Funktioniert „Löschen statt Sperren“ jetzt endlich auch beim BKA?
Blogbeiträge der Grünen und der Linken sowie Medienberichte legen nahe, dass auch das BKA im Januar 2011 eine Löschquote von 99 % (vier Wochen nach Versand entsprechender Löschaufforderungen) im Zuge der Evaluierung des Zugangserschwerungsgesetzes erreicht hat.
Wenn man sich das Berichtsschreiben des Bundeskriminalamts an das BMI vom 22.02.2011 – das mir vorliegt – ansieht, so lässt sich dieser Schluss anhand der vom BKA gelieferten Zahlen und Daten allerdings nicht eindeutig ziehen. Das Grundproblem der Darstellung des BKA besteht darin, dass die tabellarische Statistik nur darstellt, wie viele der Webseiten eine Woche nach Versand einer Löschmitteilung noch online waren. Im Januar 2011 waren danach 68 % der kinderpornografischen Websites nach einer Woche gelöscht, im Dezember 2010 waren es 79% im November 2010 83 %. Im Januar 2011 hatte das BKA 143 kinderpornografische Websites ermittelt, im Dezember 2010 waren es 98 und im November 111.
Die Statistik des BKA macht leider keine Angaben darüber, wie viele dieser Webseiten nach zwei, drei und vier Wochen noch online bzw. gelöscht sind, obwohl das BKA immer dann, wenn eine Löschung nicht erfolgt ist, weitere Mahnschreiben versendet. Insoweit sollte man eigentlich auch diesbezüglich eine konkrete statistische Auswertung erwarten dürfen. Die unzureichende statistische Darstellung durch das BKA ist möglicherweise politisch gewollt, weil man ansonsten tatsächlich einräumen müsste, dass sich die Löschquote stark der 100% Marke annähert, womit jegliche Rechtfertigung für Netzsperren entfallen würde.
Das Bundeskriminalamt weist im Text seines Schreibens für den Berichtszeitraum Januar 2011 allerdings darauf hin, dass in zehn Fällen eine zweite, in drei Fällen eine dritte und in einem Fall eine vierte Mahnung versandt worden ist, wobei insoweit eine Rückmeldung noch aussteht. Hieraus haben die Grünen und die Linken dann die Schlussfolgerung gezogen, dass nur noch die zuletzt angemahnte Website am Netz verblieben ist, woraus sich die Annahme einer Löschquote von 99 % ergibt. Das kann zwar durchaus so sein, ergibt sich aber wie gesagt nicht eindeutig aus den Angaben des BKA und ist deshalb ein Stück weit spekulativ.
Es ist aber ersichtlich so, dass zumindest in den letzten Monaten bereits nach einer Woche 2/3 – 3/4 der beanstandeten Seiten gelöscht waren und, dass es in den Folgewochen dann, wegen des erneuten Nachfassens des BKA ,stets zur Löschung weiterer Seiten kommt, weshalb die Löschquote mittlerweile beträchtlich ist.
Man kann also nach einem Jahr der Evaluierung selbst anhand der Zahlen des BKA feststellen, dass es keinesfalls tausende kinderpornografischer Websites im Netz gibt, sondern – mit gewissen Schwankungen – immer nur etwas über 100 und, dass die Löschquote sehr hoch ist.
Dennoch gibt es Unionspolitiker, die dasselbe Zahlenmaterial für die Behauptung nutzen, der Löschansatz hätte sich als Flop erwiesen. Die Begründung hierfür lautet, dass die Jahresbilanz des BKA ergebe, dass 39 Prozent aller registrierten Kinderpornoseiten trotz Löschersuchens des BKA an die zuständigen Stellen nach einer Woche immer noch im Netz zu finden waren und, dass nach der Jahresbilanz des BKA die Löschversuche der Behörde im Vorjahr damit nur in sechs von zehn Fällen erfolgreich waren.
Der erste Teil dieser Aussage stellt eine Verzerrung der Statistik dar, während der zweite Teil der Aussage als gänzlich falsch bezeichnet werden muss.
Wenn man die Tabelle des BKA betrachtet, dann sind im Zeitraum vom Januar 2010 bis Januar 2011 tatsächlich im Durchschnitt nach einer Woche lediglich 58 % der beanstandeten Websites gelöscht gewesen. Mit dieser Durchschnittsangabe blendet man allerdings aus, dass sich diese Quote gerade in den letzten drei Monaten deutlich erhöht hat (siehe oben), was dafür spricht, dass die Löschbemühungen zunehmend besser greifen. Die weiterer Behauptung des CDU-Politikers Krings, die Löschbemühungen des BKA seien nur in sechs von zehn Fällen erfolgreich, ist allerdings gänzlich falsch, weil sie den Erfolg der weiteren Mahnungen des BKA, die nach Ablauf einer Woche verschickt werden, gänzlich unberücksichtigt lässt.
Wenn eco also angibt, nach ihren Erkenntnissen seien in 2010 84% nach einer Woche, 91% nach zwei Wochen und schlussendlich 99,4% der kinderpornografischen Websites gelöscht worden, dann steht das zumindest nicht in Widerspruch zu den Zahlen des BKA der letzten Monate.
Es gibt allerdings Datenjongleure, die aus politischen Gründen etwas anderes Glauben machen wollen.
„Wo sind die heilenden Kräfte des Internets in den vergangenen zehn Jahren gewesen?“
So fragte Ursula von der Leyen Ende Mai 2009 bei SpOn um ihren Argumentationen, die manche als Lügen bezeichneten, nochmals Gehör zu verschaffen und ihr geplantes Gesetz zur Einführung von Internetsperren zu verteidigen.
Fast zwei Jahre später ist bewiesen:
Die Zusammenarbeit der Nutzer und der Internetprovider mit den Welt weit verteilten Beschwerdestellen funktioniert so gut, dass Niederländische Provider heute auf Websperren verzichten. Und auch die neuesten Zahlen aus der BKA Evaluierung belegen inzwischen die „heilenden Kräfte des Internets“, die von der glühensten Verfechterin der Internetsperren angemahnt wurden.
Wo bleiben dabei die Kinder?
Comment by wen wundert 's? — 19.03, 2011 @ 14:15
@ Kommentar #2:
Offensichtlich haben Sie sich im Thema vertan.
Zum Thema:
Ich vermute, dass es bei vielen Politikern einfach so ist, wie bei jedem anderen Menschen auch: wir hören eine Zahl X und glauben sie einfach. Diese wird dann bei jeder Gelegenheit wiederholt und wird dann irgendwann einfach zur Wahrheit, weil jeder den jeweils anderen als Quelle angibt.
Dazu kommt dann auch, dass es einige Politiker gibt, die bewusst diese falschen Zahlen immer und immer wieder nennen, um ihren eigenen Standpunkt zu untermauern. Gepaart mit unserer menschlichen Unfähigkeit Quellen nachzuverfolgen sehe ich hier eine reale Gefahr für vernünftige Gesetzgebungsverfahren.
Comment by Theoretiker — 19.03, 2011 @ 19:52
@Dr. H.R. Goetting (#2)
Schon ‚mal daran gedacht Michael Moore, Julian Assange und/oder ähnlich zu kontaktieren?
Absolut wertfrei (!) gefragt: Geht es dir primär darum, mit dem ebook Geld zu verdienen oder geht es dir um die Verbreitung des Inhaltes zwecks Aufklärung respektive Schaffung von Transparenz? „Zensur“ bedeutet für mich persönlich nämlich in dem Zusammenhang auch die Kontrolle von Inhalten durch politische Maßnahmen. Verbreitungsmöglichkeiten für’n ebook via INTERconnected NETworks gibt es nämlich reichlich… Hervorzuheben ist dabei m.E. die dezentrale (!) Variante mittels P2P. Meiner Meinung nach eine äußerst demokratische, effektive und „freie“ Verbreitungsmöglichkeit von Informationen in Form von Daten jeglicher Art (!), die m.E. gerade für den Privatmann mit aller Gewalt unter dem Deckmantel „Schutz geistigen Eigentums“ bekämpft wird. Also eine der 3 Themenschwerpunkte im Bestreben das Internet zu zensieren: Terror (VDS), Kinderpornographie („Zensursula“), „filesharing“ (dezentrale Datenübertragung)!
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Interessenshalber: Der Satz „Dann wurde die Webseite angegriffen und mit Schadprogrammen zerstört“ kann aus der Ferne betrachtet sehr viele Möglichkeiten verbergen. Wie ist das denn genau abgelaufen?
Weshalb wurden z.B. die Sicherheitslücken auf der website nicht behoben und beispielsweise durch „saubere“ Originalinhalte ersetzt?
Versuch‘ doch zudem vielleicht ‚mal einen niederländischen Provider –>
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Niederlaendische-Provider-verzichten-auf-Websperren-1204032.html
Abschließend: Als „Halb-US-Amerikaner“ (Mutter US-Amerikanerin, Vater Deutscher) interessiert mich so ‚was im Prinzip. Ich habe allerdings hier in Deutschland studiert (Ingenieurwissenschaften) und war auch schon für ein US-amerikanisches Unternehmen tätig. Ich persönlich kann diesbzgl. und ganz spontan allerdings eher feststellen daß dieser „wissenschaftliche Universitätsdienstleister“ scheinbar nicht so sonderlich gut zu spionieren scheint (?) bzw. die Ergebnisse anscheinend nicht effektiv verwerten kann (?).
Oder aber Bertelsmann spioniert die Spionage direkt wieder zurück (Spaß!) ;-)
Wenn du einerseits dein ebook „University Spy – A True Story“, aber andererseits betonst, daß alle Namen geändert wurden dann weiß ich persönlich nicht ob das „echtes“ muckraking ist…!? Naja, wie dem auch sei, das sollte keine Kritik sein (hab’s Buch schließlich auch nicht gelesen) sondern reine Neugierde. Ich wünsche jedenfalls viel Erfolg!
@Theoretiker (#3)
Ich jetzt im Grunde auch…sorry!
Gruß, Baxter
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P.S.: Mein „Duzen“ ist übrigens bitte nicht als Unhöfichkeit oder dergleichen zu werten. Ich persönlich vertrete lediglich die Meinung, daß man sich auf der Alm und in Foren/blogs ruhig duzen darf. ;-)
Comment by Baxter — 20.03, 2011 @ 01:49
„Man kann also nach einem Jahr der Evaluierung selbst anhand der Zahlen des BKA feststellen, dass es keinesfalls tausende kinderpornografischer Websites im Netz gibt, sondern – mit gewissen Schwankungen – immer nur etwas über 100…“
Da erliegen Sie selbst einem Irrtum, weil Sie faktich unterstellen, dem BKA wären immer alle entsprechenden Seiten im Netz bekannt. Eine solche Annahme wird vermutlich nicht zutreffen. Man kann folglich lediglich feststellen, dass dem BKA nicht tausende kinderpornografischer Websites bekannt sind, sondern immer nur etwas über 100. M. E. spricht nichts gegen die Annahme, dass dies auch in der Vergangenheit schon so war. Daher sind Aussagen von BKA und Politik zum Umfang des Problems rein spekulativ und vermutlich der höheren Aufmerksamkeit von „Horrorzahlen“ geschuldet. Wobei jedes misbrauchte Kind selbstverständlich eines zu viel ist. Aber um die geht es Politikern und Sichherheitsfanatikern m. E. gar nicht.
Comment by M. Boettcher — 21.03, 2011 @ 09:53
Man muss das Begleitschreiben des CDU-Staatssekretärs im Innenministerium genau lesen. Demnach wurde erst am 22.11.2010 per Erlass das BKA angewiesen, die Verfügbarkeit von kinderpornographischen Angeboten auch nach zwei, drei und vier Wochen zu ermitteln. Diesen Erlass setzt das BKA seit dem 09.12.2010 um. Zum Verfahren heißt es:
„Sind die kinderpornographischen Inhalte nach Ablauf der zweiten oder dritten Woche weiterhin verfügbar, wird dies dem betroffenen Staat über den Interpol-Weg abermals zur Kenntnis gegeben und erneut um Löschung ersucht. Sind kinderpornographische Inhalte auch nach Ablauf der vierten Woche noch verfügbar, wird die Interpol-Stelle des betroffenen Staats direkt kontaktiert, um die Gründe hierfür zu erfragen.“
Da der CDU-Staatssekretär (ein vehementer Verfechter von Sperren) die ersten für Januar 2011 vom BKA vorgelegten Zahlen offenbar aus politischen Gründen nicht absolut darlegen wollte, andererseits auch nicht unterdrücken konnte, tat er das verklausuliert. Er teilte mit, im Januar wurde in 10 Fällen eine zweite Mahnung (im Klartext: nach 2 Wochen waren von ursprünglich 143 Meldungen insgesamt 10 noch nicht gelöscht), in 3 Fällen eine dritte Mahnung (im Klartext: nach 3 Wochen waren von ursprünglich 143 Meldungen insgesamt 3 noch nicht gelöscht) und in 1 Fall eine vierte Mahnung (im Klartext: nach 4 Wochen waren von ursprünglich 143 Meldungen insgesamt 1 noch nicht gelöscht) verschickt.
Nicht die erechnungen von Linken und Grünen sind also spekulativ, sondern die Angaben aus dem Innenministerium suchen zu verschleiern.
Comment by Paul P. — 23.03, 2011 @ 09:34