Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

26.2.11

Gegen die Freiheit

Der Bundestag hat gestern über einen Antrag der Grünen diskutiert, der fordert, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern und abzusichern.

Die Argumente von Union und FDP, die sich erwartungsgemäß gegen eine entsprechende Regelung aussprechen, erscheinen nahezu grotesk. Abgeordnete der FDP, u.a. Jimmy Schulz, sprachen von sozialistischer Gleichmacherei im Netz und von einem Sozialismus-Internet wie in China.

Das ist nicht nur populistisch, sondern auch freiheitsfeindlich und deshalb gerade aus dem Mund von Abgeordneten, die sich liberal nennen, mehr als erstaunlich.

Wer so „argumentiert“ müsste letztlich auch die Freiheits- und Gleichheitsrechte des Grundgesetzes als sozialistischen Regulierungsansatz begreifen.

Netzneutralität soll garantieren, dass alle Daten im Netz gleichberechtigt transportiert werden und Provider und Netzbetreiber nicht diejenigen bevorzugt bedienen, die mehr bezahlen. Netzneutralität zu sichern und zu gewährleisten ist das Gegenteil von Regulierung. Denn durch eine gesetzliche Verpflichtung zur Netzneutralität werden die Provider lediglich dazu angehalten, die Manipulation derjenigen technischen Standards zu unterlassen, die die Funktionsfähigkeit des Netzes gewährleisten. Dieselbe Manipulation technischer Standards bildet übrigens auch die Grundlage von Netzsperren, wie sie im Zugangserschwerungsgesetz vorgesehen sind.

Der Gesetzgeber würde mit einer gesetzlichen Verankerung der Netzneutralität also lediglich eine Selbstverständlichkeit garantieren, die keine mehr zu sein scheint. Diese Selbstverständlichkeit ist allerdings unabdingbare Voraussetzung für die Sicherung der Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz.

Gefragt ist an dieser Stelle mehr denn je ein politischer Liberalismus, der in der Tradition Ralf Dahrendorfs formulieren müsste: „Netzneutralität ist Bürgerrecht“.

Die FDP scheint in diese Frage aber eine Haltung eingenommen zu haben, die gegen die Freiheit gerichtet ist. Diese Haltung bricht mit liberalen Traditionen und Grundwerten.

posted by Stadler at 20:59  

11 Comments

  1. Die FDP ist keine freiheitliche Partei sondern eine Wirtschaftsliberale.

    Das Eine hat mit dem Anderen so viel zu tun wie Subprime-Hypotheken mit soliden Sicherheiten.

    Comment by Spinnzessin — 26.02, 2011 @ 21:09

  2. Wer so “argumentiert” müsste letztlich auch die Freiheits- und Gleichheitsrechte des Grundgesetzes als sozialistischen Regulierungsansatz begreifen.

    Das tun sie augenscheinlich. Anders sind weder der Neoliberalismus noch die ad absurdum geführten Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft zu verstehen.

    Comment by vera — 26.02, 2011 @ 21:23

  3. „Wer so “argumentiert” müsste letztlich auch die Freiheits- und Gleichheitsrechte des Grundgesetzes als sozialistischen Regulierungsansatz begreifen.“

    Das war auch mein erster Gedanke, nachdem ich den strunzdummen Kommentar von Jimmy Schulz („Das ‚Sozialismus-Internet‘ haben wir schon in China“) vernommen hatte.

    Comment by bundesrainer — 26.02, 2011 @ 22:01

  4. Die FDP ist doch nicht wirtschaftsliberal. Sie bedient machttaktisch ausgewählte Unternehmen bzw. Branchen.
    Die FDP, zumindest ein überwiegender Teil der Führungsriege, haben mit Liberalismus soviel zu tun wie Gladbach derzeit mit der Meisterschaft.

    Comment by danik — 27.02, 2011 @ 00:23

  5. Die Idee des Internets beruht ja eigentlich auf der Tatsache das alle Meldungen alle Datenpakete gleichrangig befördert werden. Und das es eben keine Unterscheidungen gibt welches Paket zuerst oder welches zum Schluss befördert wird.
    Eine Abkehr von diesen Prinzip was sich seit der Entstehung des Internets so großartig bewert hat ist für mich persönlich nicht wünschenswert. Ich kann zwar die Provider verstehen hier eine neue Geldquelle zu vermuten. Aber ich denke das es aus der Sicht der User zu keinen extra Nutzen führen kann wenn man von diesen einfachen Prinzip weggeht. Der Ausbau der Netzleitungen und diese dann mit bestimmten Premium Diensten zu belegen wäre sicher auch eine alternative aber hier würde nur doppelt kassiert ohne einen wirklichen Mehrwert zu erbringen. Ich würde eher für eine Zweckgebundene Netz pauschale zum Ausbau plädieren die zum Ausbau bestimmter Netze die dann lediglich ans Internet angeschlossen würden genutzt würde. Aber das Internet würde ich nicht als solches anrühren. Den Gedanken der Netzneutralität zu verankern ist eine Idee die zwar Richtig ist mir währe aber lieber wenn man es auch mit Gesunden Menschenverstand ohne noch mehr Regeln einrichten könnte. Leider sind wir von so etwas wie gesunden Menschenverstand wo zu weit weg.

    Comment by Bashoe — 27.02, 2011 @ 00:30

  6. Schon heute hängt die Nutzung des Internets von dem Geldbeutel ab, den man fürs Netz bereit bzw. in der Lage ist zu öffnen.

    So wird schon heute bei unbegrenzter Flaterate die Übertragungsgeschwindigkeit nach Erreichen einer bestimmten schon übertragenen Datenmenge gedrosselt in Abhängigkeit vom Geldbeutel.

    Was die FDP von sich gibt, wird eintreten. Es stellt sich lediglich die Frage mit welchen zivilisatotischen Mitteln und die Augen zuwischenden Argumenten. Vieles wird klamm und heimlich passieren und passiert schon.

    Viele Wege führen nach Rom.

    Comment by Rolf Schälike — 27.02, 2011 @ 08:04

  7. Aber Herr Stadler,
    die FDP ist eine Lobbyrale Partei, beileibe keine Liberale mehr. Schon lange nicht.

    Fragen Sie Frau Hamm-Brücher, sie wir sich dazu schon deutlich äußern.

    Leider gibt es in Deutschland nur noch eine liberale, freiheitliche Partei. Und die weiß, wie wichtig Netzneutralität ist.

    An dieser Stelle vielen Dank für ihre vielfältigen Blogposts.

    Schönen Gruß
    Aleks A.-Lessmann

    Comment by Aleks A. — 27.02, 2011 @ 08:36

  8. das problem ist, dass der durchschnittliche user gar nicht versteht was hier vorgeht. wir haben deshalb den beitrag auf unserer seite verlinkt. denn wenn sich ein anwalt mit diesem problem beschaeftigt haben wir noch hoffnung, dass der eine oder andere zumindest nachdenklich wird.( denn anwaelte sind doch ganz serioes))))))

    Comment by suann — 27.02, 2011 @ 11:44

  9. Ich sehe es schon kommen, wir bekommen bald wieder Mailboxen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Mailbox_%28Computer%29

    Ernsthaft, die Grundidee des Internets war ja, dass es keine Präferenz bei der Datenverteilung gibt.
    Das hat nämlich auch den großen Vorteil, dass bei Neutralität der Provider keine Zensur möglich ist, da eben alle Daten gleichberechtigt transportiert werden.

    Die Abschaffung wird sich also nicht nur auf die Geschwindigkeit bestimmter Dienste auswirken, sondern eben auch eine Struktur für die Deep Packet Inspection schaffen, womit auch unliebsame Inhalte gefiltert werden. So könnte ein ISP fremde Webhostingservices blockieren (da er diese selbst anbietet) und ähnliche Dinge um sein Geschäftsmodell zu schützen.

    Bei ausreichend großer Konkurrenz ist das vordergründig erst einmal gar kein Problem, da man eben zu einem anderen Provider wechseln könnte. Ob sich dann natürlich nur ein ISP dieser Methode bedient, wage ich zu bezweifeln, da man damit eben seine eigenen, lukrativen Dienste schützen kann.

    Natürlich, man muss auch fair sein, viele Kunden wollen eben billig, billiger, am billigsten. Da ist es natürlich, dass sich Unternehmen zusätzliche Einnahmequellen sichern.

    Mir graut jedenfalls vor dieser Entwicklung und ich sehe schwarz für das freie Modell „Internet“, war es doch auch eine große Chance für die Meinungsfreiheit.

    Comment by Theoretiker — 27.02, 2011 @ 20:47

  10. Ich bedaure es zutiefst, jemals FDP gewählt zu haben. Mir ekelt, wenn ich die derzeitige Regierungsbeteiligung betrachte. Gott sei Dank bin ich aber nicht dafür verantwortlich, was wir für eine aktuelle Bundesregierung und Koalition haben.

    Comment by fernetpunker — 27.02, 2011 @ 22:48

  11. FDP ist wie ebay. Der Meistbietende bekommt den Zuschlag.^^

    Comment by Anton — 2.03, 2011 @ 21:15

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