Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

23.2.11

BVerfG: Im öffentlichen Raum darf demonstriert werden

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 22. Februar 2011 (Az.: 1 BvR 699/06), das gestern veröffentlicht wurde, entschieden, dass die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) auch auf dem Gelände des Flughafens Frankfurt gilt und dort deshalb grundsätzlich auch demonstriert werden darf.

Wenig überraschend ist die Entscheidung insoweit, als das BVerfG davon ausgeht, dass die Fraport AG unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist, weil die Aktienmehrheit bei der öffentlichen Hand liegt. Der Staat hat nämlich nicht die Möglichkeit, sich seiner Grundrechtsbindung dadurch zu entziehen, dass er eine privatrechtliche Gesellschaftsform, also z.B. die einer Aktiengesellschaft, wählt. Diese „Flucht ins Privatrecht“ führt nicht dazu, dass die Bindung an die Grundrechte entfällt.

Damit ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt, ob auf dem Gelände einer solchen AG beliebig demonstriert werden darf. Insoweit geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Versammlungsfreiheit noch kein allgemeines Zutrittsrecht zu beliebigen  Orten verschafft. Versammlungen können nicht ohne Weiteres auf frei gewählten Privatgrundstücken durchgeführt werden. Allerdings ist die Versammlungsfreiheit andererseits auch nicht auf den öffentlichen Straßenraum begrenzt, wie das Gericht betont. Die Durchführung von Versammlungen ist vielmehr auch an anderen Orten zulässig, an denen ein öffentliches Unternehmen einen allgemeinen öffentlichen Verkehr eröffnet hat und damit für die Öffentlichkeit frei zugänglich sind.

posted by Stadler at 10:50  

3 Comments

  1. Schön klare Worte aus dem Urteil:

    Art. 1 Abs. 3 GG liegt dabei eine elementare Unterscheidung zugrunde: Während der Bürger prinzipiell frei ist, ist der Staat prinzipiell gebunden. Der Bürger findet durch die Grundrechte Anerkennung als freie Person, die in der Entfaltung ihrer Individualität selbstverantwortlich ist. … Demgegenüber handelt der Staat in treuhänderischer Aufgabenwahrnehmung für die Bürger und ist ihnen rechenschaftspflichtig.

    Comment by suchenwi — 23.02, 2011 @ 11:01

  2. @Stadler (@all), ‚mal ganz blöd/laienhaft/naiv folgendes gefragt bzw. in den Raum geschmissen:

    Ist im Grunde Art. 8 GG (Abs. 1) nicht auch problemlos und ohne weiteres auf das Internet (bzw. auf die Internetdienste, wie das world wide web) übertragbar?
    In dem Zusammenhang sei kurz Art. 8 GG Absatz 1 zitiert:

    (1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

    Wie wäre in dem Fall das Wörtchen „versammeln“ eigentlich GENAU definiert? D.h. im Bezug auf ein „virtuelles Versammeln“, sozusagen… Wären dann beispielsweise sog. social networks (facebook & Co.), einschlägige Foren, blogs u.ä. „Versammlungsorte“, die unter den entsprechenden grundrechtlichen Schutz fielen? Immerhin schreibst du noch folgendes:

    […] Allerdings ist die Versammlungsfreiheit andererseits auch nicht auf den öffentlichen Straßenraum begrenzt, wie das Gericht betont. Die Durchführung von Versammlungen ist vielmehr auch an anderen Orten zulässig, […]
    und damit für die Öffentlichkeit frei zugänglich sind.

    Nicht nur der Bahnhof, der Flughafen u.s.w. ist für jedermann frei zugänglich – auch diverse Portale im world wide web sind öffentlich für jedermann zugänglich (besonders im Zusammenhang mit dem Thema „Netzneutralität“ zu betrachten).
    Damit dann im Hinterkopf ein bißchen weitergesponnen:
    Wären dann nicht allein schon aus solchen Gründen Dinge wie „Netzsperren“ oder etwa ein „kill switch“ (oder das Sperren von Seiten, wie z.B. „kino.to“ u.ä.) bereits hinfällig? Immerhin darf man sich „öffentlich versammeln“

    Heute ist beispielsweise eine -ich nenn‘ das ‚mal- „Online-Demonstration“ für viele natürlich noch völlig undenkbar. Allerdings darf man m.E. doch ruhig ‚mal ein Stück weiterdenken… oder!? Wenn es Blödsinn sein sollte, OK! Kein Problem! Allerdings: Die Teenies von heute sind schließlich die Wähler von morgen und wenn sich dann zum Beispiel eine breite Masse ‚mal nicht zu ’nem „flashmob“ oder so verabredet, sondern sich darauf einigt bei der nächsten Wahl Partei X zu wählen, dann halte ich eine „Online-Versammlungsfreiheit“ für wichtig.
    Tunesien, Ägypten, im Grunde sämtliche Länder Nordafrikas haben m.E. einen kleinen Vorgeschmack geboten (zu dem Zeitpunkt nicht-demokratischer Länder, wohl gemerkt)… Was waren diese „online-Bewegungen“ überhaupt? Meinungsäußerungen, die zu Demonstrationen geführt haben? Oder war das bereits eine/die Demonstration? Oder ist das insgesamt als Einheit zu sehen? Wo fängt das „Demonstrieren“ eigentlich an? Mir ist dabei natürlich bewusst, daß sämtliche „Proteste“ in schriftlicher Form bei uns im Grunde bereits durch die Meinungsfreiheit geschützt sind. Nur was passiert, wenn das Thema „Versammlungsfreiheit“ hinzu kommt!?
    Nebenbei: Die Fragestellung insgesamt ist natürlich auch ein Stück weit als „Provokation“ im konstruktiv gemeinten Sinne zu verstehen.

    Denn auch wenn sich das heute -zugegebenermaßen- ein wenig bekloppt anhören mag… Es greifen für mich persönlich bereits heute zu viele Rädchen ineinander, die mich persönlich zudem auch ein wenig „nervös“ machen: „Vorratsdatenspeicherung“, „Netzsperren“, „Three Strikes“ und ähnliche SEHR bedenkliche Vorhaben.

    Abschließend: Ich persönlich vertrete die Meinung, daß das Internet derart weitreichende Konsequenzen für die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen hat, daß m.E. dringend damit begonnen werden muss diesen Umstand bei sämtlichen Entscheidungen bereits zu berücksichtigen.

    So! Ich hoffe, ich konnte halbwegs verständlich rüberbringen, worauf ich hinaus möchte…!?
    Bin nunmal kein Jurist, sondern „nur“ ’n Ingenieur – dafür aber wenigstens mit 100% selbstgeschriebener Diplomarbeit!
    Wenn ich’n Doktor brauche, gehe ich zum Arzt und wenn ich Mercedes fahren will, rufe ich mir’n Taxi…oder so…! :-)

    Danke vorab und Gruß, Baxter

    Comment by Baxter — 23.02, 2011 @ 17:54

  3. Hmm. Warum soll das Versammlungsrecht nur für *öffentliche* Unternehmen gelten, die einen Ort für einen allgemeinen öffentlichen Verkehr eröffnet haben? Ich finde es schon sehr bedenklich, dass meine Stadt den öffentlichen Marktplatz für Weihnachtsmärkte vorübergehend an ein Privatunternehmen vermietet, das dann nach Gutsherrenmanier die Standplätze vergibt und Versammlungen per Hausrecht nicht duldet.

    Comment by Ein Mensch — 24.02, 2011 @ 02:19

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