-Over-IP-Dienste von einer Speicherverpflichtung ausimmnt, was offenbar im Gespräch ist, dann kann und sollte man auf eine Vorratsdatenspeicherung lieber gänzlich verzichten.

posted by Stadler at 10:40  

2.7.11

Die Arbeit der Internet-Enquete

Der Online Talk bei Deutschlandradio Wissen hatte heute die Arbeit der Enquete Kommission Internet und digitale Gesellschaft zum Thema. Zu Gast waren die Enquete-Mitglieder Konstantin von Notz (Die Grünen), Jimmy Schulz (FDP), Alvar Freude und der Journalist Daniel Bouhs.

Das Gespräch war interessant zu verfolgen, wenngleich die Aussagen in Bezug auf die inhaltlichen Themen relativ stark an der Oberfläche blieben.

Alvar Freude, der als Sachverständiger der Enquete angehört, bemängelte außerdem, dass das Abstimmungsverhalten in der Kommission zu stark parteipolitisch geprägt sei. Auf Twitter war Freude hierzu vor einigen Tagen noch deutlicher und schrieb:

Schade, dass @padeluun sich der Fraktionsdisziplin beugt und mit CDU/CSU und FDP nicht gegen Netzsperren gestimmt hat. Der Zwischenbericht, den die Enquete vorlegen sollte, ist weitgehend noch nicht abgestimmt.

Hintergrund von Alvar Freudes Unmut war eine Passage aus dem Bericht der Projektgruppe Medienkompetenz, wo auf S.72 ein Ergänzungsantrag der SPD zum Jugendmedienschutz formuliert war, der u.a. auch die Forderung enthielt, im Kontext des Jugendmedienschutzes auf das Instrument der Netzsperren zu verzichten. Die Aufnahme dieses Ergänzungstexts wurde mit den Stimmen von Union und FDP abgelehnt, wobei sich Padeluun der Stimme enthalten hat. Ein Abstimmungsverhalten, das sich aus bürgerrechtlicher Sicht schwer nachvollziehen lässt.

Der angekündigte Zwischenbericht ist bislang noch unvollständig, weil neben der Medienkompetenz noch die Handlungsempfehlungen zu den Themen Urheberrecht, Netzneutralität und Datenschutz fehlen, die in der nächsten Sitzung am 04.07.2011 beschlossen werden sollen.

Die öffentlich am häufigsten genannte Handlungsempfehlung im Bereich der Medienkompetenz ist die Forderung, jeden Schüler der Sekundarstufen I und II (also ab der 5. Klasse) mit einem Notebook auszustatten. Eine Forderung die allenfalls dann sinnvoll erscheint, wenn sichergestellt werden kann, dass das Notebook regelmäßig als Werkzeug im Rahmen des Unterrichts eingesetzt wird, was wiederum auch entsprechend geschulte Lehrer voraussetzt, bzw. eine Veränderung der didaktischen Konzepte verlangt. Nachdem zu meiner Schulzeit bereits der anzuschaffende Taschenrechner von den Schülern bzw. Eltern selbst bezahlt werden musste, dürfte außerdem wenig Hoffnung darauf bestehen, dass die zuständigen Länder die entsprechenden Haushaltsmittel zur Verfügung stellen werden.

Die Handlungsempfehlungen im Bereich der Medienkompetenz empfinde ich weitgehend als ernüchternd.

Auf die Fixierung von Empfehlungen wie

Die Enquete-Kommission regt daher an, dass die Bundesregierung zu regelmäßigen Diskussionsrunden – gegebenenfalls mit der in Gründung befindlichen Stiftung Datenschutz – einlädt und thematische Schwerpunkte für solche medialen und viralen Kampagnen in einem mindestens sechsmonatigen Turnus erörtert

hätte man außerdem besser verzichtet. Für derartige Allgemeinplätze brauchen wir keine Enquete-Kommission.

posted by Stadler at 21:58  

1.7.11

Die Rückkehr der Jedi-Ritter

Der gesamte YouTube-Kanal von Greenpeace wurde kurzfristig gelöscht und das YouTube-Konto der Umweltschutzorganisation gekündigt. Hintergrund ist, dass Greenpeace in einem Video eine Star-Wars-Parodie dazu nutzt, den Autokonzern VW zu kritisieren. VW hat sich nach Ansicht von Greenpeace der dunklen Seite der Macht zugewandt, was Greenpeace in einem an Star Wars angelehnten Video-Spot filmisch darstellt. Das zu Google gehörende Videoportal YouTube reagierte schnell und forsch und hat neben dem Video gleich den gesamten Greenpeace-Kanal geschlossen. Erwirkt wurde die Löschung offenbar von Lucasfilm Ltd., der Produktionsfirma von Star Wars.

Eine einstweilige Verfügung oder sonstige gerichtliche Entscheidung gegen Greenpeace scheint bislang allerdings nicht zu existieren, denn die Kampagnenwebsite von Greenpeace ist nach wie vor online und auf dem Portal Vimeo ist das Video ebenfalls abrufbar.

Vermutlich hat sich Lucasfilm gegenüber Google/YouTube auf den amerikanischen Digital Millenium Copyright Act (DMCA) und das dort geregelte „Notice And Take Down“ Verfahren berufen. Danach erlangt ein Hoster eine Haftungsfreistellung, sofern er, auf eine Mitteilung des Rechteinhabers über eine (angebliche) Rechtsverletzung hin, das beanstandete Material zügig vom Netz nimmt. Es erscheint naheliegend, dass Lucasfilm eine entsprechende Aufforderung an YouTube geschickt hatte.

Unklar ist allerdings, worauf sich der Vorwurf der Urheberrechtsverletzung genau stützt. Die an Stars Wars angelehnte filmische Parodie erhält keine erkennbare Urheberrechtsverletzung. Gemutmaßt wurde allerdings, Lucasfilm würde sich an der Verwendung der Musik aus den Star Wars Filmen stören.

Ob provoziert oder unerwartet, die Geschichte wirkt wie ein cleverer Schachzug.  Die Krieger des Regenbogens haben sich in Jedi-Ritter verwandelt.;-)

Man kann natürlich auch wieder einmal auf Mrs. Streisand verweisen.

Update:
Der Film ist mittlerweile auch bei Vimeo gelöscht. Dort kann man folgendes lesen:

Sorry, „VW: The Dark Side“ was deleted at 12:10:45 Fri Jul 1, 2011. Vimeo has removed or disabled access to the following material as a result of a third-party notification by Lucasfilm Ltd. claiming that this material is infringing: VW: The Dark Side.

Damit erhärtet sich meine Vermutung, dass ein Notice-And-Take-Down-Verlangen nach dem DMCA gestellt worden ist.

posted by Stadler at 17:12  

1.7.11

Heilung der fehlerhaften Zustellung einer einstweiligen Verfügung

Einstweilige Verfügungen müssen im Parteibetrieb zugestellt werden. Das bedeutet, dass der Antragsteller die einstweilige Verfügung selbst an den Antragsgegner bzw. dessen Prozessbevollmächtigten zustellen muss und die Zustellung nicht vom Gericht vorgenommen wird.

Wenn ein Prozessbevollmächtigter mit Empfangsvollmacht vorhanden ist, dann muss an diesen zugestellt werden (§ 172 ZPO). Eine Zustellung (nur) an den Antragsgegner ist in solchen Fällen unwirksam. Das ist bei einstweiligen Verfügungen deshalb kritisch, weil das Gesetz eine Vollziehungsfrist von einem Monat vorsieht.

Vor diesem Hintergrund spielt eine aktuelle Entscheidung des Kammergerichts (Beschluss vom 31.01.2011 – 5 W 274/10). Das Gericht ging davon aus, dass die Zustellung der Beschlussverfügung zunächst unwirksam war. Dieser Mangel ist nach Ansicht des Kammergerichts aber nach § 189 ZPO dadurch geheilt worden, dass dem Rechtsanwalt des Antragsgegners eine Kopie des Beschlusses – per E-Mail und zwar übersandt durch seinen eigenen Mandanten! – noch innerhalb der Vollziehungsfrist von einem Monat zugegangen ist.

Das ist auch für die anwaltliche Praxis von Bedeutung, weil es durchaus Fälle gibt, in denen man sich nicht sicher ist, ob der gegnerische Anwalt tatsächlich zustellungsbevollmächtigt ist. In solchen Fällen birgt die Zustellung an den Anwalt die Gefahr, dass dieser die Entgegennahme verweigert und darauf verweist, nicht empfangsbevollmächtigt zu sein. Es empfiehlt sich dann, direkt an den Gegner zuzustellen und dem Anwalt die einstweilige Verfügung ergänzend, z.B.per Fax, zuzuschicken.

(via MIR)

posted by Stadler at 11:11  
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