Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

23.5.11

Neues Abmahnrisiko Facebook?

Ein reißerischer Text von Carsten Scheibe im Südkurier und einer auf gulli.com suggerieren, dass bei der Abmahnung von privaten Facebook-Profilen bis zu EUR 15.000,- gefordert werden könnten bzw. dies naheliegend sei. Um es vorweg zu nehmen, dieser Betrag ist aus der Luft gegriffen und hat keine reelle Grundlage. Beide Texte plappern unreflektiert eine Veröffentlichung von Rechtsanwalt Solmecke nach, der im Rahmen eines Werbetexts für seine Kanzlei mit derartigen Beträgen hantiert.

Dass im Zuge einzelner Abmahnungen wegen Urheberrechtsverstößen Schadensersatz und Anwaltskosten in dieser Größenordnung gefordert wird, ist vielmehr äußerst unwahrscheinlich. Es ist eben nicht so, dass ein Anwalt beliebig abmahmen kann. Vielmehr vertritt er immer nur einen Mandanten, der behauptet, in seinen Rechten verletzt zu sein, also einen Urheber oder Rechteinhaber. Weil die verschiedenen Urheberrechte, die innerhalb eines Facebook-Profils eventuell verletzt werden, regelmäßig nicht in einer Hand liegen, sind Forderungen in der genannten Größenordnung eher abwegig.

Facebook-Nutzer müssen sich auch nicht, wie der Artikel ausführt, wie professionelle Journalisten verhalten, sondern sie müssen nur darauf achten, nicht die Rechte Dritter zu verletzen. Diese Pflicht trifft jederman und hat nichts mit journalistischer Sorgfalt zu tun. Wer Fotos, Grafiken, Videos oder Texte in sein Profil einstellt, die nicht von ihm selbst stammen, verletzt damit häufig das Urheberrecht eines anderen. Wer Fotos einstellt, auf denen neben ihm selbst auch andere Personen zu sehen sind, ist grundsätzlich gehalten, eine Einwilligung des Abgebildeten einzuholen (§ 22 KUG). Man sollte außerdem darauf achten, in Bezug auf andere Personen keine beleidigenden oder ehrverletzenden Aussagen zu treffen. Wer sich als Privatnutzer daran hält, dürfte wenig zu befürchten haben.

posted by Stadler at 17:50  

11 Comments

  1. Danke für diesen Beitrag. Auch ich halte diese Panikmache für unseriösen Quatsch. Außerdem – und das ist fast noch nirgendwo erwähnt worden – ist es schon technisch höchst unwahrscheinlich, dass Rechteinhaber im großen Stil Facebook-Profile scannen, um dann Geld einzutreiben. Dafür müssten sie nämlich die Facebook-Seiten /-Pinnwände einsehen können und die meisten User haben diese ja mittlerweile vor den Augen unerlaubter Dritter geschützt.

    Comment by Daniel Bröckerhoff — 23.05, 2011 @ 18:18

  2. > „Es ist eben nicht so, dass ein Anwalt beliebig abmahmen kann.“

    Aber beliebig viele Anwälte könnten doch abmahnen, weil eine Timline beliebig viele Rechteverletzungen verschiedenster Quellen aufweisen kann?

    > „…sind Forderungen in der genannten Größenordnung eher abwegig.“

    Je Anwalt und Rechteinhaber. Aber wenn es viele Anwälte und viele Rechteinhaber wären?

    > „Facebook-Nutzer müssen sich auch nicht,…, wie professionelle Journalisten verhalten…“

    Und wie passt das zu dem?

    > „Wer Fotos einstellt, auf denen neben ihm selbst auch andere Personen zu sehen sind, ist grundsätzlich gehalten, eine Einwilligung des Abgebildeten einzuholen“

    Facebook strotzt nur so von Fotos auf denen auch andere abgebildet sind und die sogar dank einer Facebook-Funktion von anderen markiert und bezeichnet werden können.

    Ausserdem:
    > „Wer Fotos, Grafiken, Videos oder Texte in sein Profil einstellt, die nicht von ihm selbst stammen, verletzt damit häufig das Urheberrecht eines anderen.“

    Facebook lebt davon, dass Fotos, Videos, Grafiken und Texte von anderen eingestellt werden! Kaum einer hat eigenen Content zu bieten, fast alles ist von irgendwoher geholt. Es gibt tolle Aktionen bei den das eigene Profilfoto durch bekannte Comicfiguren ausgetauscht wird und es wird geliked was nur geht und somit taucht es samt Foto oder Grafik oder Auszugstext in der eigenen Timline auf.

    Facbook Nutzung hat mit Urheberrecht so wenig zu tun wie mit Datenschutz.
    Und da sag noch einer, dass Abmahnungen unwahrscheinlich wären.
    Es hieß öfter schon mal dass Abmahnungen eher unwahrscheinlich sein würden und dann kamen sie doch.

    @1.
    Ich glaube es ist eher weniger ein Problem für Profis, die Facebook Seiten zu scannen. Es gab ja mal irgendwo eine Grafik, wie offen eine Seite ist in der Freude von Freunden etwas sehe dürfen.
    Und wer die Seite zu macht, kann eigentlich auf Facebook verzichten und andere Kanäle suchen die nicht so öffentlich sind.

    Comment by Frank — 23.05, 2011 @ 18:48

  3. Wär schön, wenn die Abmahnwelle mal über Facebook rollt. Dann wäre dieser ganze Abmahnwahnsinn in Deutschland sicherlich im Fokus der allgemeinen Bericherstattung und würde hoffentlich mal was ändern.

    Comment by SmilerGrogan — 23.05, 2011 @ 18:52

  4. Es gibt ja in Deutschland schon 700.000 Abmahnungen im Content-Bereich, wie ein Vertreter der Musikindustrie kürzlich auf einer von mir besuchten Veranstaltung sagte. Da würden ein paar hundertausend Facebook-Abmahnungen auch nicht wesentlich mehr Öffentlichkeit schaffen als bisher.

    Comment by Stadler — 23.05, 2011 @ 21:38

  5. ich denke eher, diese reißerische Meldung geht auf die nach wie vor bei Herrn Solmecke bestehende Unkenntnis des Unterschieds zwischen dem Gegenstandswert einer Abmahnung und der daraus resultierenden Forderung zurück.

    Gemeint war wohl eher: „Anwälte könnten bei einer Abmahnung einen Gegenstandswert von bis zu 15.000 EUR zugrunde legen“.

    Bei Herrn Solmecke wird daraus eben schnell eine Forderung von 15.000…klingt ja auch irgendwie besser und bringt mehr klicks

    Comment by Büttler — 24.05, 2011 @ 08:15

  6. > YouTube-Videos: Wer ein YouTube-Video in die eigene Seite einbindet, haftet für die Inhalte.

    Das halte ich für abwegig.

    Ob jemand das Video einbindet oder darauf verlinkt, ist doch egal. Ein eingebettes Youtube-Video ist ja nur ein iFrame mit einem Link auf YouTube drin.

    Die Rechteverwurster könnten meiner Ansicht nach nur YouTube selbst oder denjenigen, der das Video auf YouTube hochgeladen hat, abmahnen.

    Dass urheberrechtswidrige Videos auf YouTube aber in der Realität nur gesperrt werden, und bei zig Millionen solcher Videos noch nichts von einer einzigen Abmahnung gegen YouTube oder einen Uploader bekannt wurde, spricht ja wohl sehr stark dafür, dass Abmahnungen wegen „illegaler“ YouTube-Videos extrem unwahrscheinlich sind.

    Comment by Columbus — 24.05, 2011 @ 08:40

  7. Was sind 100 tote Anwälte am Meeresgrund?

    Ein guter Anfang!

    (Herrn Vetter und einige andere, ehrenwerte Gesellen natürlich ausgeschlossen).

    Ich glaube, wenn heute noch ein Gesetz käme, das eine mit Anwaltskosten versehene erste Abmahnung verbietet, würde ein ganzer Berufsstand kollabieren. Kommt natürlich nicht weil auch in Bundestag und Bundesrat viele Anwälte sitzen…

    gruß

    Comment by Frank Schenk — 24.05, 2011 @ 09:36

  8. Nur die wenigsten Anwälte in diesem Land leben überwiegend von (Massen-)Abmahnungen. Der Berufsstand würde deshalb sicher nicht kollabieren.

    Es wäre dann schlicht so, dass der Mandant (zunächst) die Kosten tragen müsste, was man in manchen Fällen als ungerechtfertigt betrachten kann, was sicherlich andererseits aber das Ende von Massenphänomenen wie den Filesharing-Abmahnungen bedeuten würde. Betroffen wäre davon allerdings auch der gesamte Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes. Es ist m.E. daher eher naheliegend, dass die Urheberrechts- und Wirtschaftslobbyisten derartige gesetzliche Regelungen verhindern werden.

    Comment by Stadler — 24.05, 2011 @ 09:50

  9. @6.
    > Ob jemand das Video einbindet oder darauf verlinkt, ist doch egal. Ein eingebettes Youtube-Video ist ja nur ein iFrame mit einem Link auf YouTube drin.

    Das ist schon ein Unterschied, denn ein Link führt auf eine andere Seite und ein Iframe bindet eine andere Seite in die eigene Seite ein.
    Früher waren die Iframes berüchtigt wegen Contentklau, fremde Inhalte wurden angezeigt als wären es die eigenen.

    Ausserdem ist eine Einbindung per Iframe ähnlich wie RSS, nur dass man per Iframe ungefragt Inhalte klauen kann und RSS muss einer schon anbieten, damit man es einbetten kann.

    Comment by Frank — 24.05, 2011 @ 10:38

  10. @Columbus
    Das Problem ist hier auch das Vorschaubild, dass durch das Einbinden des Videos in der Timeline entsteht.

    Comment by Sebastian — 24.05, 2011 @ 12:25

  11. Kollege Solmecke wollte sicher auch auf das grundsätzliche urheberrechtliche Risiko einer typischen Facebook-Seite aufmerksam machen. Dass sich das insgesamt auf 15.000 Euro summieren könnte, indem etliche Rechtsinhaber kumuliert abmahnen, hat er allerdings nicht gesagt, da haben Sie schon recht. Insofern hat er vielleicht doch ein wenig mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Gruß aus Stuttgart

    Comment by Kruno Kopp — 26.05, 2011 @ 11:26

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