Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

11.5.11

Keine vertragliche Verpflichtung bei Missbrauch eines eBay-Kontos

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat heute (Urteil vom 11. Mai 2011, Az.: VIII ZR 289/09) entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Inhaber eines eBay-Mitgliedskontos vertraglich für Erklärungen haftet, die ein Dritter unter unbefugter Verwendung des Accounts abgegeben hat.

Der Bundesgerichtshofs führt zunächst aus, dass auch bei Internet-Geschäften die Regeln des Stellvertretungsrechts anwendbar sind, wenn durch die Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt wird, es solle mit dem Namensträger ein Geschäft abgeschlossen werden. Erklärungen, die unter dem Namen eines anderen abgegeben worden sind, verpflichten den Namensträger daher nur, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgen oder vom Namensträger nachträglich genehmigt worden sind oder wenn die Grundsätze über die Duldungs- oder die Anscheinsvollmacht eingreifen.

Allein die unsorgfältige Verwahrung der Kontaktdaten eines eBay-Mitgliedskontos führt nach Ansicht des BGH noch nicht dazu, dass der Inhaber des Kontos sich die von einem Dritten unter unbefugter Verwendung dieses Kontos abgegebenen Erklärungen zurechnen lassen muss. Eine Zurechnung fremder Erklärungen an den Kontoinhaber ergibt sich auch nicht aus § 2 Ziffer 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay. Da diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen jeweils nur zwischen eBay und dem Inhaber des Mitgliedskontos vereinbart sind, haben sie keine unmittelbare Geltung zwischen dem Anbieter und dem Bieter. Ausgehend davon war nach Ansicht des BGH zwischen den Parteien im konkreten Fall kein Kaufvertrag zustande gekommen.

Die Frage einer deliktischen Haftung des Inhabers eines eBay-Accounts für die missbräuchliche Nutzung seines Kontos hat der I. Senat des BGH vor zwei Jahren anders entschieden (Urteil vom 11.03.2009, Az.: I ZR 114/06 – Halzband). Danach haftet der Inhaber eines eBay-Kontos für Schutzrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstöße, die über sein Konto begangen wurden, als Täter. Der Grund für die Haftung besteht nach Ansicht des I. Senats in der vom Account-Inhaber geschaffenen Gefahr, dass  für den Verkehr Unklarheiten darüber entstehen können, welche Person unter dem betreffenden  Mitgliedskonto bei eBay gehandelt hat.

Beide Urteile widersprechen sich nicht unmittelbar, da es in dem einen Fall um die deliktische Haftung und in dem anderen Fall um die Begründung einer vertraglichen Verpflichtung geht. Nachdem der I. Senat allerdings ganz ausdrücklich mit einer Rechtsscheinshaftung argumentiert, ergibt sich m.E. dennoch ein Wertungswiderspruch. Denn die Annahme eines Rechtsscheins durch den I. Senat hätte man dann konsequenterweise auch zur Begründung einer sog. Anscheinsvollmacht heranziehen müssen. Ich bin gespannt, ob sich die Urteilsgründe der aktuellen Entscheidung mit der Halzband-Entscheidung des I. Senats (kritisch) auseinandersetzen werden.

posted by Stadler at 15:29  

6 Comments

  1. Die Abgrenzung hatte doch der I. Senat unter Rz. 24 der Halzband-Entscheidung schon selbst vorgenommen.

    Comment by Gast — 11.05, 2011 @ 18:15

  2. Ich habe Rz. 24 jetzt ein paar mal gelesen und würde mit dieser Argumentation sowohl bei der deliktischen als auch bei der vertraglichen Haftung auf das Ergebnis kommen: Wenn man das Passwort nicht sorgfältig verwahrt haftet man.

    Comment by Alex — 11.05, 2011 @ 22:22

  3. Sehe ich ähnlich, weshalb sich die beiden Entscheidungen durchaus widersprechen

    Comment by Stadler — 11.05, 2011 @ 22:31

  4. Für mich ist Rn. 25 entscheidend:

    „Die Haftung des Beklagten setzt, soweit es um den Unterlassungsanspruch geht, hier – anders als die Störerhaftung – keinen Verstoß gegen weitere Prüfungspflichten voraus. […] Das für den Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden wird allerdings im Regelfall nur zu bejahen sein, wenn der Beklagte zumindest damit rechnen musste, dass seine Ehefrau die Kontaktdaten zu dem rechtsverletzenden Handeln verwendete.“

    Comment by Philipp — 11.05, 2011 @ 23:08

  5. Für mich scheint die Ents des BGH nicht ganz schlüssig zu sein. Wie lange war das Anbot eingestellt? Hat der Account-Inhaber während dieser Zeit gar keine „Überwachungspflichten“? Der muss doch merken, dass hier ein Angebot eingestellt ist.

    Comment by Thomas Schweiger — 12.05, 2011 @ 15:37

  6. Im dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Fall nutzte allerdings der Ehemann den Account seiner Ehefrau, um anschließend selbst als Höchstbietender auf Leistung zu klagen. Insofern wäre ein Rechtsschein hier wohl kaum anzunehmen. Die Urteile müssen sich demnach nicht widersprechen. Aber gespannt auf die genaue Begründung bin ich ebenfalls.

    Comment by datenwelle — 18.05, 2011 @ 11:41

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