Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

11.1.11

Access-Sperren in der EU

Die Diskussion über den Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie geht in ihre entscheidende Phase. Der Entwurf sieht in seinem Art. 21 vor, dass die Mitgliedsstaaten die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen haben, um sicherzustellen, dass der Zugang zu Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten blockiert wird.

Gestern hat hierzu eine Ausschussanhörung im EU-Parlament stattgefunden. Außerdem liegt mittlerweile der Draft Report (Angelilli-Report) des Europäischen Parlaments vor, der eine Reihe von Änderungsvorschlägen enthält. Der Änderungsvorschlag zu Art. 21 (Amendment 37) lautet:

Member States shall take the necessary measures to obtain the removal at source of the web page containing or disseminating child pornography. In addition, in order to protect the best interest of the child, Member States may set up procedures to block access by Internet users in their territory to Internet pages containing or disseminating child pornography in accordance with national law. The blocking of access shall be subject to adequate safeguards, in particular to ensure that the blocking is limited to what is necessary, that users are informed of the reason for the blocking and that content providers, as far as possible, are informed of the possibility of challenging it.

Dieser Änderungsvorschlag beinhaltet die Verpflichtung Maßnahmen zur Löschung/Beseitigung entsprechender Inhalte zu ergreifen. Die umstrittene Zugangsblockade ist nur noch fakultativ vorgesehen.

Nachdem allerdings sowohl die Kommission als auch der Rat als Sperrbefürworter gelten und sich die Justizminister der Mitgliedsstaaten schon auf Netzsperren verständigt haben, ist selbst für diese abgeschwächte Form eine Mehrheit im Parlament wohl eher fraglich.

Der Richtlinienentwurf geht mit seiner Beschränkung auf das Web, die auch in Amendment 11 des Angelilli-Report  ausdrücklich enthalten ist, nach wie vor komplett an der Realität vorbei. Das WWW ist, wie auch neue Studien belegen, kein relevanter Umschlagsplatz für Missbrauchsdarstellungen im Internet und kann bestenfalls als Nebenkriegsschauplatz bezeichnet werden. Der Richtlinienvorschlag ist in diesem Punkt also noch nicht einmal auf den Kern des Problems hin ausgerichtet. Ganz unabhängig davon, dass er mit Access-Sperren ein ungeeignetes Instrument zur Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs wählt.

posted by Stadler at 11:59  

3 Comments

  1. Ergänzend dazu noch einmal, weil man es meines Erachtens nicht oft genug sagen kann:

    „Child“ ist jeder Person unter 18 Jahren!

    Es geht also genaugenommen um Missbrauchsdarstellungen von Kindern _UND_ -hier passt der Begriff wohl nicht mehr ganz- Darstellungen von sexuellen Handlungen mit/an/vor/unter Jugendlichen.
    Würde man für „sex. Handlungen mit Beteiligung von Jugendlichen“ in gleicher Weise als „Missbrauchsdarstellungen“ qualifizieren, würde man mE den Missbrauchsbegriff grotesk relativieren.

    Comment by Gast — 11.01, 2011 @ 12:09

  2. Es ist nicht schwer, aus Verfahren und Abläufen abzuleiten, daß Kinder- und Opferschutz nicht die treibende Kraft hinter den Bestrebungen sind.
    Mag sein, daß der ein oder andere Befürworter sich mit sturer Naivität diesem Szenario anhängt.

    Die tatsächliche Zielsetzung kann nur die Errichtung der Infrastruktur sein, die die Kontrolle unliebsamer Inhalte ermöglicht. Sei es gegen Glücksspiel, Pornographie, Urheberrechtsverletzungen oder politsch unbequeme Meinungen.
    Die Beteuerungen der Politik, es ginge ausschließlich um Kinderpornographie, sind wertlos, denn erstens halten diese erfahrungsgemäß nicht lange, wenn Begehrlichkeiten locken und zweitens, und das ist der interessante Teil, verbietet kein daraus abgeleitetes Gesetz explizit die Verwendung der Infrastruktur für andere Dinge.

    Comment by Oliver Fels — 11.01, 2011 @ 12:11

  3. Danke mehr kann man nicht sagen:…Die tatsächliche Zielsetzung kann nur die Errichtung der Infrastruktur sein, die die Kontrolle unliebsamer Inhalte ermöglicht. Sei es gegen Glücksspiel, Pornographie, Urheberrechtsverletzungen oder politsch unbequeme Meinungen…
    #anonops #anon @ twitter

    Comment by immel locker — 13.01, 2011 @ 10:32

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